Änderung der Winterreserveverordnung

23.08.2023

Die Handelskammer beider Basel unterstützt die vorgelegte Revision der WResV. Daneben fordern wir die Politik auf, der Versorgungssicherheit höchste Priorität einzuräumen und sich für entsprechende Rahmenbedingungen einzusetzen.

Zusammenfassung der Hauptforderungen
  • Die Handelskammer beider Basel unterstützt die vorliegende Änderung der Winterreserveverordnung
  • Wir fordern die Politik auf, der Versorgungssicherheit höchste Priorität einzuräumen
  • Die politischen Rahmenbedingungen müssen so ausgestaltet werden, dass ein rascher Zubau bei der Energieproduktion und der damit verbundenen Anpassungen des Stromnetzes möglich sind
Ausgangslage

Am 25. Januar 2023 hat der Bundesrat die Winterreserveverordnung (WResV; SR 734.722) verab-schiedet. Mit dieser Revision ist zur Wasserkraftreserve, die ab Herbst 2022 gebildet wurde, eine sogenannte «ergänzende Reserve» hinzugekommen. Die ergänzende Reserve besteht aus Notstromgruppen, Wärme-Kraft-Koppelungsanlagen und (mit Gas/fossil betriebenen) Reservekraftwerken. Solche Reservekraftwerke wurden bereits für den Winter 2022/2023 einsatzfähig gemacht, so u.a. in Birr (AG). Künftig soll es weitere, gegebenenfalls auch von Grund auf neue Reservekraftwerke geben, auch an neuen Standorten.

Die WResV sieht bereits heute vor, dass für neue Reservekraftwerke mit Ausschreibungen begonnen werden kann, damit die Kraftwerke dereinst rechtzeitig für die Reserve bereit sind. Die ganze Stromreserve wurde vom Bundesrat auf dem Verordnungsweg eingeführt, gestützt auf Artikel 9 des Stromversorgungsgesetzes vom 23. März 2007 (StromVG, SR 734.7). Sie bedarf aber auch einer Abstützung im Gesetz. Dies geschieht einerseits im Rahmen des sich in der parlamentarischen Beratung befindlichen Bundesgesetzes über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien und andererseits – für die ergänzende Reserve inklusive neue Reservekraftwerke – in einer separaten Gesetzesvorlage.

Konzeption

Die geplante Revision der WResV enthält Änderungen zweierlei Art. Einerseits geht es um eher technische Aspekte, bei denen die bisherigen Regelungen der WResV aufgrund praktischer Bedürfnisse stärker ausdifferenziert werden müssen. Andererseits geht es um die bereits vorgesehenen Ausschreibungen für Reservekraftwerke, auch für neue. Solange es im Gesetz keine entsprechende Grundlage gibt, besteht für neue Reservekraftwerke in der Mittelfristperspektive eine gewisse Unsicherheit. Derweil müssen entsprechende Projekte früh lanciert werden, weil die Realisierung lange dauert. Genau deshalb sieht die heutige WResV frühzeitige Ausschreibungen für solche Projekte vor und der Start der Auktionen ist für 2023 geplant. Wegen der beschriebenen Unsicherheit besteht jedoch das Risiko, dass sich keine oder nicht ausreichend viele Investoren finden, die an den Ausschreibungen teilnehmen. Falls die Realisierung der Anlagen bzw. die Reserveintegration dereinst politisch nicht gewollt sein und somit scheitern sollte, würden die Projektanten auf Kosten für vergeblich getätigte Arbeiten sitzen bleiben. Angesichts dieses politischen Kontexts ist eine entsprechende Entschädigung mit Billigkeitscharakter angezeigt. Damit die Projektanten die nötige Gewissheit darüber haben, wird die WResV mit einem kurzen Passus ergänzt, wonach solche Kosten übernommen werden, namentlich für unnütz gewordene Projektierungsarbeiten. Die Kosten werden, wie die restlichen Reservekosten, auf die Netzkosten des Übertragungsnetzes geschlagen. Zusätzlich wird mit der WResV-Revision geändert, wer die Ausschreibungen für neue Reservekraftwerke durchführt. Bisher war – nach einer Übergangsphase mit einer Zuständigkeit des Bundesamts für Energie (BFE) – Swissgrid für die Ausschreibungen vorgesehen. Nun wird dies geändert und das BFE wird bis auf Weiteres, also für die ganze Geltungsdauer der WResV unter Artikel 9 StromVG, für zuständig erklärt. Es bestehen noch verschiedene Unsicherheiten, sodass diese Lösung einstweilen vorzuziehen ist, u.a. aus den folgenden Gründen: Neue Reservekraftwerke haben eine politische Komponente und können vor Ort umstritten sein; der Bund kann dies besser abdecken als Swissgrid, jedenfalls vorderhand. Die Ausschreibung für Reservekraftwerke durch den Bund bedeutet nicht, dass der Bund solche Kraftwerke für sich selbst beschafft bzw. dass die Reserve dem Bund gehört, oder, dass er sie betreibt. Die Reserve ist vielmehr (ausserhalb des Marktes) Teil des Versorgungssystems. Ihr wird mit den Reservekraftwerken zusätzliches Produktionspotenzial bzw. Leistung zugeführt. Für diese Zuführung übernimmt der Bund wie schon im Sommer 2022 die Organisation der nötigen Ausschreibungen. Die Ausschreibung wird auch andere Anlagen als Reservekraftwerke erfassen, was ebenfalls durch schon bestehende Bestimmungen der WResV abgedeckt ist (Art. 14). Die WResV-Revision geht zusammen mit der erwähnten Vorlage zur Abbildung der Reservekraftwerke im Gesetz in die Vernehmlassung. Die Reservekraftwerke als solche sind Thema der Gesetzesvorlage. Bei der WResV-Revision geht es nur um die Übernahme eines Kostenpostens.

