Stellungnahmen zu den Landratssitzungen vom 2. Dezember 2021

26.11.2021

Die Handelskammer beider Basel nimmt zu diversen Traktanden der Landratssitzung vom 2. Dezember 2021 Stellung.

Traktandum 9: Anpassungen des Raumplanungs- und Baugesetzes an die Teilrevision vom 15. Juni 2012 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (1. Lesung) 2020/598; Vorlage

Mit der vorliegenden Anpassung des kantonalen Raumplanungsgesetzes sollen die neuen Anforderungen des Bundesrechts (Teilrevision des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 1. Mai 2014) umgesetzt werden. Die Vorlage enthält Bestimmungen zur Mindestnutzung, zu Hochhäusern und zur Erweiterung von Arbeitszonen über das Siedlungsgebiet hinaus sowie Massnahmen zur Baulandverflüssigung. Die Handelskammer befürwortet im Grundsatz die Anpassungen am kantonalen Raumplanungs- und Baugesetz, so wie sie die Bau- und Planungskommission dem Landrat vorlegt. Insbesondere begrüssen wir, dass die bisweilen radikalen Bestimmungen zur Baulandverflüssigung inklusive der Möglichkeit zur Enteignung der Grundstückeigentümerschaft entschärft wurden. Wir bedauern jedoch, dass Artikel 52d bezüglich der Erweiterung von Arbeitszonen über Siedlungsgebiet hinaus nicht liberaler ausgestaltet wurde. Der Artikel trägt nicht genug dazu bei, die Gestaltungsmöglichkeiten von Unternehmen in Gewerbe- und Industriezonen zu erhöhen. Durch die hohen Hürden für eine Erweiterung über das Siedlungsgebiet hinaus wurde die Chance verpasst, eine dynamischere Entwicklung auf den Wirtschaftsflächen zu ermöglichen und den Platzbedürfnissen der Unternehmen angemessen entgegenzukommen. Gemäss Artikel 52c Abs. 3 erlässt der Regierungsrat in der Verordnung Regelungen zur Bestimmung des Schattenwurfs bei Hochhäusern. Die Handelskammer fordert den Regierungsrat auf, diese Bestimmungen möglichst liberal auszugestalten und insbesondere auf Wirtschaftsflächen eine Flexibilisierung des «Zweistundenschattens» zu prüfen. So kann das Potenzial von hohen Bauten für das raumplanerische Ziel der Verdichtung besser ausgeschöpft werden. Da die Vorlage grundsätzlich die richtige Stossrichtung verfolgt und wichtige Anforderungen des Bundesrechts umsetzt, empfiehlt die Handelskammer, dem unveränderten Landratsbeschluss zuzustimmen.

Wir bitten Sie, dem unveränderten Landratsbeschluss zuzustimmen.

Traktandum 23: Baselbieter Strassenfinanzierung überprüfen und die massgeblichen Faktoren kostenwahr und zeitgemäss einrechnen; Werner Hotz; 2021/48

Das Postulat verlangt neben den direkten Kosten, welche durch den Strassenverkehr entstehen (z.B. Strassenbau und -unterhalt oder Verkehrspolizei), auch indirekte Kosten in der Strassenrechnung zu berücksichtigen. Explizit genannt werden hierbei, unter anderem, Umwelteingriffe und -folgen sowie Auswirkungen von Verkehrslärm für Betroffene. Die hier angesprochenen Kosten sind als sogenannte «externe Kosten» bekannt. Die Berechnung von externen Kosten durch den Strassenverkehr ist Gegenstand umfangreicher Forschung. Dabei muss festgehalten werden, dass es bislang keinen «Gold-Standard» zur Berechnung der externen Kosten gibt. Die Ansätze unterscheiden sich teils erheblich in ihren Annahmen und somit auch in den kostenseitigen Auswirkungen. Eine zuverlässige Bezifferung der externen Kosten – «kostenwahr und zeitgemäss» wie dies das Postulat fordert – ist daher gegenwärtig kaum möglich. Sollten externe Kosten zukünftig bei der Strassenfinanzierung berücksichtigt werden, müsste dies zudem konsequenterweise auf alle Verkehrsträger ausgeweitet werden. Mobilität würde somit insgesamt – je nach gewähltem Berechnungsansatz deutlich – teurer für alle.

