Stellungnahmen zu den Grossratssitzungen vom 28. und 29. Juni 2023

23.06.2023

Die Handelskammer beider Basel nimmt zu den «Stadtklimainitiativen» der Grossratssitzung vom 28. und 29. Juni 2023 Stellung.

Anliegen

Wir bitten Sie, geschätzte Grossrätinnen und Grossräte, die Beschlussentwürfe der UVEK-Mehrheit und der UVEK-Minderheit sowie die beiden Initiativen abzulehnen.

Begründung

Da die beiden Initiativen inhaltlich eng miteinander verbunden sind, behandeln wir sie in unserer Stellungnahme gemeinsam. Konkret fordert die «Zukunfts-Initiative», dass während 10 Jahren jährlich 0.5 Prozent der Strassenfläche im Kanton Basel-Stadt zugunsten des öffentlichen und des Langsamverkehrs umgewandelt werden sollen. Die «Gute-Luft-Initiative» stellt die analoge Forderung auf, allerdings zugunsten von mehr Grünflächen. Zusammen fordern die beiden sogenannten «Stadtklima-Initiativen» somit den Abbau eines Prozents der Strassenfläche pro Jahr, was über zehn Jahre addiert insgesamt 480'000 m2 ergibt. Dies entspricht etwa der Fläche von 67 Fussballfeldern. In den zur Diskussion stehenden Berichten schlagen die UVEK-Mehrheit (353'000 m2) und die UVEK-Minderheit (364'000 m2) im Rahmen von jeweils separaten Gegenvorschlägen etwas kleinere Flächen vor, welche zugunsten des öffentlichen, des Langsamverkehrs sowie von Grünflächen umgewidmet werden sollen. Auch diese Zielgrössen schiessen jedoch wesentlich über das für Bevölkerung und Wirtschaft verträgliche Mass hinaus. Im Folgenden erläutern wir, wie die Handelskammer zu dieser Einschätzung kommt:

Die Erreichbarkeit des Lebens- und Wirtschaftsraums Basel auf sämtlichen Verkehrsträgern ist zentral und darf keinesfalls durch die massive Vernichtung von funktionstüchtiger Infrastruktur aufs Spiel gesetzt werden. Auch die Regierung ist überzeugt, dass die Erreichbarkeit insbesondere für den motorisierten Personen- und Wirtschaftsverkehr bei einer Annahme der Initiative nicht mehr gewährleistet und Nutzungskonflikte auf der stark verknappten Strassenfläche vorprogrammiert wären. Gerade der motorisierte Individualverkehr ist mit über Dreivierteln der Gesamtverkehrsleistung nach wie vor das Rückgrat der Mobilität in der Schweiz und wird dies auf absehbare Zeit auch bleiben. Mit einer massiven Reduktion der Strassenfläche würde diesem zentralen Verkehrsträger die Grundlage entzogen – mit weitreichenden Folgen für die Bewältigung der Mobilitätsbedürfnisse. Das Verkehrssystem der Region Basel stützt sich zurzeit auf stark veraltete Infrastrukturen ab. So verfügt die Region über kein leistungsfähiges und modernes S-Bahn-System, gleichzeitig ist das Hochleistungsstrassennetz in der Region stark überlastet und lückenhaft. Partielle Abhilfe wird erst längerfristig mit Projekten wie der trinationalen S-Bahn und dem Rheintunnel geschaffen. Dennoch die Verkehrskapazitäten auf dem städtischen Strassennetz massiv einzuschränken, würde zu einem Verkehrskollaps führen – inklusive der massiven negativen Konsequenzen für die städtische Ver- und Entsorgung, die wirtschaftliche Entwicklung der Region, die Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung und die Funktionstüchtigkeit der Blaulichtorganisationen. Die Standortattraktivität der Stadt Basel würde darunter erheblich leiden. Gleichzeitig würde die Verkehrssicherheit durch beengte Platzverhältnisse verschlechtert. Eine verschärfte Sogwirkung wirtschaftlicher Aktivität in den Agglomerationsraum wäre eine mögliche Folge.

