Stellungnahme zur In-vitro-Diagnostika und zu klinischen Versuchen mit Medizinprodukten

16.07.2021

Die Handelskammer beider Basel begrüsst die Schaffung einer eigenständigen Verordnung für den Bereich In-vitro-Diagnostika grundsätzlich, stellt jedoch fest, dass die vorliegenden Vorlagen bereits veraltet sind und einer Überarbeitung bedürfen. Denn die Schweiz ist in Bezug auf Medizinprodukte seit dem 26. Mai 2021 ein Drittstaat im EU-Handelsraum. Die Vorlagen funktionieren nicht in dieser neuen Realität. Weiter muss die Nicht-Aktualisierung des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA) in den nationalen Vorlagen berücksichtigt werden. Ausserdem beinhaltet die Vorlage zusätzliche Verschärfungen im Vergleich zum EU-Recht (Swiss Finish). Im Weiteren verweisen wir auf die detaillierte Stellungnahme der Swiss Medtech und des Schweizerischen Verbands der Diagnostikindustrie (SVDI).

Ausgangslage

Die beiden Vorlagen wurden vom Bundesrat am 14. April 2021 in die Vernehmlassung gegeben, das heisst, zu einem Zeitpunkt, als die Schweiz und die Europäische Union (EU) noch über das Institutionelle Rahmenabkommen (InstA) verhandelten und davon ausgegangen werden konnte, dass die notwendige Aktualisierung des Abkommens Schweiz-EU über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen, wenn überhaupt, dann höchstens kurzfristig verzögert wird. In der Zwischenzeit sieht die Realität anders aus.

Am 26. Mai 2021 hat der Bundesrat die Verhandlungen zum InstA offiziell abgebrochen und das MRA konnte nicht aktualisiert werden. Seit dem 26. Mai 2021 ist die Schweiz in Bezug auf Medizinprodukte im EU-Handelsraum ein Drittstaat. Schweizer Hersteller müssen den Prüforganen in Europa die Konformität ihrer Medizinprodukte ausschliesslich basierend auf EU-Recht belegen. Die vorliegenden Entwürfe sind demnach bereits heute veraltet. Sie sind in der Drittstaat-Realität nicht anwendbar.

Vorlagen

Die Schweiz ist in Bezug auf Medizinprodukte seit dem 26. Mai 2021 ein Drittstaat im EU-Handelsraum. Die Vorlagen funktionieren nicht in dieser neuen Realität. Im erläuternden Bericht zu den beiden Vorlagen hält der Bundesrat auf Seite 8 ausdrücklich fest, welche zentrale Bedeutung das Abkommen Schweiz-EU über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA) für die Schweiz und die EU hat. Seit dem 26. Mai 2021 ist das MRA für den Sektor Medizinprodukte nicht mehr anwendbar. Das heisst, die Rechtsgrundlage, auf welche sich die Schweiz bei der Gleichwertigkeit ihrer beiden nationalen Vorlagen zum EU-Recht bisher beziehen konnte, existiert nicht mehr. Damit verfehlen die beiden Entwürfe ein wichtiges, vom Bundesrat selbstdeklariertes Ziel der Revision des nationalen Medizinprodukterechts, namentlich die Gleichwertigkeit zum EU-Recht. Umso wichtiger ist es, dass die beiden nationalen Vorlagen dergestalt sind, dass die europäische Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IVDR) auch in der Schweiz angewendet werden kann. Die Nicht-Funktionalität der nationalen Medizinprodukte-verordnung (MepV) macht diese Notwendigkeit deutlich. Es ist zwingend darauf zu achten, dass die nationalen Vorlagen das EU-Recht in nachvollziehbarer Weise wiedergeben, anderenfalls ist der reibungslose Warenhandel mit der EU nicht sichergestellt.

Die oft als Swiss Finish bezeichnete Eigenart, das EU-Recht nicht nur mit Akribie zu übernehmen, sondern noch zusätzlich zu verschärfen, lässt sich auch beim IvDV-Entwurf feststellen. Der aktuelle vertragslose Zustand bei Medizinprodukten zwischen der Schweiz und der EU ist eine sehr grosse Herausforderung für die Industrie und das Gesundheitswesen. Davon betroffen sind nicht nur die Schweizer Wirtschaftsakteure (Hersteller, Bevollmächtigte, Importeure und Händler), sondern auch die Leistungserbringer (Spitäler, Arztpraxen, Heime etc.) und Patienten. Der sich abzeichnende Versorgungsengpass wird mit der IvDV Vorlage noch verschärft. Rigide formulierte Ausnahmebestimmungen verhindern z.B. die Anwendung von diagnostisch therapeutischen Spezialitäten für seltene Krankheiten und lassen kaum Spielraum für die Verwendung nicht-konformer oder noch-nicht-konformer Produkte.

Forderungen

Wir fordern daher

  • eine grundlegende Überarbeitung der beiden Entwürfe, so dass sie in der Drittstaat-Realität rechtsverbindlich anwendbar sind,
  • die Streichung sämtlicher Swiss Finish Ansätze sowie offenere Ausnahme-Formulierungen, welche ausreichend Handlungsspielraum zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung der Schweizer Bevölkerung ermöglichen,
  • die direkt betroffene Branche in die grundlegende Überarbeitung der Vorlagen miteinzubeziehen und diese erneut in die öffentliche Vernehmlassung zu geben und verweisen auf die detaillierte gemeinsame Stellungnahme der Swiss Medtech und des SVDI.

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