Produktive Landwirtschaft bleibt wichtig
Es ist etwas paradox. Am 13. Juni entscheiden die Stimmberechtigten über zwei Agrar-Initiativen. Gemäss ersten Umfragen verlangen vor allem Bewohnerinnen und Bewohner aus Städten einen radikalen Kurswechsel in der landwirtschaftlichen Produktion. Man fragt sich unweigerlich: Sind Städter die besseren Landwirte?
Ein Gastbeitrag zu den Agrar-Initiativen von Roman Mazzotta, Präsident Schweiz, Leiter Rechtsdienst Crop Protection, Syngenta.
Vermutlich nicht. Sicher sind sie indes weiter weg vom täglichen Kampf der Bäuerinnen und Bauern auf dem Feld. Landwirtschaftliche Kulturen sind vielfältigen Bedrohungen ausgesetzt. Pflanzenkrankheiten durch Pilzbefall breiten sich rasend schnell aus und zerstören ganze Ernten. Schädlinge gefährden Ertrag und Qualität der landwirtschaftlichen Produkte. Bauern sind Risikomanager. Sie versuchen, ihre Produkte und die Ernte zu retten, die Qualität zu garantieren. Nur wenn die Landwirtschaft produktiv bleibt, werden uns auch künftig die üppigen Auslagen in den Lebensmittelläden der Stadt erfreuen. Nur wenn Bäuerinnen und Bauern die Risiken zielgerichtet abwehren, verhindern sie Food Waste in Feld und Lagerung und damit einhergehend eine Verschwendung von Ressourcen und Energie.
Die vorliegenden Agrar-Initiativen wollen den Landwirten einen Teil der Werkzeuge, die sie zur Sicherung ihrer Erträge zur Verfügung haben, aus der Hand schlagen. Ein Verzicht auf Pestizide schmälert jedoch den Ertrag in der landwirtschaftlichen Produktion um bis zu 40 Prozent. Dies gilt für den konventionellen Anbau wie für den Biolandbau, denn beide setzen Pestizide (auch synthetische) zum Schutz der Kulturen ein. Die Konsequenzen eines Verzichts sind eindeutig: weniger regionale Produkte, höhere Preise, und mehr Importe. Dies liegt weder im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten noch im Interesse der Umwelt.
Immerhin können in Zukunft auch Städter ihren Beitrag zur landwirtschaftlichen Versorgung leisten. «Vertical farming» ist das Stichwort. Die Felder sind übereinandergestapelt und brauchen so weniger Platz. Sensoren sorgen dafür, dass die Pflanzen stets die richtige Menge an Nährstoffen und Wasser zur Verfügung haben. Doch hat diese Landwirtschaft in der Stadt klare Limiten: Sie funktioniert nicht für Ackerkulturen, die die Grundkalorien bringen wie Kartoffeln, Weizen etc. Und sie verbraucht relativ viel Energie. Und so hängt die Ökobilanz dieser Projekte wie bei den Elektroautos auch wesentlich davon ab, wie die Energie erzeugt wird.
In der Nahrungsproduktion werden die Grenzen zwischen Stadt und Land also künftig aufgeweicht, doch die Bauern werden Risikomanager bleiben und ihre Ernten verteidigen müssen. Damit sie dies künftig noch nachhaltiger können, braucht es Forschung. Gerade Basler Firmen haben da einen grossen Leistungsausweis. Sie können auch mit Innovation einen entscheidenden Beitrag für eine ressourceneffizientere und nachhaltigere Landwirtschaft liefern. Voraussetzung ist, dass man sie lässt. Die beiden Agrarinitiativen, die am 13. Juni zur Abstimmung kommen, wollen aber genau dies nicht. Ihre Denkverbote verhindern Innovation beim Pflanzenschutz. Deshalb verdienen sie sowohl aus städtischer als auch aus Basler Sicht ein klares Nein.
24.05.2021 - George Peter
Städter sind sicher nicht die besseren Landwirte, doch sicherlich bewusstere Konsumenten.