Wir bitten Sie, das Postulat nicht zu überweisen.

Traktandum 24: Pendlerabzug nur noch für nachhaltige Mobilität; Laura Grazioli; 2021/205

Die Motion fordert, den Steuerabzug für Fahrkosten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte künftig nur noch für nachhaltige Mobilität zu ermöglichen. Hierbei lässt der Vorstoss offen, was unter einer nachhaltigen Mobilität zu verstehen ist. Wie der Regierungsrat in seiner Stellungnahme festhält, verletzt die Motion nicht nur das Steuerharmonisierungsgesetz des Bundes, sondern auch grundsätzliche Steuerprinzipien wie die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Schon deshalb ist die Motion abzulehnen. Auch inhaltlich überzeugt die Motion jedoch nicht. Deren Umsetzung würde einerseits dazu führen, dass die kantonale Steuerverwaltung eine aufwändige Einzelfallprüfung vorzunehmen hätte. Hinzu käme andererseits, dass für den bei der Bundessteuer und bei der Kantonssteuer vorgesehenen Abzug die anzuwendenden Kriterien auseinanderfallen würden. Für die Steuerpflichtigen würde dies zu einer komplizierteren und weniger verständlichen Steuererklärung führen. Dies widerspricht dem klaren Auftrag von Artikel 133a der Kantonsverfassung, das Steuergesetz leicht verständlich und nachvollziehbar auszugestalten. Aus all diesen Gründen sollte die Motion abgelehnt werden.

Wir bitten Sie, die Motion nicht zu überweisen.

Traktandum 35: Tempo 30 auf kantonalen Hauptstrassen (innerorts); Karl-Heinz Zeller; 2021/45

Gemäss Postulat soll die Einführung von Tempo 30 auf den Hauptstrassen geprüft werden. Dadurch erhofft man sich eine Eindämmung des absichtlich produzierten Motorenlärms durch modifizierte Auspuffsysteme. Die Handelskammer lehnt die Einführung von Tempo 30 auf Hauptstrassen prinzipiell ab. Die dadurch aufgehobene Strassennetzhierarchie führt zwangsläufig zu Ausweichverkehr und verursacht neue Lärmhotspots in den empfindlichen Wohnquartieren. Zudem gehen wir nicht davon aus, dass durch diese Massnahmen absichtlich produzierter Motorenlärm reduziert werden kann. Dieser ist gemäss Art. 53 und Art. 33 der nationalen Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge beziehungsweise der Verkehrsregelnverordnung ohnehin bereits heute schon verboten. Zusammengefasst muss die angedachte Temporeduktion für den genannten Zweck als äusserst ungeeignet eingestuft werden. Sie wird bereits heute existierende Regelverstösse nicht verhindern und ist in erster Linie eine Schikane für die sich korrekt verhaltenden Verkehrsteilnehmer.

Wir bitten Sie, das Postulat nicht zu überweisen.

