Direkter Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative
Die Initianten der Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» möchten das Netto-Null Emissionen Ziel bis 2050 («Netto-Null Ziel») in der Bundesverfassung festschreiben. Der Bundesrat hat einen direkten Gegenentwurf zur Volksinitiative, die wir ablehnen, erarbeitet. Dieser nimmt die Kernanliegen auf und nimmt Änderungen bei der Umsetzung vor. Wir begrüssen grundsätzlich den direkten Gegenentwurf des Bundesrats, fordern aber einige Anpassungen.
Unsere Forderungen zum direkten Gegenentwurf
- Treibhausgassenken müssen in jedem Fall im In- und Ausland entstehen und voll angerechnet werden können.
- Es ist unklar, was mit «sicheren» Treibhausgassenken gemeint ist. Aus unserer Sicht müssen die Senken «zuverlässig und gesichert» sein.
- Explizite Festschreibung des Stichjahrs 2050, um Planungssicherheit herzustellen.
- Die Instrumente müssen prioritär marktwirtschaftlich orientiert sein. Dafür muss das Prinzip «Anreiz vor Zwang» festgeschrieben werden.
- Die Festschreibung eines linearen Absenkpfads von Treibhausgasemissionen lehnen wir ab. Ein solcher ist nicht zielführend, da er die Anwendung von Technologien unnötig einschränken würde.
- In der Ausführungsgesetzgebung müssen die bereits bestehenden klima- und energiepolitischen Instrumente, namentlich der Emissionshandel, berücksichtigt werden.
Ausgangslage
Die überparteiliche Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» des Vereins Klimaschutz Schweiz wurde als ausgearbeiteter Entwurf eingereicht und ist mit über 110'000 gültigen Unterschriften zu Stande gekommen. Der Bundesrat unterstützt die Vorlage nicht, hat im April 2020 jedoch beschlossen, einen direkten Gegenentwurf zur Volksinitiative zu erarbeiten.
Konzeption
Die Gletscher-Initiative verfolgt als Hauptziel die Festschreibung des Netto-Null Emissionen Ziels bis 2050 («Netto-Null Ziel»), gemäss dem von der Schweiz unterschriebenen Klimaübereinkommens von Paris 2015, in der Bundesverfassung. Hierfür soll ein neuer Artikel 74a (Klimapolitik) geschaffen werden.
Gemäss vorgeschlagenem Absatz 1 des Artikels sollen sich der Bund und die Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeiten im In- und Ausland sowie den internationalen Verhältnissen für die Begrenzung der Risiken und Auswirkungen der Klimaveränderung einsetzen. Absatz 2 verlangt sichere Treibhausgassenken, um in der Schweiz durch Menschen verursachte Treibhausgasemissionen in ihrer Wirkung auf das Klima spätestens ab 2050 dauerhaft auszugleichen. Absatz 3 verankert ein generelles Verbot der Inverkehrbringung von fossilen Brenn- und Treibstoffen in der Schweiz ab 2050. Nur in technischbedingten Ausnahmefällen, in denen der fossile Energieträger nicht durch einen nicht-fossilen Energieträger substituiert werden kann, ist die Verwendung weiterhin erlaubt. Dies bedingt aber, dass sämtliche sich daraus ergebenden Treibhausgase durch inländische Treibhausgassenken dauerhaft kompensiert werden. Absatz 4 hält fest, dass die Klimapolitik auf eine Stärkung der Volkswirtschaft und auf Sozialverträglichkeit ausgerichtet ist. Explizit nutzt die Klimapolitik Instrumente der Innovations- und Technologieförderung.
Bei Annahme des durch die Initianten formulierten Artikel 74a durch Volk und Stände, soll der Bund gemäss Übergangsbestimmungen innerhalb von 5 Jahren nach dem Abstimmungstermin eine entsprechende Ausführungsgesetzgebung erlassen. Dieses Gesetz soll einen mindestens linear verlaufenden Absenkpfad für die Treibhausgasemissionen bis 2050 festlegen und hierfür auch Zwischenziele definieren. Ausserdem soll das Gesetz die Instrumente regeln, um diesen Absenkpfad einhalten zu können.
Der Bund teilt mit seinem Beschluss vom 28. August 2019 über das «Netto-Null Ziel» das Kernanliegen der Initianten grundsätzlich. Er ist auch bereit, dieses als verbindliche Zielsetzung in die Bundesverfassung zu übernehmen. Einige der im Initiativtext formulierten Massnahmen teilt der Bundesrat hingegen nicht vollständig und erachtet sie als zu weitgehend. So lehnt er insbesondere das in Art. 74a Absatz 3 festgeschriebene Verbot zur Inverkehrbringung fossiler Brenn- und Treibstoffe ab. In seinem direkten Gegenentwurf schlägt er vor, das starre Verbot durch eine Verminderung des Verbrauchs fossiler Energieträger zu ersetzen, sofern dies technisch möglich, wirtschaftlich tragbar und mit der Sicherheit des Landes sowie dem Schutz der Bevölkerung vereinbar ist. Die Klimawirkung der Luftfahrt soll nur soweit berücksichtigt werden, wie dies im Einklang mit dem bestehenden Treibhausgasinventar der Fall ist. Die Instrumente sollten aus Sicht des Bundes offenbleiben, um ihm und den Kantonen möglichst grosse Flexibilität bei der Erreichung der Ziele zu bewahren.
