Region Basel im Visier

08.10.2019

Jürg Röthlisberger, Direktor des Bundesamts für Strassen im Gespräch über Entlastung, Wachstum und Digitalisierung der Mobilität.

Schon heute sind die Strassen in der Region Basel regelmässig überlastet. Mit welchen Projekten möchte das ASTRA dem entgegenwirken?

Für die Region Basel haben wir einige Projekte im Köcher. Um den Verkehrsfluss zu verbessern und die Verkehrssicherheit zu erhöhen, soll zwischen Pratteln und Rheinfelden der Pannenstreifen befahrbar gemacht werden. Mittelfristig werden wir die A2 zwischen Hagnau und Augst auf acht Fahrstreifen ausbauen. Etwas früher sollten wir den Rheintunnel realisieren können, mit dem wir den Engpass in Basel beseitigen werden. Daneben wird der Kanton Basel-Landschaft – in enger Abstimmung mit Basel-Stadt und dem Bund – den Zubringer Bachgraben-Allschwil vorantreiben. Und dann ist da noch die Idee des Westrings. Das ist jedoch ein Projekt, das erst längerfristig nach 2040 realisiert werden kann.

Was ist der aktuelle Stand dieser Projekte?

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts müssen wir für die Pannenstreifenumnutzung Augst-Rheinfelden nun eine Umweltverträglichkeitsprüfung erstellen. Zudem sind wir daran, die generellen Projekte für den Rheintunnel und den 8-Streifen-Ausbau Hagnau-Augst zu erarbeiten. Diese sollten bis 2020 vorliegen. Nachdem der Bundesrat sie genehmigt hat, werden wir die Ausführungsprojekte fertigstellen und auflegen. Der weitere Verlauf der Verfahren hängt dann von der Zahl der eingegangenen Einsprachen ab. Wir rechnen heute mit einem Baubeginn für beide Projekte um 2029. Beim Westring stehen wir noch ganz am Anfang der Arbeiten und hier geht es nun zunächst darum, zusammen mit den beiden Kantonen die Machbarkeit, die Zweckmässigkeit und die Kostenwirksamkeit abzuklären.

Aber es ist doch so: Strassenbauprojekte dauern eine Ewigkeit. Einsprachen und aufwendige Planungsverfahren bremsen aus. Gibt es keine Möglichkeit der Beschleunigung?

Die Verfahren sind definiert und politisch gewollt. Eine gewisse Mitsprache gehört zu unserer Demokratie und das ist auch richtig so. Aber natürlich: Auch wir würden lieber schneller mit dem Bauen beginnen können.

Was sind für Sie die wichtigsten Handlungsfelder, wenn es um die Zukunft unserer Mobilität geht?

Wir gehen davon aus, dass der motorisierte Individualverkehr bis 2040 um über 18 Prozent zunehmen wird. Der öffentliche Verkehr (+ 51 Prozent) und der Langsamverkehr (+ 32 Prozent) werden ebenfalls wachsen. Um dieses Wachstum zu bewältigen, muss einerseits die bestehende Verkehrsinfrastruktur effizienter genutzt
werden. Hier stehen beispielsweise die Nutzung des Pannenstreifens als zusätzlicher Fahrstreifen in Spitzenzeiten sowie verschiedene Verkehrsmanagement-Massnahmen im Vordergrund. Es braucht andererseits parallel dazu aber auch einen gezielten –nicht einen flächigen – Ausbau der Nationalstrasseninfrastrukturen. Das ist unumgänglich. Es ist die sicherste und effizienteste Lösung, denn die Autobahnen wirken – insbesondere in den Agglomerationen – als Entlastungsstrassen für das untergeordnete Strassennetz und sie sind die sichersten und effizientesten Strassen überhaupt. Das sehen auch der Bundesrat und die Kantone so und entsprechend sind die Ausbauprojekte im Strategischen Entwicklungsprogramm Strasse aufgeführt. Wir sind überzeugt, mit den vorgeschlagenen Massnahmen einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Mobilität in der Region Basel zu leisten.

