Nach oben und nach unten bauen
Die Arealentwicklung muss in Zukunft einige Hürden meistern. Das hat unser Fachkongress «Zone Zukunft» gezeigt. Vor allem der Faktor Zeit gewinnt beim Entwickeln und Bauen in Hinblick auf die demografische Entwicklung und die Klimaziele an Bedeutung. Schauplatz war die Regent AG am Dreispitz – einem bikantonalen Entwicklungsareal mit langer und bewegter Raumplanungsgeschichte.
Die demografische Entwicklung, ein verändertes wirtschaftliches Umfeld sowie energie- und klimapolitische Fragestellen prägen die Arealentwicklung in der Region. An unserem dritten Fachkongresse «Zone Zukunft» diskutierten 170 Gäste aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik konkrete Lösungsansätze. Neben einer effizienteren Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette gewinnen mehr Flexibilität, weniger Regulierungen und rascherer behördlicher Verfahren an Bedeutung. Denn Zeit wird bei Entwicklung von Arealen zusehends zum entscheidenden Faktor. Planungs- und Bewilligungsverfahren dauern mitunter lange, Einsprache verzögern die Umsetzung zusätzlich.
Raumentwicklung muss an Fahrt gewinnen
«Raumentwicklung ist Wirtschaftsentwicklung», betonte Martin Dätwyler, Direktor Handelskammer beider Basel, eingangs. Doch sie steht vor Herausforderungen: Der Nutzungsdruck steigt vor allem in den urbanen Räumen und den Agglomerationen. Die Regulatorien nehmen weiter zu. Gerade in Basel-Stadt hemmt ein überbordender Wohnschutz Investitionen in die Arealentwicklung. Initiativen wie «Basel baut Zukunft» führen zu Blockaden anstatt zu Entwicklung. Das wird weder der wachsenden Bevölkerung noch den Bedürfnissen der Wirtschaft gerecht. Hinzu kommen energetische und klimapolitische Anforderungen. Zusätzliche bremsen die gestiegenen Leitzinsen die Bautätigkeit. «Damit Schwung in die Arealentwicklung kommt, müssen wir rasch die Rahmenbedingungen verbessern, um eine bedarfsgerechte und zukunftsorientierte Raumentwicklung zu ermöglichen. Die Zukunft beginnt heute», so Dätwyler.
Megatrends als Chancen erkennen
Vor allem die sogenannten Megatrends bergen laut André Wyss, CEO Implenia, grosse Chancen für die Bau- und Immobilienindustrie: Bevölkerungswachstum und die Urbanisierung führen zu mehr Bautätigkeit, mehr Verdichtung, vertikalen Städten und vernetzten, unterirdischen Infrastrukturen. Die alternde Gesellschaft verlangt nach kleineren Haushalten. Das steigert wiederum den Bedarf an Wohn- und Arbeitsraum sowie Infrastruktur, der aktuell nicht gedeckt werden kann. Die Digitalisierung bringt mehr Effizienz und Effektivität beim Bauen mit sich. Und die Nachfrage nach sozialen, ökologischen und nachhaltigen Lösungen rückt den gesamten Lebenszyklus von Immobilien und Arealen verstärkt in den Fokus. Das schafft Raum für Innovation. Als konkretes Beispiel nannte Wyss das Green Village in Genf.
«Das Marktumfeld ist herausfordernd», attestierte Wyss und forderte: «Es braucht eine effektivere Stadt- und Raumplanung mit klaren Konzepten für Stadt und Land, verdichtetes Bauen und Vermeidung von Zersiedelung durch Aufzonungen im urbanen Raum, mehr Flexibilität in Zonenplänen, um die Nutzung den wandelnden Bedürfnissen anzupassen und optimierte Bewilligungsverfahren um Geschwindigkeit, Kosten und Planungssicherheit für alle Beteiligten zu erhöhen.»
Etappenweise und fluid entwickeln
Das Investoren und Bauträger mitunter einen langen Atem brauchen, bestätigte Beat von Wartburg, Direktor Christoph Merian Stiftung: «Die Gegenwart ist so komplex geworden, dass wir kaum dazu kommen, die Zukunft zu gestalten. Und wenn doch, dann dauern Projekte so lange, dass sie bei ihrer Realisierung bereits veraltet sind.» Der Dreispitz sei dafür ein Paradebeispiel. «Wir brauchen keine starre Masterplanung, sondern fluides Entwickeln, um auf neue Entwicklungen mit grösstmöglicher Flexibilität reagieren zu können», so von Wartburg.
Auch Verdichtung werde in Zukunft immer wichtiger, um Platz bestmöglich zu nutzen und den unterschiedlichen Bedürfnissen der künftigen Nutzer gerecht zu werden – von Wohnraum, über Grünflächen, von Bildungsstätten bis Wirtschaftsflächen. Dabei darf nicht vergessen werden, parallel zu den Arealen auch bei den Infrastrukturen mit der Zeit zu gehen und diese bedarfsgerecht mitzuentwickeln.
