Damit wir nicht im Dunkeln sitzen
Im Winter brauchen wir mehr Strom. Doch dass wir jederzeit heizen, kochen oder waschen können, ist nicht selbstverständlich. Wie wir in Zukunft genügend Strom haben und warum dabei das Stromabkommen mit der EU zentral ist, weiss Cédric Christmann, CEO der Genossenschaft Primeo Energie.
Der Beitrag ist erstmals in der Kleinbasler Zeitung 11/2025 erschienen.
Warum brauchen wir immer mehr Strom?
Strom ersetzt zunehmend bestehende Energiequellen – etwa bei Elektroautos oder modernen Wärmepumpen, die alte Öl- und Gasheizungen ablösen. Gleichzeitig verbrauchen digitale Dienste wie künstliche Intelligenz immer mehr Energie. Parallel dazu plant die Schweiz, ihre Kernkraftwerke schrittweise abzuschalten. Den wegfallenden Strom müssen wir durch neue Energiequellen und innovative Technologien ersetzen.
Was tun, damit uns nicht das Licht ausgeht?
Wir müssen in der Schweiz mehr Strom produzieren, mit Wasser, Sonne und Wind. Und bestehende Kernkraftwerke weiterlaufen lassen, solange sie sicher und wirtschaftlich sind. Damit können wir aber unseren Verbrauch nicht immer abdecken. Deshalb brauchen wir unbedingt ein Stromabkommen mit der EU, damit Strom fliesst, wenn wir ihn benötigen. Und wir müssen unsere Energie effizienter nutzen und neue Technologien fördern. Engpässe und Preisschwankungen lassen sich nur vermeiden, wenn wir gleichzeitig die eigene Stromproduktion ausbauen und uns international besser vernetzen. Als Überganslösung brauchen wir voraussichtlich auch Reservekraftwerke.
Wie geht der Ausbau der Erneuerbaren schneller voran?
Das oberste Ziel ist eine sichere Versorgung mit Strom. Das Parlament hat im September 2025 den Beschleunigungserlass verabschiedet. Er soll den Bau grosser Anlagen für erneuerbare Energien vorantreiben. Bewilligungsverfahren straffen und den Netzausbau erleichtern. Damit niemand ohne Strom dasteht, müssen alle Kompromisse machen: Grosskraftwerke funktionieren nur mit Rückhalt von den Menschen vor Ort. Wir setzen deshalb auf offene Gespräche und erklären transparent, wie solche Projekte ablaufen. Eine CO2-freie Energiezukunft ist kein Sprint, sondern ein Marathon, und ein Gemeinschaftsprojekt.
Was bringt das Stromabkommen mit der EU?
Allen Strom zu jeder Zeit in der Schweiz herzustellen, kurz eine eigenständige Stromversorgung, wäre zu teuer. Es ist günstiger, einen Teil des Stroms zu importieren. Die Schweiz ist mit 41 Leitungen an das europäische Stromnetz angeschlossen. Das Stromabkommen mit der EU ist deshalb eine Notwendigkeit. Es sorgt dafür, dass wir einfacher und günstiger Strom mit anderen Ländern handeln und die Regeln des europäischen Strommarkts mitbestimmen können. So haben wir einerseits Zugang zu mehr Strom, andererseits hilft uns das Abkommen, das Schweizer Stromnetz stabil zu halten und starke Preisschwankungen zu verhindern.
Ohne Stromabkommen: Würden wir das im Alltag spüren?
Ohne Abkommen geht uns zwar nicht sofort das Licht aus, aber Strom wird teurer und unberechenbarer. Schweizer Stromfirmen könnten sich schlechter mit Europa abstimmen und müssten mehr bezahlen, um genug Strom zu bekommen. Aufwand und Ausgaben steigen, um das Netz stabil zu halten, denn in jeder Sekunde muss exakt so viel Strom ins Netz fliessen, wie die Menschen gerade brauchen. Am Ende zahlen Bevölkerung und Firmen die Rechnung – mit höheren Strompreisen.
(Bild: Handelskammer beider Basel / Pascal Feig)