Handel ist Teil der Lösung

01.07.2021

Die wirtschaftliche Globalisierung ist ein wichtiger Treiber für Wachstum, Wohlstand und technologischen Fortschritt. Offene Volkswirtschaften, die sich intensiv am internationalen Waren- und Dienstleistungshandel beteiligen, profitieren besonders von den Früchten der internationalen Arbeitsteilung. Wie schaffen wir es, dass möglichst viele Menschen die Chancen des weltweiten Handels nutzen können? Welche Rolle spielt die Schweiz dabei? Warum ist Handel so wichtig, um die UNO Nachhaltigkeitsziele zu erreichen? Wir haben uns mit Monica Rubiolo vom Staatssekretariat für Wirtschaft getroffen, um diese und weitere Fragen zu diskutieren.

 

Sie sind Leiterin der Handelsförderung beim SECO. Welche Aufgaben hat ihre Abteilung?

Kurz gesagt: wir setzen uns dafür ein, dass mehr Menschen in Entwicklungs- und Transitionsländern die Chancen des Handels nutzen können. Das machen wir auf drei Arten: Erstens verbessern wir die Rahmenbedingungen für den Handel, indem wir zum Beispiel mit der Welthandelsorganisation die Zollprozesse vereinfachen. Zweitens versuchen wir, Firmen und Produzenten in Ländern wie Peru oder Kolumbien an globalen Lieferketten teilhaben zu lassen. Wir zeigen ihnen zum Beispiel wie sie ihre Produkte besser vermarkten oder nachhaltiger produzieren können. Drittens vermitteln wir gezielt Fachkompetenzen in Entwicklungsländern. Zum Beispiel im Bereich Sozial- und Arbeitsstandards in Zusammenarbeit mit der internationalen Arbeitsorganisation.

Warum ist es wichtig, dass wir den Handel fördern?

Handel ist ein wichtiges Werkzeug, um den weltweiten Wohlstand zu steigern und die Armut zu bekämpfen. Wir wissen heute: Armutsreduktion ist nur möglich durch wettbewerbsfähige Firmen, die in globalen Lieferketten ihren Beitrag leisten können. Handel schafft Arbeitsplätze und liefert wichtige Impulse für Innovationen.

Projektbesuch Indonesien : Im Rahmen des Projektbesuches SCPP (Sustainable Cocoa Production Program) setz Monica Rubiolo hier ein Kakaobaum (2017) im Cocoa Development Center in Luwo Kamanre, Sub-District in Indonesien.

Die UNO sagt, dass der Handel für die Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) zentral ist. Warum ist das so?

Der globale Wettbewerb zwingt Unternehmen dazu, Ressourcen effizient zu nutzen. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die nachhaltige Entwicklung. Nachhaltigkeit umfasst aber neben dem ökologischen Aspekt auch eine soziale und wirtschaftliche Komponente. Zwischen diesen drei Aspekten besteht eine Wechselwirkung. Zum Beispiel machen nachhaltige Lieferketten die Wirtschaft widerstandsfähiger gegen Krisen. Wie wichtig das ist, haben wir in der Pandemie deutlich gesehen.

Die Exportindustrie der Schweiz ist glimpflich durch die Pandemie gekommen. Welche Spuren hat die Pandemie bei Handelsfirmen in den Entwicklungsländern hinterlassen?

Die Krise hat tendenziell strukturelle Probleme verstärkt. Entwicklungsländer wurden stark durch die Pandemie betroffen und hatten oft nicht die Ressourcen, um Abfederungsmassnahmen umzusetzen, z.B. um schwache Firmen zu stützen. Wir beobachten aber, dass die wirtschaftliche Erholung fast überall deutlich zu spüren ist. Die Weltwirtschaft wird gemäss der letzten Weltbank Prognose dieses Jahr voraussichtlich um 5,4 Prozent wachsen. Dies ist erfreulich, auch wenn in den einzelnen Ländern und Sektoren nicht alle gleichsam von dieser Erholung profitieren werden.

In Ländern, wo die Menschen an Hunger leiden, geniesst Umweltschutz oft keine hohe Priorität. Wie können wir das ändern?

Dass der Umweltschutz in Entwicklungsländern oft zu kurz kommt, liegt in der Regel nicht am fehlenden Willen. Meist mangelt es schlicht an Know-how und Ressourcen, um wirkungsvoll die Umwelt zu schützen. Genau da setzt unsere Arbeit an. Wir versuchen, das Know-how zur Verfügung zu stellen und zu zeigen, dass Nachhaltigkeit auch ein Wettbewerbsvorteil sein kann. Die Schweiz hat in diesem Bereich viel Expertise und dieses Wissen ist im Ausland sehr gefragt.

