Bericht Stimmungsbarometer – Wirtschaft im Zeichen der Coronakrise
Es gibt nur ein Thema: Die Corona-Pandemie und ihr Impact auf das Leben. Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Gesellschaft, das Gesundheitssystem, das Bildungssystem, das Individuum – alle sind gefordert. Ein Stresstest der Systeme.
Die durch den Corona-Virus Covid-19 bedingten Einschränkungen des privaten, öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens sind allgemein bekannt. Die Wirtschaft ist arg gebeutelt. Das Spezielle an der Situation: Die Krise ist sowohl nachfrage- als auch angebotsseitig bedingt. Die Betroffenheit variiert nach Branche und Grösse der Unternehmen stark. Zu den unmittelbar und frontal betroffenen Branchen zählen die Gastronomie, Hotellerie, die Messe- und Eventbranche, die Betriebe mit direktem Kundenkontakt (Ausnahme der Versorger mit Lebensmitteln) sowie die Kreativwirtschaft. Dort ist Stillstand, mit allen Konsequenzen. Bei anderen Branchen hält sich der unmittelbare Schaden noch in Grenzen. Doch ungeachtet der Branche: Die Wirtschaft ist ein Räderwerk, ein Zusammenspiel verschiedenster Akteure. Hinter jeder akuten Betroffenheit stehen Zulieferer und Wertschöpfungsketten, die folglich mindestens mittelbar in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Situation betrifft alle.
Eine Rezession scheint nicht abwendbar zu sein. Es bleibt die Hoffnung, dass eine solche nur vorübergehender Natur sein wird und sich die Situation nach drei, vier Monaten wieder bessert, parallel zur Eindämmung der viralen Pandemie. Wie schnell und in welchem Ausmass eine «Aufholjagt» nach überstandener Krise (bereits im zweiten Halbjahr 2020?) zur wirtschaftlichen Erholung beitragen wird, hängt von der Stärke der «Nachholeffekte» ab. Der zur Pandemie-Zeit fehlende private Konsum sowie die akut zurückgestellten Investitionen dürften bei weitem nicht vollumfänglich kompensiert werden können.
Starker Staat
Unter Notrecht haben Bund und Kantone, die Exekutiven und ihre Verwaltungen, im Zusammenspiel mit privaten Organisationen – mitunter den Banken – auf beeindruckende Art und Weise und in kürzester Zeit Hilfspakete zur Unterstützung der Unternehmen in der Schweiz geschnürt. Ein Kraftakt, der seinesgleichen sucht. Dies zeigt, dass der Bund in der Lage ist, der Wirtschaft in solch ausserordentlichen Situationen substantiell zu helfen und zeugt von der starken Finanzkraft der Schweiz. Angesichts der Ungewissheit, wie lange die Krise dauert, wird mutmasslich entscheidend sein, wie sich die Unterstützungsprogramme und Hilfspakete weiterentwickeln lassen. Die Festsetzung eines maximalen Geldbetrags muss dabei eine untergeordnete Rolle spielen.
Die finanzielle Situation im Fokus der Unternehmen
Die unmittelbaren finanziellen Konsequenzen der Krise reichen bei den Unternehmen von akut existenzbedrohend bis zu noch nicht oder wenig spürbar. In jedem Fall steht die Sicherung der Liquidität an erster Stelle. Durch die Nutzung der angebotenen Hilfspakete kann die Liquidität und damit die mittelbare Existenz der Unternehmen sichergestellt werden. Nicht zu vergessen ist dabei, dass es sich grundsätzlich um Überbrückungskredite handelt, also um Schulden, die grundsätzlich irgendwann zurückzuzahlen sind, so gut die Konditionen auch sein mögen. Man darf gespannt sein, wie sich dieser Sachverhalt entwickelt.
Die zweite Überlegung der Unternehmen gilt möglichen Kostensenkungsmassnahmen. Zum einen werden die Betriebskosten wo immer möglich reduziert. Produktionsanlagen und Fertigungslinien werden heruntergefahren, der Leistungsoutput auf das Nötige reduziert. Zum anderen sind die Personalkosten so weit wie möglich zu reduzieren. Die Beantragung und Einführung der Kurzarbeit ist das Mittel der Wahl. Aber auch von den Mitarbeitenden verlangte Opfer und Verzichte bis hin zu Entlassungen sind Massnahmen, die ergriffen werden müssen oder mindestens als Szenarien entworfen werden.
