Entwicklungskonzept Stadtraum Bahnhof SBB

16.09.2020

Mit dem Entwicklungskonzept Stadtraum Bahnhof SBB soll die langfristige Entwicklung um den Bahnhof SBB festgehalten werden. Die Ergebnisse des Konzepts sollen im Richtplan verankert und somit behördenverbindlich gemacht werden. Die Handelskammer bemängelt insbesondere die Transparenz bei der Auswahl der Wirkungsziele, Projekte mit fraglichem Kosten-Nutzenverhältnis und die nicht praktikablen Einschränkungen des motorisierten Individualverkehrs. Positiv beurteilt sie hingegen die Bemühungen zur Nachverdichtung. Diese erlauben eine effiziente Raumnutzung und erhöhen das Angebot an Arbeits- und Wohnflächen an attraktiven Lagen.

Zur Vernehmunglassungsvorlage

Die Handelskammer beider Basel erachtet die Aufwertung und Umgestaltung des Stadtraums Bahnhof SBB als wichtigen Schritt zur Optimierung der Betriebsabläufe und zur Steigerung der Standortattraktivität. Der Bahnhof Basel SBB ist eine zentrale Verkehrsinfrastruktur und ist für die Erreichbarkeit des Standorts Basel von grosser Bedeutung. Im Jahr 2019 wurde der Bahnhof SBB werktags von 136'000 Reisenden genutzt1. Mit dem Bau des «Herzstücks» wird die regionale Bedeutung des Schienenverkehrs weiter zunehmen. Das «Entwicklungskonzept Stadtraum Bahnhof SBB» soll die Weiterentwicklung des Perimeters Bahnhof SBB als funktionaler und gut integrierter Stadtraum ermöglichen. Dabei ist es zentral, dass die Stadtentwicklung auf die Bedürfnisse und Vorgaben des S-Bahn-Projekts «Herzstück» eingeht. Eine optimale Abstimmung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen sowie die Vermeidung von Doppelspurigkeiten sind Grundvoraussetzungen für eine schnelle und erfolgreiche Projektrealisierung.

Konzeption

Ausgehend von neun Wirkungszielen wird die Entwicklung der sechs Vertiefungsräume konkretisiert. Die Wirkungsziele sind durch 40 konkrete Forderungen festgehalten. Sie sind in die drei Schwerpunkte Verkehr, Städtebau sowie Stadtökologie und Stadtklima unterteilt und definieren somit die funktionalen und stadträumlichen Qualitäten des zukünftigen Stadtraums Bahnhof SBB. Der Schlussbericht soll das mögliche Entwicklungspotential ausloten und massgebende Qualitätsziele für die kantonale Richtplanung definieren. 

Kritik und Forderungen zur Nachbesserung

Die Handelskammer begrüsst die Auslotung des möglichen Verdichtungspotentials im Perimeter Bahnhof SBB. Der Bahnhof SBB ist ein wichtiges Einfahrtstor zur Stadt Basel. Arbeits- und Wohnraum in Bahnhofsnähe sind begehrt und verkehrstechnisch gut gelegen. Die Gestaltung des Betrachtungsperimeters Bahnhof SBB ist heute unübersichtlich. Auch die Anbindung an die Innerstadt ist nicht optimal. Daher gehend begrüsst die Handelskammer entsprechende Optimierungen. Neben diesen guten Ansätzen beinhaltet der vorliegende Bericht aber auch eine Vielzahl nicht praktikabler Visionen. Diese werden im Folgenden kurz erläutert und sind im beiliegenden Fragebogen zur Vernehmlassung detailliert aufgeführt.

