Konzeptbericht Mobility Pricing
Die Handelskammer beider Basel begrüsst das Vorhaben des Bundes, mittels Mobility Pricing die Probleme im Verkehr auf Schweizer Strassen und Schienen zu reduzieren. Damit bietet sich die einmalige Chance, die komplizierten Verhältnisse in der Schweizer Verkehrsfinanzierung zu vereinfachen. Ziel muss deshalb sein, dass Mobility Pricing die bestehenden Finanzierungsmechanismen ablöst und nicht nur die Tagesspitzen im Verkehr bricht.
Verursachergerechte Finanzierung einführen anstatt Spitzen brechen
Die Handelskammer beider Basel unterstützt das Vorhaben des Bundes, auf Strasse und Schiene Mobility Pricing einzuführen. Die Zielsetzung des Konzeptberichts, mit Mobility Pricing die Verkehrsspitzen zu brechen, greift jedoch zu kurz. Bei der konsequenten Anwendung von Mobility Pricing soll nicht nur die Kapazität bepreist werden („Spitzen brechen“). Vielmehr muss mit der Einführung von Mobility Pricing die Chance genutzt werden, einen grundsätzlichen Umbau der Verkehrsfinanzierung in der Schweiz vorzunehmen. Die Verursachergerechtigkeit, also das Prinzip „pay as you use“, muss dabei das oberste Gebot zur Finanzierung der Verkehrsinfrastrukturen sowie zur Steuerung der Kapazität sein. Sollten bei der Finanzierung Lücken entstehen, so können diese in einem zweiten, politischen Schritt gedeckt werden.
Darin besteht die Attraktivität von Mobility Pricing: Es ermöglicht einerseits eine verursachergerechte Finanzierung und lässt andererseits auf dem politischen Weg jederzeit Anpassungen bei der Ausgestaltung zu.
Neues Finanzierungssystem nötig, Bund muss Varianten aufzeigen
Mobility Pricing hat die Vorteile, grösstmögliche Transparenz herzustellen und gleichzeitig eine politisch beabsichtigte Steuerung bei der Bepreisung zuzulassen. Die bestehenden Finanzierungsmechanismen in der schweizerischen Verkehrspolitik sind derzeit kompliziert und intransparent. Weiter laufen die heutigen Fondslösungen mittelfristig aus, weshalb ein Wechsel des Finanzierungssystems nicht optional, sondern zwingend ist. Auch wenn Mobility Pricing aus der Sicht der Handelskammer eine geeignete Lösung darstellt, so ist es doch die Aufgabe des Bundes, nebst Mobility Pricing weitere Finanzierungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Spitzen brechen, keine neuen Abgaben einführen
Das Vorhaben, die Spitzen zu brechen, bedeutet, dass höhere Einnahmen generiert werden, da die Preise zu Spitzenzeiten erhöht werden. Analog müssen die Preise in den restlichen Tageszeiten so reduziert werden, dass insgesamt keine zusätzlichen Abgaben anfallen, die Einführung also fiskalquotenneutral passiert.
Gleichbehandlung von Personen- und Güterverkehr
Die Gleichbehandlung von Personen- und Güterverkehr auf Schiene und Strasse wird im Konzeptbericht nicht explizit verankert. Aus Sicht der Handelskammer ist dies unbedingt anzupassen.
Zum Fragekatalog
1. Wie beurteilen Sie die Zielsetzung der „verkehrsträgerübergreifenden Brechung von Verkehrsspitzen und der besseren und gleichmässigeren Auslastung der Infrastrukturen“ für Mobility Pricing?
Mobility Pricing ist das geeignete Instrument für die Glättung der Verkehrsspitzen. Jedoch sind die Brechung von Verkehrsspitzen und gleichmässigere Auslastung der Infrastrukturen politische Instrumente und nur ein Teilaspekt von Mobility Pricing. Mobility Pricing ist in erster Linie als gesamtheitliches Finanzierungssystem zu betrachten.
2. Wie beurteilen Sie die sieben Grundprinzipien hinsichtlich Relevanz und Vollständigkeit für Mobility Pricing?
Pay as you use: Die Handelskammer unterstützt das Grundprinzip, dass wer mehr Mobilität konsumiert auch mehr bezahlen soll. Dabei muss sich die Preisgestaltung an den Kosten orientieren, die durch die Benutzung der entsprechenden Infrastrukturen entstehen.
Kompensation: Wird Mobility Pricing konsequent angewendet, stellt sich die Frage nach Kompensation nicht, denn die momentan bestehenden Abgaben entfallen damit.