Als weitere Massnahmen werden geplante Investitionen gestoppt oder zeitlich nach hinten verschoben und auf die Anstellung von neuem Personal verzichtet. In der Summe hat das weitreichende volkswirtschaftliche Konsequenzen.
Betrieblicher Alltag im Zeichen von Corona
In Unternehmen, die weiterhin ihrer Tätigkeit nachgehen können, hat sich bereits so etwas wie ein betrieblicher Alltag unter Corona eingespielt. Der Schutz der Mitarbeitenden steht an erster Stelle. Die Massnahmen zum Gesundheitsschutz sind weitestgehend getroffen und werden gelebt. Home Office ist weitverbreitet. Auf Meetings, Versammlungen und Geschäftsreisen wird verzichtet. Das gebotene Social Distancing wird respektiert und wo immer möglich eingehalten. «Business Continuity» lautet die Devise. Insbesondere Betreiber von systemkritischen Infrastrukturen wie beispielsweise die Energie- und Finanzbranche haben schon früh mit Massnahmen wie jene des Team-Splittings das Risiko eines virusbedingten Ausfalls ihres Betriebs minimiert.
Grosse Herausforderungen stellen sich den produzierenden Unternehmen, die in ihren Werken und Werkstätten die Mitarbeitenden vor Ort beschäftigen müssen. Noch schwieriger gestaltet sich die Situation auf Baustellen. Für das Bauhaupt- und das Baunebengewerbe ist es überlebenswichtig, dass die Baustellen weiter betrieben werden können. Eine behördliche Schliessung der Baustellen hätte für die gesamte Baubranche fatale Folgen und würde nicht nur die Arbeitgeber treffen, sondern auch die Arbeitnehmer. Für viele Arbeiterinnen und Arbeiter, nicht nur der Baubranche, gilt: Im Rahmen einer beantragten Kurzarbeit werden nur 80 Prozent des Lohnes vergütet. Die 20 Prozent Einbusse kann sich manch Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer nicht leisten. Deshalb ist das Weiterarbeiten auch unter Einschränkungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern priorisiert. Forderungen seitens Gewerkschaften nach Stilllegen von Baustellen und Produktionen sind deshalb nicht zielführend.
Warenverkehr und Logistik – und die Situation mit den Grenzgängern
Der grenzüberschreitende Warenverkehr ist ein Lebensnerv all jener Unternehmen, die Waren aus dem Ausland zwecks Weiterverarbeitung beziehen. Entsprechend würde eine Einschränkung des Warenverkehrs über die Landesgrenze zum Stillstand führen. Es ist alles daran zu setzen, dass die Grenzen weiterhin für den Gütertransport uneingeschränkt offen sind. Schon schwierig genug zeigt sich die Warenverteilung innerhalb der Landesgrenzen. Die allgemeine Krisensituation stellt die Logistik vor neue Hindernisse und erschwert die Auftragsabwicklung immens.
Ein eminent wichtiger Lebensnerv der Wirtschaft der Region Basel sind die über 55'000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die in den Unternehmen unseres Wirtschaftsstandorts arbeiten. Ohne sie sind zahlreiche Unternehmen nicht mehr betriebsfähig. Selbstredend, dass die Landesgrenzen für die Grenzgängerinnen und Grenzgänger insbesondere aus dem angrenzenden Ausland offen bleiben müssen, um nicht den totalen Stillstand unserer Wirtschaft zu provozieren. Die Landesgrenze ist das eine. Das andere ist die allgemeine Unsicherheit, die die Corona-Situation bei den in der Schweiz beschäftigten Ausländerinnen und Ausländer verursacht. Sie hören die Weisungen der Regierungen ihres Landes, werden angehalten zuhause zu bleiben und wissen nicht, ob sie in die Schweiz zur Arbeit dürfen oder nicht. Nur schon dieser Umstand bringt unsere Unternehmen in personelle Schwierigkeiten.