Traktandum 44: Masterplan Angenstein; Jan Kirchmayr: 2021/219

Das Postulat fordert den Regierungsrat auf, einen Masterplan für die Verkehrsprobleme im Raum Angenstein zu erstellen und dabei aufzuzeigen, wie die verschiedenen Infrastrukturprojekte miteinander koordiniert werden können. Die Handelskammer unterstützt das Vorhaben, die Verkehrssituation im Bereich Angenstein zu verbessern. In der Tat ist die Verkehrssicherheit an dieser Stelle nicht ausreichend gewährleistet, was zwischen 2016 und 2020 zu insgesamt 24 Autounfällen führte. In der Klus zwischen Aesch und Duggingen kommt es zudem zu häufigen Staus. Das wachsende Verkehrsaufkommen von täglich 22'000 Fahrzeugen kann nicht mehr ohne Komplikationen auf der bestehenden Infrastruktur abgewickelt werden. Der Engpass Angenstein ist indes Teil einer grösseren infrastrukturellen Problemzone – der N18, also der Verbindungsstrasse zwischen Basel und dem Kanton Jura. Auf dieser Nationalstrasse war im Jahr 2020 die zweitgrösste Staudichte der ganzen Schweiz zu vermelden. Die schlechte Verkehrsanbindung auf dieser Strecke hindert die wirtschaftliche Zusammenarbeit und die gesellschaftliche Integration innerhalb der Nordwestschweiz. Die Erreichbarkeit der Region leidet dadurch zudem bereits merklich. Deshalb engagiert sich die Handelskammer für eine bessere Verkehrsanbindung mit dem Komitee N18 Basel – Jura, welches seine Forderungen den Medien am 10. November 2021 präsentierte. Dank der Übernahme der Strasseninfrastruktur durch das ASTRA im Jahr 2020 besteht die Möglichkeit zur ganzheitlichen Weiterentwicklung dieser Achse. Wenn nun also ein Masterplan Angenstein erstellt wird, sollen die weiteren Problemzonen auf der N18 – namentlich die Ortsdurchfahrt Laufen und Zwingen sowie die Durchfahrt Delémont – miteinbezogen werden. Unter diesem Vorbehalt unterstützt die Handelskammer das Postulat Masterplan Angenstein.

Wir bitten Sie, der Regierung zu folgen und das Postulat zu überweisen.

Traktandum 45: Zukunft Bachgraben; Bálint Csontos; 2021/98

Das Bachgrabenareal entwickelt sich bereits hervorragend und wird dies aufgrund seines enormen Potenzials für zusätzlich rund 6'000 Arbeitsplätze auch weiterhin tun. Bedauerlicherweise ist das Areal sowohl mit dem öffentlichen Verkehr, als auch dem Individualverkehr (motorisiert und unmotorisiert) unzureichend erschlossen. Dies wirkt entwicklungshemmend. Betreffend Zubringer Bachgraben liegen zwei aktuelle Volksentscheide vor, die seine Realisierung verlangen bzw. stützen. Dies sind die Initiative «Für eine Umfahrungsstrasse Allschwil» (Ja-Anteil: 61.9 Prozent) sowie die Initiative «zum Ausbau des Hochleistungsstrassennetzes» (Ja-Anteil: 60.0 Prozent). Dass das Bachgrabenareal als Arbeitsgebiet von kantonaler Bedeutung strassenseitig erstklassig erschlossen sein muss, sollte daher unbestritten sein. 

Wir bitten Sie, der Regierung zu folgen und das Postulat nicht zu überweisen.

Traktandum 50: Wasserstoffproduktion in Baselland; Rolf Blatter; 2021/101

Die Dekarbonisierung des Energieeinsatzes ist eine der grössten Herausforderungen der kommenden Jahre und Jahrzehnte. Vor allem vor dem Hintergrund der Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit, müssen konkrete Projekte forciert werden, die zukunftsträchtige Lösungen versprechen. Zum Beispiel plante die IWB in diesem Zusammenhang den Bau einer Produktionsanlage von CO2-neutralem Wasserstoff beim Kraftwerk Birsfelden. Dass der für den Bau der Anlage vorgesehene Ort als nicht zonenrechtskonform angesehen wird, verdeutlicht die Notwendigkeit raumplanerisch Klarheit zu schaffen.

Wir bitten Sie, der Regierung zu folgen und das Postulat zu überweisen.

Traktandum 53: Verkehrsflächen steuern; Balint Csontos; 2021/213

Der Wirtschafts- und Lebensraum Basel ist auf eine hervorragende Erreichbarkeit innerhalb und von aussen angewiesen. Durch das Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum werden auch die Mobilitätsbedürfnisse über die kommenden Jahre und Jahrzehnte zunehmen. Dabei spielen alle Verkehrsträger mit ihren jeweiligen Stärken eine bedeutende Rolle. Die Motion würde den Handlungsspielraum - die Herausforderungen durch steigende Mobilitätsbedürfnisse zu lösen - unnötig einschränken und Abhängigkeiten schaffen, ohne einen wirklichen Mehrwert für eine nachhaltige Mobilität zu erbringen. Denn wie bereits der Regierungsrat in seiner Stellungnahme festhält, ist ein Ausbau der Verkehrsinfrastruktur bei Verkehrszunahme schon heute aus ökonomischen Gründen nicht die erste Massnahme, die getroffen wird.

