Langfristig fördert der Handel umweltschonendes Verhalten

31.03.2022

Der gobale Handel kann eine treibende Kraft sein, wenn es darum geht, nachhaltiger und umweltschonender zu agieren. Prof. Rolf Weder von der Universität Basel erklärt im Interview, wie eine Regulierung des Handels das Klima schützt, warum es ein globales CO2-Zertifikat braucht und wie ärmere Länder von Freihandelsabkommen profitieren.

Ist der globale Handel schlecht für das Klima?

Die CO2-Emissionen haben in Ländern wie China, Indien und Indonesien in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen - von 1995 bis 2010 beobachtet man etwa eine Verdoppelung in diesen Ländern. Dies ist im Fall von China in der Tat auch auf die Globalisierung zurückzuführen. Der internationale Handel erhöht aber auch das Einkommen und damit das Umweltbewusstsein in diesen Ländern, und er fördert den Technologietransfer. In China beobachtet man deshalb eine ausgeprägte Reduktion der CO2-Emissionsrate, d.h. der CO2-Emissionen pro Outputeinheit. Die Ökonomie produziert heute also klimaschonender.

In den Industrieländern sinkt der Ausstoss von Treibhausgasen, obwohl die Wirtschaft weiterwächst. Liegt das nicht einfach daran, dass wir die schmutzige Produktion in andere Länder ausgelagert haben?

Zum Teil ja. Der CO2-Gehalt der Importe von reichen Industrieländern hat von 1990 bis 2008 zugenommen. Um den Gesamteffekt des internationalen Handels abzuschätzen, müssen neben (1) diesem «Verlagerungseffekt» des Handels (der sich tendenziell negativ auf die Umwelt auswirkt) zwei weitere Effekte berücksichtigt werden: (2) der sogenannte «Skaleneffekt» mit ebenfalls negativen Auswirkungen auf die Umwelt (der Handel ermöglicht über die Spezialisierung ein höheres Konsumniveau) sowie (3) der erwähnte «Technik- oder «Technologieeffekt», der sich positiv auf die Umwelt auswirkt, weil die Unternehmen umweltfreundlicher produzieren.

Prof. Rolf Weder von der Universität Basel

Und wie sieht das Gesamtresultat dieser drei Effekte aus?

Für den Schadstoff Schwefeldioxid fanden Kollegen vor 20 Jahren in einer bahnbrechenden Forschungsarbeit heraus, dass der internationale Handel «gut für die Umwelt» sei. Sie zeigten, dass der durch die Handelsöffnung über einen Zeitraum von 1971 bis 1995 geförderte dritte Effekt - Reduktion der Emissionen aufgrund des Übergangs zu umweltschonenderen Produktionsmethoden und –technologien - die ersten beiden genannten Effekte mehr als kompensiert hat. Ob dies allerdings auch für CO2 und die aktuelle Entwicklung gilt, ist offen. Dazu gibt es im Moment eine lebhafte theoretische und empirische Forschung. So scheint es z.B., dass der CO2-Gehalt von Importen reicher Industrieländer nach 2008 abnahm.

In Ländern wie Brasilien oder Indonesien steht es schlecht um die Umwelt. Wenn wir mit solchen Ländern Freihandelsabkommen schliessen, verschlimmern wir dann nicht die Situation dort?

Die Auswirkungen sind unterschiedlich, je nachdem, welchen Schadstoff man betrachtet und ob eher die kurz- oder langfristige Perspektive im Vordergrund steht. In der kurzen Frist und bei zum Beispiel den CO2-Emissionen dürfte die dortige Umweltbelastung zunehmen (und bei uns sinken), wenn wir nur die Grenzen für den Handel öffnen und sich umweltpolitisch nichts verändert. Mittel- und langfristig wird der Handel über die oben beschriebenen Effekte umweltfreundlichere Produktionsmethoden und umweltschonenderes Verhalten in diesen Ländern fördern.

Das geplante Freihandelsabkommen der Schweiz mit dem Mercosur steht in der Kritik, unter anderem aus Umweltschutz-Gründen. Was spricht aus Ihrer Sicht für dieses Abkommen?

Dass ein solches Abkommen den beteiligten Ländern die Möglichkeit gibt, ihre Ressourcen effizienter einzusetzen – sich mehr auf das zu spezialisieren, was sie relativ gut können, und das andere aus dem Ausland zu importieren. So profitieren grundsätzlich alle beteiligten Länder. Anstatt das Abkommen zu kritisieren, würde ich eher versuchen, umweltpolitische Anliegen in das Abkommen aufzunehmen - wie im Freihandelsabkommen mit Indonesien -, und darauf achten, dass über Labels die Konsumenten darüber informiert werden, was sie kaufen. Es ist nicht alles «schlecht», was dort produziert wird.

