
Champions League für Forschung
Die Schweiz und die EU haben kurz vor Weihnachten die Verhandlungen über die Stabilisierung und Weiterentwicklung der Bilateralen Abkommen abgeschlossen. Und auch wenn die neuen Verträge noch nicht in Kraft sind - eine Volksabstimmung wird erst für 2028 erwartet - gibt es bereits erste positive Auswirkungen. So kann die Schweiz seit Anfang Jahr wieder beim wichtigen europäischen Forschungsprogramm Horizon Europe teilnehmen. Was das für den Forschungsstandort Schweiz bedeutet, erklärt Prof. Dr. Primo Schär, Vizerektor Forschung an der Uni Basel.
Was bedeutet es für die Forschenden in Basel und der Schweiz, dass sie jetzt wieder bei Horizon Europe-Projekten mitmachen und sogar die Leitung übernehmen dürfen?
Es gibt viele Gründe, weshalb der uneingeschränkte Zugang zum europäischen Forschungsprogramm für die Forschenden in der Schweiz von sehr grosser Bedeutung ist. Der aus meiner Sicht wichtigste Punkt ist eigentlich ganz simpel. Wir haben nämlich wieder die Möglichkeit, in der Champions League zu spielen. Ich freue mich sehr über die hohe Qualität der Forschungsinstitutionen und noch mehr über die vielen Topp-Forscherinnen und -forscher, die sich bei uns für ihre Wissenschaft engagieren. Für diese hoch motivierten und ambitionierten Forschenden ist es sehr wichtig, sich im internationalen Wettbewerb messen zu können und in der internationalen Forschungsgemeinschaft Führungsrollen übernehmen zu können. Auch wenn sich die Schweizer Forschung im internationalen Vergleich sehr gut positioniert, ist die Europäische Forschungslandschaft doch viel grösser und diverser und bietet damit für unsere Forschenden einen viel reicheren Nährboden und mehr Wettbewerb für die Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen und Innovationen. Es ist wirklich wie in der Champions League zu spielen im Vergleich zur Super League.
Vor der neuen Regelung musste die Schweiz eigene Lösungen für Forschungsgelder finden. Warum konnte das den internationalen Austausch und die Zusammenarbeit im EU-Raum nicht ersetzen?
Wir geniessen in der Schweiz eine hervorragende Forschungsförderung. Der Bund und der SNSF haben alles unternommen, um den Verlust von «Horizon Europe» zu kompensieren. Es wurden schnell, pragmatisch und mit bestem Willen Ersatzprogramme geschaffen und erfolgreich implementiert. Nur, diese Ersatzprogramme liefen in der Super League und konnten unseren Forschenden nicht die Gelegenheit bieten, sind im grösseren, diverseren Europäischen Raum mit den Besten zu messen. Wir sind dankbar für diese Programme, verstehen Sie mich nicht falsch, aber es ist gut und wichtig, dass wir unsere Forschungsleistungen wieder international kalibrieren können.

Können Sie ein Beispiel aus Ihrer eigenen Forschung nennen, das ohne internationale Partner gar nicht möglich gewesen wäre?
Ich könnte Ihnen keines unserer Forschungsprojekte nennen, bei welchem nicht internationale Partner oder zumindest der Austausch mit internationalen «Peers» für die erfolgreiche Durchführung massgebend waren. Mein Forschungsteam ist international besetzt, meine Doktorandinnen und Doktoranden hatten und haben internationale Mitbetreuende, wir publizieren fast immer mit internationalen Partnern als Mitautorinnen und -autoren, und wir beantragen Forschungsgelder mit internationalen Partnern.
Basel ist bekannt für seine starke Life-Sciences- und Pharmabranche. Sehen Sie durch die erneute Einbindung in Horizon Europe besondere Chancen für diese Branche?
Wenn wir als Life Science Cluster in der Champions League spielen sind wir sichtbarer und attraktiver als Forschungsstandort für Spitzenforscherinnen und -Forscher aus der ganzen Welt. Wir trainieren unsere Talente besser, indem wir ihnen die Möglichkeit bieten, sich auf internationalem Niveau zu messen, wir entwickeln den Life Science Standort Basel an relevanten Benchmarks weiter, und wir bereichern Wirtschaft und Gesellschaft mit top ausgebildeten Life-Sciences Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit dem internationalem Wettbewerb vertraut sind.
Was steht Ihrer Meinung nach auf dem Spiel, wenn sich die Schweizer Stimmbevölkerung gegen dieses Paket entscheidet?
Ganz einfach, ein erneuter Ausschluss aus Horizon-Europe wird die Schweiz über kurz oder lang ihre Spitzenposition in Forschung und Innovation kosten. Forschung und Innovation ist unser Rohstoff, mit dem wir uns als Gesellschaft entwickeln und auf dem unser Lebensstandard gründet. Es steht also einiges auf dem Spiel.