Secteur Suisse des EuroAirport: Staatsvertrag nützt auch den Mitarbeitenden

14.07.2023

Am jährlichen Netzwerkanlass der «Koordinationsplattform Secteur Suisse EAP» der Handelskammer debattierten Vertreterinnen und Vertreter aus Frankreich und der Schweiz über die Herausforderungen des binationalen EuroAirports. Im Fokus stand die nach wie vor ungelöste Frage des anwendbaren Arbeitsrechts. Diskutiert wurde aber auch darüber, wie Flugzeuge künftig nachhaltig betrieben werden können.

Der EuroAirport ist ein weltweites Unikat. Kein anderer Flughafen wird von zwei Ländern betrieben, so wie dies in Basel-Mulhouse der Fall ist. Der Grundstein für den Erfolg des binationalen EuroAirports wurde mit einem Staatsvertrag von 1949 gelegt. Seitdem ist die Entwicklung des Flughafens eine Erfolgsstory. Heute arbeiten dort über 6'000 Mitarbeitende. Über sieben Millionen Passagiere flogen im Jahr 2022 in 90 verschiedene Destinationen.

Die besondere Struktur des Flughafens stellt die Verantwortlichen des Flughafens, aber auch die ansässigen Unternehmen, immer wieder vor Herausforderungen. Nicht nur der Klimawandel verlangt auch von den Flugunternehmen Anpassungen und eine Weiterentwicklung des Flugverkehrs in Richtung Klimaneutralität. Nach wie vor ungelöst ist zudem die Frage, welches Arbeitsrecht im Schweizer Sektor des Flughafens anwendbar ist. Diese Unsicherheit kann für die betroffenen Unternehmen als Hemmschuh für Investitionen und das Schaffen von Arbeitsplätzen wirken.

Nachhaltige Treibstoffe sind Zukunft

In seinem Einführungsreferat wies Theo Rindlisbacher vom Bundesamt für Zivilluftfahrt die Gäste des Netzwerkanlasses – Vertreterinnen und Vertreter von Wirtschaft, Politik und Verwaltung aus Frankreich und der Schweiz – darauf hin, dass der Einsatz nachhaltiger Treibstoffe die bedeutendste Massnahme zur Reduktion der Klimawirkung im Luftverkehr sei. In der Schweiz lassen sich nachhaltig synthetische Treibstoffe aber kaum im benötigten Umfang wirtschaftlich produzieren. Die Luftfahrt ab der Schweiz würde allein mindestens 70 Prozent der heutigen Schweizer Stromproduktion benötigen.

Die anschliessende Podiumsdiskussion unter der Moderation von Luca Urgese, Geschäftsführer der Koordinationsplattform, nahm diesen Ball direkt auf. Swissport habe sich das Ziel gesetzt, global bis 2025 die Hälfte der Gerätschaften auf Strom zu schalten, unterstrich Andreas Behnke, CEO und Station Manager Basel, zu Beginn der Diskussion. Das Unternehmen befasse sich zudem mit Hydrotreated Vegetable Oil. Damit wird gebrauchtes Speiseöl so aufbereitet, dass es Kerosin beigemischt werden kann.

Marc Steuer, stellvertretender Direktor EuroAirport, wies darauf hin, dass man in Frankreich die Stromproduktion verdoppeln müsse, um ausreichend nachhaltigen Treibstoff produzieren zu können. Zudem sei auch der damit verbundene Wasserverbrauch ein Problem. Es gebe eine starke Nachfrage auf dem Markt, da sei man auch direkt mit den Mineralölunternehmen im Gespräch. Eine Beimischung von nachhaltigen Treibstoffen zum bestehenden Kerosin, wie dies aktuell im Vordergrund steht, könne am EuroAirport mit der bestehenden Infrastruktur ohne Weiteres bewerkstelligt werden. Diese entspreche den aktuellen Standards.

Podium Secteur Suisse Bei der Podiumsdiskussion war man sich einig, dass der Einsatz nachhaltiger Treibstoffe die bedeutendste Massnahme zur Reduktion der Klimawirkung im Luftverkehr sei.

Für Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter, Präsidentin Handelskammer beider Basel, zeigt die technische Herausforderung, genügend nachhaltigen Treibstoff zu erzeugen, wie wichtig die grenzüberschreitende Zusammenarbeit gerade im Bereich von Forschung und Innovation sei. Gemeinsam könne man viel erreichen, der Ausschluss der Schweiz aus dem Forschungsprogramm Horizon sei jedoch ein Rückschritt zum Schaden von ganz Europa. Schneider-Schneiter verwies sodann auf das Engagement der Handelskammer für grünen Wasserstoff, der Teil der Lösung sein könne.

Die Flugzeugindustrie sei nach Covid-19 wieder voll im Aufschwung, berichtete Jean-Marie Bockel, früherer französischer Minister und Parlamentarier. So produziert beispielsweise Airbus bereits wieder 500 Flugzeuge pro Jahr. Die bevorstehende Entwicklung in Richtung nachhaltige Treibstoffe stecke dabei noch in den Kinderschuhen. Das Nachhaltigkeitsbewusstein sei vorhanden, Ausgangspunkt sei allerdings die heutige Realität und das brauche entsprechend Zeit. Auch die Konkurrenz aus China habe erkannt, in welche Richtung die Entwicklung gehe.