Kritiker behaupten, von Freihandelsabkommen profitieren vor allem grosse Konzerne in reichen Ländern. Ärmere Länder würden verlieren. Was sagt die Wissenschaft zu dieser Aussage?

Die Forschung zeigt, dass sowohl reiche wie auch arme Länder insgesamt von einer Stärkung des internationalen Handels profitieren. Wenn «Freihandelsabkommen» primär den gegenseitigen Zugang zu Gütern und Dienstleistungen erleichtern, dann steigen in den ärmeren Ländern typischerweise die Reallöhne. Dass dabei die Gewinne nicht nur von internationalen, sondern auch von lokalen Firmen steigen, ist zu begrüssen. Sie schaffen die Voraussetzung dafür, dass in neue - auch umweltfreundlichere - Technologien investiert werden kann. Eine Herausforderung ist jeweils die Anpassung an den Strukturwandel.

Braucht es eine Regulierung des Handels, um das Klima zu schützen? Wenn ja, welche Instrumente machen aus Ihrer Sicht am meisten Sinn?

Ja, unbedingt. Das Klima ist eine sogenannte gemeinschaftliche Ressource, die – wenn man nichts macht – übernutzt wird. Optimal wäre ein globales CO2-Zertifikatssystem. Wenn immer CO2 entsteht - in der Produktion, im Transport oder im Konsum -, müssten die Akteure für die von ihnen ausgelösten Emissionen CO2-Rechte auf einem internationalen Markt kaufen. Gelingt das nicht, sollten einzelne Länder oder Ländergruppen ihre CO2-Emissionen über Abgaben beschränken und den CO2-Gehalt von Importen äquivalent zu den im Inland hergestellten Gütern besteuern und die Exporte entsprechend entlasten.

Sollten wir Produkte wie Lebensmittel oder auch Medikamente vermehrt im eigenen Land herstellen, um das Klima zu schonen?

Wenn der Transport die negativen Effekte auf das Klima nicht berücksichtigt und wenn die im Ausland hergestellten Produkte dem Klima mehr schaden als wenn diese im Inland hergestellt werden, kann dies eine kurzfristig sinnvolle Strategie auf individueller Ebene sein. Sie löst aber erstens das Problem nicht, und zweitens haben wir als Konsumentinnen viel zu wenig Information über die Auswirkungen unseres Verhaltens. Viel besser wäre es, die Spielregeln in die oben erwähnte Richtung anzupassen. Dann verhalten sich alle richtig und wir müssen nicht mit dem Finger auf vermeintliche Umweltsünder zeigen.

Unsere Wirtschaft ist auf Wachstum angewiesen. Können wir die Umwelt überhaupt schützen, wenn die Wirtschaft und der Handel ständig weiterwachsen?

Unsere Wirtschaft bzw. unser Wirtschaftssystem ist NICHT auf Wachstum angewiesen! Wir als Individuen - Manager, Arbeitnehmerinnen, Politiker und Konsumentinnen - wünschen uns höhere Gewinne, Löhne und Staatseinnahmen bzw. tiefere Preise. Der Wettbewerb führt so über Produktivitätssteigerungen zu Wachstum. Wenn wir die Umwelt, so wie oben vorgeschlagen, schützen, wird der Konsum und wohl auch der Handel weniger stark zunehmen - allenfalls sinken. Die Effizienz des Systems steigt dabei aber und der Faktor Umwelt wird durch Arbeit und Kapital substituiert. Die Wirtschaft bzw. das System bricht dabei nicht zusammen. Im Gegenteil. Je schneller wir die Korrektur in Angriff nehmen, desto reibungsloser wird die Weiterentwicklung verlaufen.

Prof. Rolf Weder ist Professor für Aussenwirtschaft und Europäische Integration an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultätvon der Universität Basel

Der Weg zu mehr Wohlstand und einer nachhaltigeren Entwicklung ist eine gemeinsame Aufgabe von uns allen. Unternehmen spielen dabei eine zentrale Rolle. Handel und ausländische Direktinvestitionen haben die Armut auf der Welt in den letzten Jahrzehnten massiv reduziert. Die Lebensqualität und der Wohlstand haben insgesamt deutlich zugenommen. Langfristig wirkt sich der Handel auch positiv auf die Umwelt aus. Laut UNO ist der Handel ein zentraler Schlüssel für die Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele. Auch die Unternehmen der Region Basel spielen dabei eine wichtige Rolle. Mit ihren hohen Standards und ihren innovativen Produkten leisten sie einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigeren Entwicklung auf der Welt. Mit einer Beitragsreihe wollen wir aufzeigen, warum Handel die Nachhaltigkeit begünstigt und nicht hemmt.

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