Kritiker des Freihandels behaupten, vom Handel profitieren vor allem unsere grossen multinationalen Unternehmen. Die ärmeren Länder und die Umwelt verlieren dabei. Was sagen sie zu dieser Behauptung?

Untersuchungen zeigen genau das Gegenteil. Von Freihandelsabkommen profitieren vor allem die KMU. Auch in Entwicklungsländern bedeutet Freihandel auch Chancen für KMU, denn kleinere Unternehmen sind besonders auf den Marktzugang angewiesen. Es gibt klare Hinweise, dass Freihandel die Produktivität steigert und Arbeitsplätze schafft. Wichtig ist: Firmen brauchen die richtigen Kompetenzen, um die Chancen des Freihandels zu nutzen. Deshalb versuchen wir dieses Know-how zu vermitteln.

Projektbesuch Marokko : Das SECO-Team wird im Aït Bouguemez-Tal in Marokko empfangen (2019), um bei einem traditionellen Minze Tee über das Potenzial der Region als nachhaltige Tourismusdestination zu diskutieren.

Sie arbeiten auch mit Unternehmen zusammen? Welchen Beitrag leisten Schweizer Unternehmen für die nachhaltige Entwicklung im Ausland? Haben Sie Beispiele solcher Kooperationen?

Die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor ist für uns entscheidend und ist Teil der DNA des SECO. Schweizer Firmen verfügen über sehr viel Wissen und Erfahrung, etwa bei den Themen Kakao, Kaffee oder Textilien, in denen das SECO aktiv ist. Das Interesse ist sehr gross, dieses Wissen zu teilen. Beim Thema Kakao haben wir zum Beispiel zusammen mit für den Sektor relevanten Akteuren eine sehr erfolgreiche Plattform aufgebaut, bei der alle wichtigen Stakeholder – Unternehmen, Zivilgesellschaft, Produzenten, Detailhändler – mitmachen. Wir erarbeiten dort gemeinsame Lösungen, wie wir den Kakao-Markt nachhaltiger gestalten können. Auch kleine Firmen in der Schweiz profitieren von dieser Plattform. Beim Thema Gold arbeiten wir mit der Swiss Better Gold Association zusammen. Gemeinsam verbessern wir die Nachhaltigkeit der Goldlieferkette und binden kleinere Produzenten aus Länder wie Kolumbien oder Peru ein.

Welche Rolle spielen Freihandelsabkommen für die Verbesserung der nachhaltigen Entwicklung im Ausland?

Freihandelsabkommen können nicht Wunder wirken. Aber sie setzen die richtigen Impulse und lösen eine positive Entwicklung aus. Handel führt dazu, dass Firmen in Entwicklungsländern dem globalen Markt ausgesetzt werden. Dadurch lernen sie viel und können sich schneller entwickeln. Oft wird auch behauptet, dass Firmen schwache Regulierungen in gewissen Ländern ausnutzen. Dazu gibt es aber keine empirischen Hinweise.

Möchten Sie noch etwas ergänzen, was aus Ihrer Sicht wichtig ist?

Ich finde es schade, dass viele Leute den Handel als Problem sehen. Gerade die Krise hat gezeigt, dass Handel Teil der Lösung ist. Gut funktionierende Lieferketten sind entscheidend für den Wohlstand, die Nachhaltigkeit und unsere Versorgungssicherheit. Es ist deshalb wichtig, dass die Schweiz als kleiner, aber innovativer und agiler Akteur sich für den Handel einsetzt.

Dr. Monica Rubiolo ist Leiterin Handelsförderung beim Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO)

 

Projektbesuch Vietnam : Besuch auf einer Teeplantage in Vietnam (2018) im Rahmen eines Handelsprojekts, das Vietrade, die Vietnamesische Handelsförderagentur, unterstütz.

Der Weg zu mehr Wohlstand und einer nachhaltigeren Entwicklung ist eine gemeinsame Aufgabe von uns allen. Unternehmen spielen dabei eine zentrale Rolle. Handel und ausländische Direktinvestitionen haben die Armut auf der Welt in den letzten Jahrzehnten massiv reduziert. Die Lebensqualität und der Wohlstand haben insgesamt deutlich zugenommen. Langfristig wirkt sich der Handel auch positiv auf die Umwelt aus. Laut UNO ist der Handel ein zentraler Schlüssel für die Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele. Auch die Unternehmen der Region Basel spielen dabei eine wichtige Rolle. Mit ihren hohen Standards und ihren innovativen Produkten leisten sie einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigeren Entwicklung auf der Welt. Mit einer Beitragsreihe wollen wir aufzeigen, warum Handel die Nachhaltigkeit begünstigt und nicht hemmt.

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