Verteilungswirkung/Sozialpolitische Folgen: Die Einführung von Mobility Pricing hat zur Folge, dass Vielfahrer künftig mehr bezahlen müssen. Dies wird grundsätzlich begrüsst. Jedoch muss die Einführung des Systems so sanft erfolgen, dass Arbeitgebern und Arbeitnehmern genügend Zeit bleibt, sich auf das neue System einzustellen. Mobilität muss auch künftig für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und sozial Schwache erschwinglich bleiben.
Intermodalität: Mobility Pricing muss für alle Verkehrsträger eingeführt und die Preisgestaltung abgestimmt werden. Dabei ist zwingend auch der Güterverkehr auf der Schiene in das Konzept zu integrieren.
Modularer Aufbau: Mobility Pricing muss flächendeckend und verkehrsträgerübergreifend eingeführt werden. Angesichts der Komplexität des Vorhabens macht eine etappierte Einführung Sinn, solange die Ablösung der bisherigen Finanzierungsmodalitäten im Personen- und Güterverkehr auf Schiene und Strasse realisiert wird. Das Vorhaben, dass Kantone und Gemeinden ihre Verkehrsabgaben und -steuern ebenfalls via Mobility Pricing erheben können, begrüsst die Handelskammer.
Datenschutz: Dass der Datenschutz ein integrales Prinzip in Planung, Umsetzung und Betrieb sein muss, wird von der Handelskammer unterstützt, ebenso wie die Verankerung in einer gesetzlichen Grundlage.
Transparenz: Die vorgesehene Transparenz bezüglich Finanzierung, Funktionsweise, Zielerreichung, Preisbildung, Verwendung der eingenommenen Gelder und Enforcement begrüsst die Handelskammer. Transparenz ist eine Grundvoraussetzung für die Einführung von Mobility Pricing.
3. Wie beurteilen Sie die Vollständigkeit der morphologischen Kasten für a. die Strasse und b. für die Schiene? 4. Wie beurteilen Sie den Entwicklungspfad (von einfach zu komplex) der Modellvarianten für a. die Strasse b. die Schiene? 5. Wie beurteilen Sie die Modellvarianten für a. die Strasse und b. die Schiene? 6. Welche Modellvariante beurteilen Sie als die zielführendste für a. die Strasse b. die Schiene? 7. Wo sehen Sie Stärken/Schwächen der für Sie zielführendsten Modellvariante für Ihr Umfeld? |
Wird Mobility Pricing konsequent eingeführt, so fallen die Finanzierungsinstrumente der morphologischen Kasten weg. Deswegen stellen sich die Fragen drei bis sieben nicht.
8. Wo sehen Sie Herausforderungen/Risiken für eine mögliche Einführung von Mobility Pricing? Worauf muss besonders geachtet werden?
-
Das System Mobility Pricing darf die Erschwinglichkeit der Mobilität und damit die Standortattraktivität des Wirtschaftsstandortes Schweiz nicht gefährden. Insbesondere dürfen Unternehmen nicht vor Kostenblöcke gestellt werden, die sie nicht bewältigen können.
-
Als Vertreterin einer trinationalen Grenzregion legt die Handelskammer Wert darauf, dass das System Mobility Pricing interoperabil gestaltet wird. Die Kompatibilität mit allfälligen anderen Systemen im Personen- wie im Güterverkehr in Europa muss gewährleistet sein.
-
Die Mittelverwendung muss im Mobility-Pricing-System transparent und nachvollziehbar sein. Die Einnahmen müssen zweckgebunden für die nachhaltige Verkehrsinfrastrukturfinanzierung verwendet werden.
-
Mit der Einführung von Mobility Pricing müssen systemfremde Anreite wie z. B. Pendlerabzüge wegfallen.
9. Wie stehen Sie zur Idee von Mobility Pricing Pilotprojekten?
Räumlich begrenzte Pilotprojekte können die Einführung von Mobility Pricing vereinfachen. Trotzdem schlägt die Handelskammer die gesamtschweizerische Einführung vor. Die technische Machbarkeit bezweifelt sie nicht.
10. Der Konzeptbericht sieht vor, dass im Gegenzug zur Einführung einer fahrleistungsabhängigen Abgabe bestehende Abgaben (schrittweise) ersetzt werden (Kompensation). Denkbar wäre auch, zusätzlich zu den bestehenden Abgaben eine fahrleistungsabhängige Abgabe einzuführen und deren Einnahmen im Sinne einer Lenkungsabgabe (pauschale Rückerstattung z.B. via eine Vergünstigung bei den Krankenkassenprämien) zurückzuerstatten. Wie stehen Sie zu dieser Idee?
Die Einführung von Mobility Pricing auf bestehenden Instrumenten aufzubauen, erachtet die Handelskammer als den falschen Ansatz. Deshalb unterstützt sie diese Idee nicht. Das Instrument Lenkungsabgabe lehnt die Handelskammer jedoch nicht grundsätzlich ab.
11. Weitere Bemerkungen?
Keine.