Digitalisierung: «Die Faktoren Führung und Mensch spielen eine zentrale Rolle»
In einer Studie mit über 2’500 Teilnehmenden hat die FHNW den Stand der Digitalen Transformation in der Schweiz ermittelt. Ein Gespräch mit Studienautor Prof. Dr. Marc K. Peter.
In einer Studie mit über 2’500 Teilnehmenden hat die FHNW den Stand der Digitalen Transformation in der Schweiz ermittelt. Ein Gespräch mit Studienautor Prof. Dr. Marc K. Peter.
Herr Professor Peter, Sie haben im Rahmen Ihrer Studie 2590 Personen befragt und eine Vielzahl von Daten erhoben. Welches Ergebnis hat Sie am meisten überrascht?
Prof. Peter: Mich überrascht die hohe Zahl der Schweizer Unternehmen, bei welchen sich die Geschäftsmodelle und Prozesse aufgrund der Digitalen Transformation bereits verändert haben. So sehen 85% der KMU bereits grosse Veränderungen. Überrascht hat mich auch die hohe Zahl von 70% der KMU, die einen Einfluss in der Unternehmenskultur festgestellt haben. Es sind also nicht nur Ertragstreiber und Prozesse, sondern auch die Faktoren Führung und Mensch, die eine zentrale Rolle spielen.
Obwohl die digitale Transformation laut der Studie in 73 Prozent der KMU relevant ist, sind nur 30 Prozent mit ihren bisherigen Bemühungen in diesem Bereich zufrieden. Woran hakt es denn?
Die Studie zeigt, dass der notwendige Zeitaufwand für Transformationsprojekte bei knapp der Hälfte aller KMU eine grosse Barriere darstellt, gefolgt vom fehlenden Wissen auf der Führungsebene, wie solche Projekte angegangen werden können. Ich gehe davon aus, dass die Unternehmen also zu wenig Zeit und Energie zur Veränderung eingeplant haben. Um Wissen aufzufrischen oder neu zu erwerben, können Konferenzen und Weiterbildungen besucht werden.
Wir sprechen im Zusammenhang mit der Digitalen Transformation auch von der vierten industriellen Revolution. Lässt sie sich ohne weiteres mit den ersten drei in eine Reihe stellen - oder sehen sie fundamentale Unterschiede?
Wir sehen durchaus neue Treiber für die vierte industrielle Revolution. Speziell der cyberphysische Raum stellt eine neue Dimension dar. Dieser Raum wird von digitalen Netzwerken, der Vernetzung von Allem und unglaublich grossen Datenmengen charakterisiert. Wie immer in der Geschichte werden wir erst rückwirkend sehen, wie gross die Veränderungen waren. Die Studie zeigt übrigens, dass die Datensicherheit als grösstes Risiko der Digitalen Transformation gesehen wird, also noch vor dem Fachkräftemangel und möglichen Arbeitsplatzverlusten.
Nachdem Sie sich einen so umfassenden Überblick verschafft haben: Wie beurteilen Sie die Digitalisierungs-Lage in der Nordwestschweiz?
Die Unternehmen in der Nordwestschweiz schätzen die Relevanz der Digitalen Transformation geringer ein als dies zum Beispiel in der Grossregion Zürich oder im Espace Mittelland der Fall ist. Auch liegt unsere Region bei der Projektaktivität etwas zurück. Dies könnte jedoch mit der Branchenstruktur in der Nordwestschweiz zusammenhängen.
Beim Digitalisierungsgrad der einzelnen Branchen in der Schweiz fällt auf, dass ausgerechnet der Handel eher am Ende der Skala rangiert. Sehen Sie dafür einen bestimmten Grund?
Ich denke, dass der Handel weniger rasch reagiert und die Kräfte, die einen solchen Wandel vorantreiben, in dieser Branche trotz alternativen Plattformen wie eBay, Galaxus, Ricardo und Siroop noch zu wenig Druck spüren. Auch spielt hier sicher das Schweizer Duopol im Detailhandel eine wichtige Rolle. Vielleicht würde hier eine gemeinsame Plattform für die diversen Marktteilnehmer den Wandel unterstützen.
Eine Erkenntnis aus der Studie: In der obersten Führungsebene finden sich die wenigsten Personen, welche die Digitalisierung für relevant halten. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Ja, das ist uns auch aufgefallen. Und es ist zudem die oberste Führungsebene, die von sich sagt, dass die Firma innovativ ist, während dem die Mitarbeitenden diesbezüglich eher konservativer sind. Wir gehen davon aus, dass die oberste Führungsebene dem Thema eine zu geringe Gewichtung beisteuert und gleichzeitig unter Umständen etwas zu optimistisch ist.
Bei Ihrer Studie handelt es sich nicht nur um eine Bestandsaufnahme, Sie liefern auch konkrete Handlungsempfehlungen. Wie lauten die wichtigsten - oder worauf zielen sie in ihrem Kern ab?
Wir haben aufgrund von über 4200 Projekten in der Schweiz die sieben Handlungsfelder der Digitalen Transformation bestimmen können. Es handelt sich dabei um einen ganzheitlichen Ansatz, um ein Unternehmen wettbewerbsfähiger zu gestalten. Die sieben Handlungsfelder sind die konstante Kundenorientierung, neue digitale Geschäftsmodelle, moderne Führungsansätze, automatisierte Prozesse, digitale Marketingplattformen und –kanäle, der Einsatz neuer Technologien und der Cloud sowie intelligenten, sprich aussagekräftigen, Daten.
Zur PersonProf. Dr. Marc K. Peter ist Initiant und Projektleiter der grossen Schweizer Studie zur Digitalen Transformation. Er arbeitet am Institute for Competitiveness and Communication an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Wirtschaft. Zuvor war er in leitenden Stellungen bei PostFinance, eBay International, E*TRADE und LexisNexis in Europa, Asien und im Pazifik tätig. Bei LexisNexis hat er zwei grosse Unternehmenstransformationen in Australien und in Grossbritannien durchgeführt.
Zur StudiePeter, Marc K. (Hrsg.) 2017: KMU-Transformation: Als KMU die Digitale Transformation erfolgreich umsetzen. Forschungsresultate und Praxisleitfaden. FHNW Hochschule für Wirtschaft, Olten. Die Publikation ist online abrufbar unter www.kmu-transformation.ch |
Das Interview erschien am 7. Februar 2018 auf www.are-you-digital.ch
Die Initiative «Are you digital?» bietet eine individuelle, direkte und unbürokratische Unterstützung für KMU in der digitalen Transformation. Die Handelskammer beider Basel ist bereit, in den nächsten Jahren bis zu 1 Mio. Franken pro Jahr in ihre Initiative «Are you digital?» zu investieren.