2019 halbiert sich das Wachstum in der Schweiz
Die Dynamik der Weltwirtschaft lässt nach, und damit endet die starke Expansionsphase der Schweizer Exportwirtschaft. Die Konjunkturrisiken steigen deutlich, wie economiesuisse-Chefökonom Rudolf Minsch aufzeigt. Aufgrund des hohen Masses an Unsicherheit würden die Investitionen in der Schweiz 2019 kaum mehr zulegen, der Konsum bleibe stabil. Der Wirtschaftsdachverband prognostiziert im laufenden Jahr ein Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) um 2,7 Prozent sowie ein Plus von 1,4 Prozent für 2019. Die Beschäftigung soll auch im kommenden Jahr steigen, während eine durchschnittliche Arbeitslosenquote von 2,4 Prozent erwartet wird.
Nach einem äusserst positiven Wachstumsschub der Schweizer Wirtschaft im ersten Halbjahr 2018 enttäuschte das dritte Quartal. Während sich die Binnenwirtschaft mehr oder weniger stabil entwickelt hat, sind die kurzfristigen Schwankungen der wirtschaftlichen Aktivitäten auf den Aussenhandel zurückzuführen. Die hohe Dynamik der Weltwirtschaft sorgte für eine starke Nachfrage nach Schweizer Waren und Dienstleistungen, doch präsentiert sich die Lage je nach Region sehr unterschiedlich. Wachstumslokomotive ist zum wiederholten Male die USA, wo die Regierung Trump die gute Wirtschaftslage zusätzlich durch Steuersenkungen und Finanzstimuli angefeuert hat. Die chinesische Wirtschaft kann sich bisher gegenüber den protektionistischen Massnahmen der USA behaupten. Europas Wirtschaft wächst demgegenüber etwas unter den Erwartungen. Im dritten Quartal ging die Nachfrage nach Schweizer Produkten und Dienstleistungen zurück, vor allem die Exportzahlen nach Europa und Asien enttäuschten.
Der Wachstumsstopp im dritten Quartal war aber nur temporärer Natur. So haben die Warenexporte im Oktober wieder kräftig zugelegt und ein monatliches Allzeithöchst erreicht. Sie entwickeln sich dabei sehr viel dynamischer als die Dienstleistungsexporte. Insgesamt werden die Exporte 2018 im Vergleich zu 2017 deutlich zunehmen. Die Schweizer Firmen investieren dieses Jahr kräftig in die Produktionsanlagen und den Ausbau neuer Geschäftstätigkeiten. Von diesen hohen Ausrüstungsinvestitionen profitiert auch die Binnenwirtschaft. Der Bau wächst demgegenüber zwar immer noch, doch im Vergleich zu den Ausrüstungsinvestitionen deutlich weniger stark. Auch der Konsum wächst zwar unterdurchschnittlich, jedoch stabil und ähnlich stark wie in den Vorjahren.
Die Schweizer Wirtschaft wächst auch 2019, nur deutlich weniger stark
Die wirtschaftspolitischen Unsicherheiten haben stark zugenommen. Der Handelskrieg zwischen den USA und China, der Brexit, die Angst vor einer erneuten Schuldenkrise in Europa und potenzielle Nadelstiche der EU aufgrund ihres ungeklärten Verhältnisses zur Schweiz verunsichern die hiesigen Unternehmen. Parallel zur Eintrübung der globalen Entwicklung sinken die Wachstumserwartungen der Exportbranchen. Trotz allem rechnen die grössten Exportbranchen (die chemisch-pharmazeutische, die Medizinaltechnik-, die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie sowie die Textil- und die Uhrenindustrie) mit einem positiven Wachstum im kommenden Jahr. Dies geht einher mit einer höheren Beschäftigung in diesen Branchen. Auch die stark exportorientierten Dienstleister wie die Banken und die Hotellerie erwarten, dass ihre Wertschöpfung 2019 zulegt. Im Gegensatz zu den Warenexporteuren aber stagniert (Hotellerie) oder sinkt (Bankenindustrie) die Beschäftigung. Auch die stärker binnenwirtschaftlich tätigen Versicherungen oder der Handel bauen trotz Wachstum Stellen ab. Die Telekommunikationsindustrie reduziert die Beschäftigung bei negativen Wachstumsaussichten. In diesen Branchen setzen sich die strukturellen Anpassungen fort.