Wie kommen wir in 20 Jahren zur Arbeit – immer noch in überfüllten Regionalzügen und täglichen Staus?

Sowohl Strasse wie auch Schiene sind heute zu den Spitzenzeiten ausgelastet, hätten aber noch Kapazitäten zu anderen Zeiten. Es braucht eine Entwicklung beim Verkehrsangebot, aber auch in der Wirtschaft, damit wir die Verkehrsspitzen brechen können. Flexiblere Arbeitszeiten und neue Arbeitsformen wie Homeoffice oder lokale Co-Working-Spaces werden unsere Arbeitswelt verändern. Zudem sehe ich aufgrund der Digitalisierung gewisse Chancen wie zum Beispiel beim Organisieren von Fahrgemeinschaften. Mit einem Mobility-Pricing könnten zudem die Anreize geschaffen werden, die Spitzenstunden entweder zu meiden oder sie effizienter zu nutzen.

Jürg Röthlisberger, Direktor ASTRA: «Für die Region Basel haben wir einige Projekte im Köcher.»

Autohersteller und Verkehrsplaner erhoffen sich viel von automatisierten Fahrzeugen. Eine aktuelle Studie der ETH kommt hingegen zum Ergebnis, dass durch das autonome Fahren kaum Kapazitäten freigespielt werden, im Gegenteil. Wie sehen Sie das?

Automatisierte Fahrzeuge werden heute vielerorts als Lösung der Verkehrsproblematik angesehen. Es sind jedoch noch viele Fragen offen. Um es mit einer Kurzformel zu sagen: Die positiven Potenziale sehen wir und die wollen wir erschliessen. Aber zu meinen, die Digitalisierung vermöge die Verkehrsprobleme alleine zu lösen, ist eine absolute Illusion. Sie kann und wird einen Beitrag leisten – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Hier bringt das Forschungsprojekt der ETH, welches das Bundesamt für Strassen finanziert hat, einige Erkenntnisse. Im Zentrum stehen Fragen wie: Wenn ein automatisiertes Fahrzeug mich ins Büro gefahren hat, wird es dann alleine nach Hause zurückkehren, um die Kinder abzuholen und in die Schule zu bringen? Fährt es dann wieder leer zurück, um die Grossmutter abzuholen, die einen Arzttermin hat? Solche Leerfahrten führen zu zusätzlichem Verkehr. Daneben müssen wir auch beachten, dass die Emotionen gerade im Strassenverkehr eine grosse Rolle spielen. Auf einem Motorrad oder in einem Cabrio an einem schönen Tag über eine Passstrasse zu fahren, wird auch in Zukunft gefragt sein. Und der Zweiradverkehr ist auch in Zukunft per se nur sehr bedingt «intelligent» beziehungsweise vernetzt und «automatisiert» zu haben.

Welchen Einfluss werden automatisierte Fahrzeuge auf den öffentlichen Verkehr, insbesondere die Schiene, haben?

Die Versuche mit automatisierten Fahrzeugen, bei denen wir hier in der Schweiz eine Pionierrolle einnehmen, finden fast ausschliesslich im Bereich des öffentlichen Verkehrs statt. Viele davon sind von  Transportunternehmen wie Postauto, SBB oder lokalen Verkehrsbetrieben zum Beispiel in Genf, Bern oder Schaff hausen initiiert. Das zeigt, dass vor allem im lokalen Busverkehr ein Potenzial besteht. Bis auch der öffentliche Verkehr auf der Strasse grossräumig automatisiert unterwegs ist, wird aber noch einige Zeit vergehen. Auf der Schiene könnte dies früher kommen, verkehren in Paris U-Bahnen doch schon seit Jahren führerlos.

 

Das Interview ist erstmals in unserer aktuellen twice - Ausgabe erschienen. 

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