Forderungen

Die Handelskammer beider Basel unterstützt die vorgeschlagene Änderung der Winterreserveverordnung grundsätzlich. Aufgrund der mangelhaften Rechts- und Planungssicherheit erachten wir es insbesondere als sinnvoll, dass Projektanten bei Nicht-Zustandekommen der Gesetzesgrundlage ein Ersatz für die notwendigen Kosten zur Projektierung und die erforderlichen Vorleistungen gewährt wird. Damit wird ein sonst kaum kalkulierbares und daher schwierig handhabbares unternehmerisches Risiko abgefedert, wodurch Unternehmen viel eher bereit wären, an den Ausschreibungen teilzunehmen. Der durch vermehrte Teilnahme entstehende Wettbewerb kommt durch vermutlich tiefere Preise wiederum auch dem Fiskus zugute.

Entsprechend unterstützt die Handelskammer den Vorschlag, dass die WResV um einen entsprechenden Passus ergänzt wird. Zusätzlich wird mit der WResV-Revision geändert, wer die Ausschreibungen für neue Reservekraftwerke durchführt. Aufgrund der erwähnten politischen Komponente unterstützt die Handelskammer beider Basel auch diese Änderung. Bei den Ausschreibungen ist darauf zu achten, dass diese technologieoffen formuliert werden müssen. Wo fossile Energieträger zum Einsatz kommen, ist mit entsprechenden Anreizen darauf hinzuwirken, dass diese im Sinne der Nachhaltigkeit für den perspektivischen Einsatz von beispielsweise grünem Wasserstoff und anderen synthetischen und CO2-neutralen Brennstoffen geeignet sind.

Eine Strommangellage ist aus Sicht der Wirtschaft das zurzeit grösstmögliche Risiko in der Schweiz. Die damit verbundenen volkswirtschaftlichen Kosten wären enorm. Ohnehin werden die aktuellen Unsicherheiten bei der Versorgung die Schweiz wohl noch lange begleiten. Deshalb muss die Energieproduktion in der Schweiz, unabhängig von der Winterreserve, rasch ausgebaut werden. Aufgabe der Politik ist es, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu gewährleisten. Der Versorgungssicherheit ist im gesamtwirtschaftlichen Kontext, aber auch im Rahmen des Umbaus unseres Energiesystem, die höchste Priorität einzuräumen. Sie muss Kernaufgabe der Energiepolitik sein und bei der Dekarbonisierung neben der Wirtschaftlichkeit prioritär beachtet werden. Nachdem die Ausbauziele insbesondere bei der Windenergie und Geothermie in der Vergangenheit stets verfehlt wurden, muss die Schweiz jetzt vor allem beim Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion sowie beim Um- und Ausbau der Stromnetze einen Gang höher schalten. Denn die Stromimporte aus unseren Nachbarländern, während der Wintermonate, werden aufgrund deren sich verringernden Exportfähigkeit weiter abnehmen. Beim Zubau neuer und der Erneuerung bestehender Energieinfrastrukturen können wir uns die in den letzten Jahrzehnten aus dem Ruder gelaufenen Regulierungskosten und Verfahrensdauern nicht mehr leisten. Entsprechend braucht es unter anderem eine Einschränkung der Beschwerdemöglichkeiten. Zu guter Letzt ist eine engere Kooperation mit der EU unabdingbar, um die Energie- und Klimaziele der Schweiz zu erreichen. Zentral ist dabei der Abschluss eines Energieabkommens mit der EU, welches neben Strom etwa auch Erdgas und Wasserstoff umfasst.

 

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