Die Verunsicherung äussert sich vor allem darin, dass die Firmen vorsichtiger geworden sind. Aus diesem Grund werden die Ausrüstungsinvestitionen 2019 kaum noch ansteigen. Dies trifft auch für die Bauinvestitionen zu. Während das Ausbaugewerbe immerhin noch leicht zulegen kann, rechnet das Bauhauptgewerbe 2019 mit einem Rückgang. Dieser ist vor allem auf die sinkende Wohnbautätigkeit zurückzuführen. Stützend wirkt der öffentliche Tiefbau. Wie in den vergangenen Jahren legen die Branchen Treuhand und Beratung, Gesundheitswesen, öffentliche Verwaltung, Unterricht und Forschung sowie Verkehr auch 2019 wieder zu.
Mässige Teuerung, steigende Beschäftigung und sinkende Arbeitslosigkeit
An der Preisfront zeichnet sich keine Änderung ab. Die Inflationserwartungen sind fest verankert. Zudem lassen die Erdölnotierungen nach und der Franken hat sich wieder etwas aufgewertet. Entsprechend sind die Importpreise kein Auslöser für einen Teuerungsschub in der Schweiz. Die Inflation wird 2018 knapp unter der Ein-Prozent-Marke verharren. Und im kommenden Jahr sollte dann endlich der Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik erfolgen. Leicht steigende Zinsen sind in der Schweiz allerdings erst gegen Ende 2019 zu erwarten.
Auch im nächsten Jahr ist mit einer Inflationsrate von lediglich rund 0,8 Prozent zu rechnen. Dies sind gute Nachrichten für die Arbeitnehmenden, denn bei einem erwarteten Anstieg der Nominallöhne von 1,2 Prozent werden auch die Reallöhne zunehmen. Die Binnenwirtschaft wird darüber hinaus durch den anhaltenden, wenn auch etwas schwächeren Beschäftigungsanstieg und die weiterhin leicht sinkende Arbeitslosigkeit gestützt.
Konjunkturelle Abwärtsrisiken haben stark zugenommen
Im zu Ende gehenden Jahr haben sich drei Konjunkturrisiken stark akzentuiert. Erstens besteht eine reelle Gefahr, dass die Schuldenkrise in Europa wieder ausbricht und dass sich in diesem Zusammenhang auch der Franken gegenüber dem Euro aufwertet. Im Budgetstreit mit der EU gefährdet Italien die Stabilität der gesamten Eurozone. Italien ist aber «Too-big-to-fail», weil es einerseits die drittgrösste Volkswirtschaft der Eurozone ist und andererseits die Staatsverschuldung des Landes den vorgesehenen Rettungsschirm weit übersteigt. Erschwerend kommt hinzu, dass viele kurzfristige Anleihen 2019 auslaufen und Italien auf dem Kapitalmarkt somit Schulden im Umfang von über 250 Milliarden Euro erneuern muss. Ähnlich wie 2011 könnten daher Fragen über die Zukunft des Euros den Franken wieder erstarken lassen.
Da bei allfälligen Turbulenzen an den Märkten parallel auch die Konjunktur in Europa in Mitleidenschaft gezogen wird, würden sich die nach wie vor guten Exportaussichten der Schweizer Industrie rasch eintrüben. Auch der Brexit schwächt die europäische Konjunktur insgesamt. Zweitens kann der Handelsstreit zwischen den USA und China einen Einbruch der globalen Konjunktur zur Folge haben. Und drittens können auch hausgemachte Probleme die Schweizer Wirtschaftsentwicklung negativ beeinflussen. Der sich nun abzeichnende Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik in Europa und der Schweiz und die steigenden Leerstandsziffern könnten im hiesigen Immobilienmarkt starke Preiskorrekturen auslösen. Wenn eine «sanfte Landung» nicht gelingen sollte, wäre die Binnenwirtschaft erheblich tangiert. Auch zusätzliche Regulierungen und die Folgen der ungeklärten vertraglichen Beziehungen der Schweiz zur EU haben das Potenzial, das Wachstum der Schweizer Wirtschaft zu dämpfen.
Präsentation Prof. Rudolf Minsch, economiesuisse
Quelle: economiesuisse