Der Bundesrat sieht die Präzisierung «im Rahmen ihrer Zuständigkeiten im Inland und im internationalen Verhältnis» in Absatz 1 als überflüssig an und streicht diese in seinem Gegenentwurf. Absätze 2 und 3 werden getauscht und das grundsätzliche Verbot zur Inverkehrbringung fossiler Energieträger durch ein Verminderungsziel ohne Vorwegnahme der Instrumente ersetzt. Absatz 4 enthält einen Zusatz, der die Berücksichtigung der Berg- und Randgebiete explizit aufnimmt. Dies, da diese Regionen in der Regel weniger gut mit dem öffentlichen Verkehr und nachhaltigen Energieversorgungssystemen (wie etwa Fernwärme) erschlossen sind.
Forderungen
Die Handelskammer beider Basel versteht das Anliegen, die Verpflichtungen, die sich durch das Pariser Klimaübereinkommen von 2015 für die Schweiz ergeben, in die nationale Gesetzgebung überführen zu wollen. Das Hauptziel der Initiative ist die Festschreibung des «Netto-Null Ziels» für alle anthropogenen Treibhausgasemissionen. Dieses hat auch der Bundesrat am 28. August 2019 formuliert.
Den von den Initianten aufgezeigten Weg dieses Ziel zu erreichen erachten wir hingegen als deutlich zu starr, wenig liberal und daher weder technologisch noch volkswirtschaftlich effizient. Das rigide grundsätzliche Verbot zur Inverkehrbringung fossiler Treib- und Brennstoffe ab 2050 lehnen wir daher ebenso ab wie der Bundesrat. Eine Verminderung des Verbrauchs fossiler Energieträger anzustreben und dafür klare Instrumente und Grenzen der Machbarkeit aufzuzeigen, ist aus unserer Sicht ein gangbarer Weg. Die Möglichkeit zum Verzicht auf fossile Energieträger, muss somit vor dem Hintergrund der technischen Machbarkeit, der wirtschaftlichen und sozialen Tragbarkeit sowie der Sicherheit des Landes und dem Schutz der Bevölkerung gesehen werden. Unter Sicherheit des Landes verstehen wir explizit auch die Versorgungssicherheit der Schweiz mit Energie. Diese ist sowohl für die Gesellschaft, als auch für die Wirtschaft, essentiell.
Explizit befürworten wir die Einrichtung von Treibhausgassenken, um eine ausgeglichene Bilanz der Treibhausgasemissionen in 2050 realisieren zu können. Diese Massnahme, die zwingend Senken im In- und Ausland einschliessen muss, hat aus unserer Sicht grosses Potenzial und stellt einen Lösungsansatz dar, der am Markt umgesetzt werden kann. Die Festschreibung des Stichjahrs von 2050 erachten wir als wesentlich, um die auch von den Initianten postulierte Planungssicherheit für Unternehmen herstellen zu können. Wir fordern daher, das Wort «spätestens» in Absatz 3 des Gegenentwurfs zu streichen.
An dieser Stelle muss zudem darauf hingewiesen werden, dass sich durch die ambitionierten Klimaziele der Schweiz und deren gesetzliche Verankerung für die Unternehmen der Schweiz Nachteile im internationalen Wettbewerb ergeben können. Es ist daher unabdingbar, ein stetiges Monitoring über die Konkurrenzfähigkeit der hiesigen Unternehmen zu führen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen. Dies, um im Sinne der wirtschaftlichen Tragbarkeit zu intervenieren, sollten die Massnahmen zur Erreichung der Klimaziele die hiesigen Unternehmen unverhältnismässig stark belasten.
Unklar ist was im Initiativtext sowie im direkten Gegenentwurf des Bundesrats mit «sicheren» Treibhausgassenken gemeint ist. So könnte beispielsweise ein Wald als natürliche Senke als nicht sichere Treibhausgassenke gesehen werden, da dieser unkontrolliert abbrennen könnte, wodurch das gespeicherte CO2 freigesetzt werden würde. Aus unserer Sicht, muss eine Senke in erster Linie zuverlässig sein, d.h. ohne Einwirkung unvorhersehbarer Einflüsse (bspw. einem unbeabsichtigten Waldbrand) das CO2 in bekanntem Umfang speichern können. Gesichert, d.h. z.B. auch gesetzlich oder raumplanerisch gesichert, müssen die Senken sein, damit diese CO2 dauerhaft ausgleichen können. Wir fordern daher von «zuverlässigen und gesicherten» Treibhausgassenken zu sprechen.
Wir befürworten es, die Instrumente mit denen das «Netto-Null Ziel» erreicht werden soll, nicht vorwegzunehmen. Für die Unternehmen ist jedoch zentral, dass sie bei der Umsetzung grösstmögliche Flexibilität haben. Wir fordern daher, den Grundsatz «Anreiz vor Zwang» in Absatz 4 des Gegenentwurfs aufzunehmen, um marktwirtschaftliche und liberale Ansätze zu priorisieren.
In der Ausführungsgesetzgebung muss der Bundesrat die bereits bestehenden Instrumente zur Verminderung von CO2-Emissionen berücksichtigen. Insbesondere das Verhältnis von gegebenenfalls neuen Massnahmen muss mit dem Schweizer Emissionshandelssystem, welches seit 1. Januar 2020 mit jenem der EU verknüpft ist, geklärt werden. Die Festschreibung eines linearen Absenkpfads lehnen wir ab. Ein solcher ist nicht zielführend, da er die Anwendung von Technologien unnötig einschränken würde.