Wir bitten Sie, der Regierung zu folgen und die Motion nicht zu überweisen.

Traktandum 55: Basel-Landschaft und Basel-Stadt als Pilotgebiete des Bundes für Mobility Pricing; Thomas Noack; 2021/78

Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) wurde damit beauftragt, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, um Pilotprojekte im Bereich Mobility Pricing zu ermöglichen. Denn beim motorisierten Individualverkehr sind solche nach geltender Rechtslage nicht möglich. Die Ziele der gesetzlichen Grundlage bzw. der Pilotprojekte sind indes klar festgelegt. Es geht darum Projekte zu lancieren, um wirksame Massnahmen für das Brechen der Spitzen im Bereich des öffentlichen (ÖV) und motorisierten Individualverkehrs (MIV) zu identifizieren. Der Ansatz besteht ausserdem nicht darin Tarife für Mobility Pricing auf die bestehenden Kosten zur Nutzung des öffentlichen Verkehrs oder des Autos aufzuschlagen, sondern diese anstelle der heutigen Kosten zu veranschlagen (Fiskalneutralität). Ein weiteres Ziel besteht auch in der nachhaltigen Finanzierung der Verkehrsinfrastrukturen. Da beide Verkehrsträger (ÖV und MIV) Zeiten mit Spitzenauslastung aufweisen, ist die Verlagerung der Verkehre in andere Zeitfenster das primäre Ziel. Der Bundesrat hat daher in einer aktuellen Medienmitteilung vom 24. November 2021 deutlich gemacht, dass auch der öffentliche Verkehr bei den Pilotprojekten berücksichtigt werden muss. Bislang wurden ausschliesslich Projekte für den MIV eingereicht. Für eine Verlagerung von der Strasse auf die Schiene ist der Ansatz des Mobility Pricings hingegen ungeeignet. Der öffentliche Verkehr ist daher dringend in Überlegungen für Pilotprojekte einzubeziehen; ein reines Road Pricing ist hingegen inakzeptabel. Die Ziele des Postulats sind insgesamt mit der durch das ASTRA zu schaffenden gesetzlichen Grundlage für Pilotprojekte sowie den bundesrätlichen Zielen unvereinbar.

Wir bitten Sie, das Postulat nicht zu überweisen.

Traktandum 70: Klimawandel im kantonalen Richtplan; Jan Kirchmayr; 2021/79

Die Handelskammer begrüsst es grundsätzlich den Klimaschutz bei der Raumentwicklung zu berücksichtigen. Das im Postulat vorgeschlagene Vorgehen – insbesondere die erste Forderung nach einem Objektblatt Klimaschutz – weisst aus unserer Sicht jedoch noch Mängel auf. Die Objektblätter im aktuellen Richtplan befassen sich mit relativ konkreten Themen, wie einzelnen Gebietsplanungen oder der Ver- und Entsorgung. Der Klimaschutz ist hierbei als Metathema zu betrachten. Ihm ein eigenes Objektblatt zu widmen, wäre mit der Idee des kantonalen Richtplans als ein griffiges, behördenverbindliches Instrument der Raumplanung nicht konsistent. Zielführender ist aus unserer Sicht die zweite Forderung des Postulats, nämlich die bestehenden Objektblätter des kantonalen Richtplans bezüglich der raumrelevanten Folgen des Klimawandels zu überarbeiten. Mit dem Vorbehalt, dass auf die Forderung nach einem eigenen Objektblatt Klimaschutz verzichtet wird, unterstützen wir das Postulat.

Wir bitten Sie, das Postulat zu überweisen.

 

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