Des Weiteren würde eine Annahme der Initiative gemäss Regierungsrat zu einer Verfünffachung der Baustellenzahl führen. Bereits heute wird die Bevölkerung massiv durch die Bautätigkeit in der Stadt belastet. Eine Verfünffachung dieser Belastung ist für die Bevölkerung nicht hinnehmbar. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass gemäss Regierung bei einer Strassenumgestaltung für eine Wirkungsveränderung auf einem Quadratmeter eine Baustellenfläche von durchschnittlich zehn Quadratmetern benötigt wird. Ab einer Wirkungsveränderung auf 10 Prozent der Fläche einer Strasse müsste diese also komplett erneuert werden. Dass deshalb die erhöhte Baustellendichte zu massiven Verkehrseinschränkungen bis hin zum Verkehrskollaps führen wird, liegt auf der Hand. Ebenfalls ist fraglich, ob Verwaltung und Baugewerbe in der bereits stark angespannten Arbeitsmarktsituation die notwendigen Fach- und Arbeitskräfte für die Umsetzung der Initiativen bzw. der Gegenvorschläge finden würden. Wie die Regierung schreibt, wäre es zudem unmöglich, bei Einhaltung der aktuellen Planungs-, Anhörungs-, und Genehmigungsprozesse und entsprechendem mehrjährigem Vorlauf die von der Initiative geforderte Fläche in der vorgegebenen Frist umzunutzen. Nicht zu vergessen sind auch die Opportunitätskosten dieser Umbauten: So könnte das erträgliche Mass aufgrund der durch die Initiativen induzierten Baustellen insgesamt überschritten werden. Die Nichtrealisierung zentraler Projekte in der Region, von der Arealentwicklung bis hin zur S-Bahn, wäre eine mögliche verheerende Folge.

Die Region Basel liegt überdies im Zentrum des Rhein-Alpen-Korridors, dem wichtigsten europäischen Güterverkehrskorridors. Die Logistik ist eine Leitbranche vor Ort, die auf moderne und leistungsfähige Infrastrukturen angewiesen ist. Dank ihr kann die Ver- und Entsorgung sowie der Aussenhandel der Region und der Schweiz sichergestellt werden.

Die Handelskammer stellt sich dessen ungeachtet keinesfalls gegen die Stärkung klimafreundlicher Verkehrsträger oder eines lebenswerten Grünraums in der Stadt. Massnahmen hierzu sind jedoch bereits eingeleitet. So hat der Regierungsrat beispielsweise geplant, 100'000 m2 Verkehrsfläche für den öffentlichen bzw. den Langsamverkehr umzuwidmen. Dies ist bei weitem ausreichend. Es bedarf keiner zusätzlichen Anstrengungen. Zur Erreichung der Klimaziele und zur Verminderung des Treibhausgasausstosses ist zudem die Restwertvernichtung an der bestehenden Infrastruktur kein probates Mittel. Vielmehr muss bei der Elektrifizierung des Verkehrs, der Dekarbonisierung der Industrie – beispielsweise mittels Wasserstoff-Technologie, und der Anwendung klimafreundlicher Methoden im Bausektor angesetzt werden.

Die beiden Initiativen sowie die Gegenvorschläge fordern zudem weit umfassendere Eingriffe als die VCS-Initiative «Strasse teilen – Ja zum sicheren und hindernisfreien Fuss-, Velo- und öffentlichen Verkehr (Strasseninitiative Basel-Stadt)». Doch selbst diese wurde im Jahr 2015 mit 73 Prozent Nein-Stimmen von der Bevölkerung des Kantons Basel-Stadt deutlich verworfen. Die Forderungen der «Stadtklima-Initiativen» schiessen, wie den obenstehenden Ausführungen zu entnehmen ist, deutlich über das Ziel hinaus. Auch die verschiedenen Gegenvorschläge würden zu massiven Belastungen und Einschränkungen für die Bevölkerung und die Wirtschaft führen, weshalb wir diese ebenfalls ablehnen. Wir fordern, die Initiativen ohne Gegenvorschlag dem Stimmvolk zur Abstimmung vorzulegen.

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