Multienergiehubs der Zukunft
Zeit ist auch eine wesentliche Komponente, wenn es darum geht, die Klimaziele zu erreichen. Energieeffiziente Projekte scheitern aber immer wieder an langwierigen Planungen.
Sven Ludwig, Projekt Development Manager GETEC Switzerland AG, beleuchtete die energetischen Anforderungen beim Bauen und bei der Entwicklung von Arealen. «Energieautark zu sein, bedeutet mit allen Partnern zusammenzuarbeiten, um die nötige Energie aus unterschiedlichsten Quellen – von Wind über Abfallverbrennung bis Geothermie – zu generieren, sodass Areale ihren Bedarf möglichst selbst decken können.» Wichtig sei dabei, die Speicherung von Energie mitzudenken, etwa in Brennstoffzellen oder in Superkondensatoren und CO2 als Abfallprodukt zu verwerten, beispielsweise als Tiefkälte. Solche Energie-Ökosysteme gewinnen bei der Arealentwicklung und für die Versorgungssicherheit immens an Bedeutung, braucht aber Zeit.
Neben energie- und klimapolitischen Fragestellen prägt auch der Faktor Mensch die Wohn- und Lebensräume von morgen, wie Hendrik Budliger, Gründer und Leiter Demografik, skizzierte. So werde der demografische Wandel die Schweiz in den kommenden Jahren prägen. Sie wird älter und internationaler. «Die Gemeinden entwickeln sich sehr unterschiedlich gegenüber der gesamten Schweiz», so Budliger. Im interkantonalen Vergleich altert Basellandschaft stärker. «Mit dem Alter verändern sich auch die Haushaltsgrösse und die Wohnfläche.» Die Entwicklung hin zu kleineren Haushalten wird von der Alterung der Gesellschaft und von den Trends zu weniger und kleineren Familien getrieben.
Investorenfeindlichkeit führt zu Stillstand
Nach den Breakoutsessions diskutierten Anita Weckherlin, CEO Migros Basel, Reto Burkard, Abteilungschef Klima Bundesamt für Umwelt BAFU, Gian-Luca Lardi, Zentralpräsident Schweizerischer Baumeisterverband, Munzur Halis, Lead Portfoliomanagement Baloise Asset Management AG, und Patrick von Planta, Head Portfolio Management Real Estate Helvetia Versicherungen über die Herausforderungen in der Raumplanung.
Die Diskussionsrunde war sich einig, dass Initiativen wie «Basel baut Zukunft» die Situation nicht verbessern, sondern lediglich zu Stillstand führen. Gleiches gilt für die rekordhohe Mehrwertabgabe des Kantons Basel-Stadt, die sinnvoller ausgestaltet werden sollte, um eine kluge Innenentwicklung zu fördern. Und die Podiums-Teilnehmenden formulierten klare Forderungen an die Politik: Mehr Pragmatismus, flexiblere Planungen, schnellere Prozesse, raschere Bewilligungsverfahren, stärkere Anreize für die Verdichtung, ein investorenfreundlicheres Klima und sinnvolle Rekurs-Möglichkeiten, da häufige Einsprachen immer wieder zu Verzögerungen führen. All das würde die Realisierung von Projekten stark beschleunigen. Aktuell liegt der Zeithorizont bei Arealentwicklungen zwischen 15 und 20 Jahren.
Gemeinsam Mehrwert aufzeigen
Im Schlusstalk von Martin Dätwyler mit Regierungsrat Thomi Jourdan signalisierte dieser den Willen der Politik, strukturelle Probleme anzugehen: «Das Verständnis der Politik ist vorhanden.» Zudem sieht der Vorsteher der Volkswirtschaft- und Gesundheitsdirektion Kanton Basel-Landschaft, in dessen Zuständigkeit auch die Standortförderung liegt, Übersetzungs- und Erklärungsbedarf gegenüber der Bevölkerung: «Politik und Investoren müssen gemeinsam für Projekte einstehen und deren Vorteile der Menschen in der Region erklären. Erfolgreiche Arealentwicklungen bedingen ein gemeinsames Agieren von Politik und Bauherrschaft sowie die Bereitschaft, von Beginn weg die Bevölkerung in die Prozesse einzubeziehen – dies sichert die langfristige Akzeptanz und damit die Grundlage für den Projekterfolg.»
Vierte Ausgabe in Planung
«Der Leistungsdruck aller Beteiligten ist offensichtlich. Doch auch die Bereitschaft, gemeinsam pragmatischere, einfachere und flexiblere Wege zu finden, damit Areale nachhaltig und zeitnah entwickelt werden können, ist bei allen Seiten gross», betonte Dätwyler. Der Fachkongress «Zone Zukunft» schafft dafür den nötigen Diskussionsrahmen. Die nächste Ausgabe ist bereits in Planung. Location wird das Uptown Basel-Areal in Arlesheim sein. Der Termin wird unter hkbb.ch/events zeitnah bekanntgegeben.