Ein Blick auf die Finanzmärkte
Die Börsen haben weltweit mit historischen Kursverlusten auf die Corona-Pandemie reagiert. Es darf vermutet werden, dass die grösste Börsenschwäche durch ist und die bisher bekannten Folgen der Krise in den Kursen mehrheitlich adaptiert sind. Alles hängt davon ab, wie lange die weltweit angeordneten Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie aufrechterhalten werden müssen. In dieser Ungewissheit wird die Börse unter Druck bleiben. Die Anzahl der Transaktionen pro Tag hat bedeutend zugenommen. Die tiefen Aktienkurse bieten Opportunitäten am Markt. Eine Erholung der Kurse dürfte als positives Signal für die Weltwirtschaft gewertet werden. Eine gewisse Gefahr der volatilen Aktienmärkte besteht in der Umschichtung von Aktienpaketen. Beteiligungs- bzw. Eigentumsverhältnisse können sich schnell verschieben.
Ein für die Unternehmen entscheidender Faktor ist der Wechselkurs Schweizerfranken/Euro. Ein starker Schweizerfranken im Verhältnis zum Euro zählt schon seit längerer Zeit zu den grössten Sorgen der Unternehmen, insbesondere der Exportwirtschaft. Die Krise verstärkt den Druck auf unsere Währung zusätzlich. Eine weitere Aufwertung des Schweizerfrankens erhöht weiter den Druck auf die Margen der Exportprodukte. Um preislich im internationalen Wettbewerb weiterhin bestehen zu können, müssten die Unternehmen weiter ihr Margen senken. Der Druck steigt, auch auf die Zulieferer. Die Schweizerische Nationalbank ist angehalten, durch ihre Geldpolitik den Schweizerfranken zu stabilisieren. Das tut sie auch – und kann das hoffentlich noch lange.
Es gibt auch Chancen
Wie in jeder Krise gibt es auch in der aktuellen Situation Gewinner. Insbesondere die IT-Branche und die Rechtsberatung dürften von den aktuellen Umständen profitieren. Daran ist nichts auszusetzen. Ebenfalls bietet sich die Chance für kreative und intelligente Köpfe, mit neuen Ideen und Innovationen gestärkt aus der Krise rauszukommen. Die Schweiz erlebt einen eigentlichen Digitalisierungsschub. Die Systeme wurden und werden in kürzester Zeit digitalisiert und flexibilisiert. Home Office und Homeschooling als Beispiele sind nur dank digitaler Entwicklungen und Kompetenzen möglich. Da wurde in kürzester Zeit Vieles entwickelt, das uns nach der Krise als Stärke erhalten bleibt. Die erlebte Solidarität zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, das Zusammenhalten aller im Kleinen und im Grossen, ist eine Erfahrung, die die Zeit nach der Coronakrise hoffentlich nachhaltig prägen wird.
Stimmungsbarometer der Handelskammer beider Basel
Die halbjährliche Konjunkturumfrage der Handelskammer beider Basel basiert auf Expertengesprächen mit Führungskräften des C-Level-Managements von ihren Mitgliedunternehmen. Der Stimmungsbarometer integriert zusätzlich die Ergebnisse einer Online-Umfrage, an der vom 15. Februar bis zum 16. März 2020 insgesamt 186 Entscheidungsträger aus Unternehmen der Region Basel teilgenommen haben. Befragt werden Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen und von unterschiedlicher Grösse – vom Einmannbetrieb bis zum global tätigen Unternehmen in unserer Region. Die Ergebnisse fliessen direkt in die standortpolitische Arbeit der Handelskammer ein und werden auch mit den Regierungen beider Basel besprochen.
Die Umfrage des vorliegenden Stimmungsbarometers Frühling 2020 fiel genau in die Zeit der aufkommenden Corona-Pandemie. Eine Auswertung nach den üblichen Standardfragen des Stimmungsbarometers sowie die übliche grafische Darstellung der Ergebnisse war unter diesen Umständen nicht möglich. Der vorliegende Bericht beschreibt die Situation, in der sich die Unternehmen Ende März 2020 befinden. Die weltweite Coronakrise verändert die wirtschaftliche und gesellschaftliche Region fast täglich. Somit entspricht der Bericht einer Momentaufnahme. Gemachte Aussagen können schnell ihre Gültigkeit verlieren.