Schweizer Arbeitsrecht: Auch Mitarbeitende profitieren

Die Diskussionsrunde wandte sich anschliessend der Frage des anwendbaren Arbeitsrechts im Schweizer Sektor zu, die nach wie vor einer Lösung harrt. Als Vertreter eines betroffenen Unternehmens, aber auch stellvertretend für alle Unternehmen im Schweizer Sektor, verwies Swissport-CEO Andreas Behnke auf die Belastung, die durch die unsichere Rechtslage besteht. Die Unternehmen pflegen eine Schweizer Kultur und auch die Angestellten betrachten sich als Mitarbeitende eines Schweizer Unternehmens. Die Löhne entsprechen Schweizer Niveau und sämtliche Sozialversicherungen werden über die Schweiz abgewickelt. Davon würden auch die Mitarbeitenden profitieren, beispielsweise als die Schweiz während der Pandemie Kurzarbeitsentschädigungen ausbezahlt hat. Es sei jedoch nicht möglich, sich das Beste aus beiden Welten herauszupicken.

Man müsse immer wieder aufklären, wie unklar die arbeitsrechtliche Situation am EuroAirport sei, stellte Schneider-Schneiter fest. Vor allem in Bundesbern sei das vielen nicht bewusst. Auch, dass der Flughafen sich auf französischem Territorium befinde, sei oftmals nicht bekannt. Der Staatsvertrag zwischen Frankreich und der Schweiz wird bald 75 Jahre alt und müsse immer wieder aufs Neue verteidigt werden. Auf Schweizer Seite stünden die Chancen gut, dass ein neuer Staatsvertrag zur Lösung der arbeitsrechtlichen Frage auf Akzeptanz stösst.

Auf französischer Seite sei die Situation schwieriger geworden, meinte Bockel und erinnerte an das optimistische Votum von Olivier Becht, damals französischer Abgeordneter und heute Aussenwirtschaftsminister. Nach den Wahlen 2022 in Frankreich habe sich die Situation geändert. Es gebe nach wie vor auch auf französischer Seite mehrere Alliierte für das Anliegen, den Accord de méthode gerichtsfest zu machen. Das Arbeitsrecht sei aber ein «monument français», man müsse sich entsprechend der Realität anpassen. Wichtig sei im Moment, dass es Bewegung gebe. Der französische Präsident kenne das Dossier und es bestehe nach wie vor Hoffnung auf eine baldige Lösung. Bis wann damit gerechnet werden kann, ist aber nicht absehbar. In der Zwischenzeit setze sich der Status quo fort.

Dass es möglich ist, Schweizer Arbeitsrecht anzuwenden, zeigt sich am Beispiel des Flughafens selbst. Darauf wies Marc Streit hin: Zehn Prozent der Angestellten des EuroAirport unterliegen Schweizer Arbeitsrecht. Eine solche Lösung sei also möglich, wenn man es will. Generell sei der Staatsvertrag von 1949 sehr solid und gut gemacht, dies zeige sich im Alltag immer wieder. Der Flughafen unterstütze das Anliegen der Plattform und betreibe selber im Rahmen seiner Möglichkeiten Lobbying - über Vertreterinnen und Vertreter, aber auch bei Besuchen. Stets werde auf die Bedeutung sowohl einer Lösung im Arbeitsrecht als auch der Binationalität des Flughafens generell hingewiesen.

Elisabeth Schneider-Schneiter Gemeinsam könne man im Bereich nachhaltiger Treibstoffe viel erreichen, der Ausschluss der Schweiz aus dem Forschungsprogramm Horizon sei jedoch ein Rückschritt zum Schaden von ganz Europa, meinte Elisabeth Schneider-Schneiter.
Für Bedeutung des Flughafens für die Region sensibilisieren

Wie wichtig dieses Lobbying ist, unterstrich auch Schneider-Schneiter. In Bundesbern müsse noch stärker dafür sensibilisiert werden, wie bedeutend der Flughafen für die ganze Region ist, nicht nur für die Schweiz. Denn das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU sei noch komplizierter als das französische Arbeitsrecht und die EU wolle nicht, dass Mitgliedsstaaten die Autorität der EU mit technischen Abkommen unterwandern. Käme es zu einer Verknüpfung zwischen dem Flughafendossier und der Forderung der EU nach Lösungen bei institutionellen Fragen, werde es schwierig. Auch deshalb setzt sie sich für eine baldige Lösung im EU-Dossier ein.

Für die ganze Community im Schweizer Sektor sei klar, dass die Durchsetzung des Accord de méthode in Form eines Staatsvertrages der richtige Weg sei, hielt Andreas Behnke abschliessend fest. Von einer Lösung profitieren natürlich die Arbeitgeber, die dadurch Rechtssicherheit erhielten, aber letztendlich auch alle Mitarbeitenden. Diese haben sich dank sicherer Arbeitsplätze ein gutes Leben aufgebaut. Oftmals sind auch andere Familienmitglieder im selben Unternehmen tätig. Es werde darauf geschaut, dass die Mitarbeitenden korrekt honoriert werden, das System funktioniere gut. Eine Anwendung von französischem Arbeitsrecht wäre hingegen fatal. Hier brauche es die Hilfe der Politik und die Unternehmen würden dabei wo immer möglich unterstützen.

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