Keine klare Hierarchie bei den Wirkungszielen

Das raumplanerische «Entwicklungskonzept Stadtraum Bahnhof SBB» basiert im Wesentlichen auf den im Vorfeld durch die Projektleitung und die Projektsteuerung definierten Wirkungszielen. Die Auswahl dieser zentralen Wirkungsziele wird leider nicht konkret erläutert. Die Umsetzung der genannten Wirkungsziele ist ambitioniert und konkurriert sich teilweise. Dies gilt beispielsweise für die Aussage «zentrale Lage zur Verdichtung nutzen» und «neue Grünräume sowie begrünte Strassen- und Platzräume schaffen». Ausgehend von den vielfältigen, teils auch divergierenden Zielbildern, müssen bei der konkreten Umsetzung auch Güterabwägungen stattfinden. Um diese zu vereinfachen, wäre eine hierarchische Sortierung der ausformulierten Wirkungsziele geeignet. Der Bahnhof SBB befindet sich in einem urbanen Umfeld und ist raumplanerisch als Siedlungsraum ausgeschieden. Als zentrale städtische Infrastruktur nimmt er eine wichtige Funktion als Mobilitätshub ein. Daher müssen die Bedürfnisse der Siedlungsentwicklung und der Verkehrserschliessung gegenüber dem Wirkungsziel «Naturwerte und Biotopverbund verbessern» klar priorisiert werden. Dies in Analogie mit der Situation ausserhalb der Bauzonen, wo die Bedürfnisse der Natur Vorrang geniessen. Dies bedeutet aber nicht, dass die Förderung der Naturwerte und des Biotopverbunds grundsätzlich ausgeschlossen wird. Synergien sollten unbestritten genutzt werden und wo immer möglich zur Optimierung der Naturwerte und des Biotopverbundes beitragen. Gleichzeitig gilt es, die Bedeutung des Naturschutzes als gleichwertiges Wirkungsziel zurückzustufen.

Unterführungen mit zweifelhaftem Kosten-Nutzenverhältnis

Die Planung der angedachten Personen- und Velounterführungen gilt es kritisch zu hinterfragen. Bisher ist unklar, ob die zukünftigen S-Bahnhaltestellen am Bahnhof Basel SBB als Tief- oder Hochbahnhof umgesetzt werden. Ausgehend von dieser Tatsache ist eine verbindliche und seriöse Festsetzung von Unterführungen zum jetzigen Zeitpunkt kaum möglich. Nach dem Agglomerationsprogramm Basel 4. Generation, welches sich gegenwärtig im behördlichen Konsultationsverfahren befindet, soll die Velounterführung unter dem Bahnhof SBB 50 Millionen Franken kosten. Diese Kosten stehen in keinem Verhältnis zum erbrachten Nutzen. Deshalb muss von diesem überteuerten Vorhaben abgesehen werden.

Erreichbarkeit des Bahnhof SBB wird verschlechtert

Die Bedeutung des multimodalen Verkehrs wird in Zukunft weiter zunehmen. Diesem Trend gilt es im langfristigen «Entwicklungskonzept Stadtraum Bahnhof SBB» Rechnung zu tragen. Demzufolge ist die angedachte Verschlechterung der Erreichbarkeit des motorisierten Individualverkehrs (MIV) dringend zu unterlassen. Neben dem Mobilitätshub Basel SBB ist auch der Autobahn A2 Anschluss Basel City, der zu grossen Teilen über die Nauenstrasse ans städtische Strassennetz angebunden wird, mitzuberücksichtigen. Die Nauenstrasse ist ein zentrales Bindeglied zwischen dem städtischen und dem nationalen Strassennetz. Eine Kapazitätsreduktion durch den Umbau der Nauenstrasse in eine «Stadtstrasse» beziehungsweise zu einem «städtischen Boulevard» führt zu Rückstaus auf dem Hochleistungsstrassennetz und einer Verkehrsverlagerung in die Quartierstrassen. Dies gilt es unbedingt zu verhindern. Die Handelskammer findet die Idee der MIV-Fahrtenreduktion über eine Kapazitätsbegrenzung der Strasseninfrastrukturen sehr befremdlich. Da es sich bei der Nauenstrasse um eine der wenigen leistungsfähigen, verkehrsorientierten Achsen im Kantonsgebiet und gleichzeitig um eine direkt zur Autobahn anschliessenden Strecke handelt, muss mit massivem Ausweichverkehr auf siedlungsorientierte Strassen gerechnet werden, wenn die Kapazität hier verknappt wird.

Auch bei der Analyse des potentiellen Terminal für Fernbusse im ehemaligen Postbahnhof (unterhalb Peter Merian-Haus) stellen sich der Handelskammer einige Fragen. Heute weist der kantonale Richtplan im untersuchten Perimeter des Bahnhof SBB zwei der vier potentiellen Standorte für einen Car-Terminal aus. Der im Entwicklungskonzept genannte Standort stand bisher nicht im Fokus. Warum nun ein weiterer Standort, ohne Berücksichtigung der im Richtplan festgehaltenen Lokalitäten, geprüft werden soll, bleibt unklar. Die Handelskammer würde es begrüssen, wenn die Car-Terminal Frage für den Perimeter Bahnhof SBB im «Entwicklungskonzept Stadtraum Basel SBB» abschliessend geklärt und entsprechend im kantonalen Richtplan festgehalten wird.

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1 Bahnhofbenutzer: Passagiere der Bahn respektive des ÖV, Kunden der Geschäfte im Bahnhof, Passanten, 

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