Stellungnahmen zu den Grossratssitzungen vom 20. und 27. Oktober 2021
Die Handelskammer beider Basel nimmt zu diversen Traktanden der Grossratssitzungen vom 20. und 27. Oktober 2021 Stellung.
Traktandum 12: Legislaturplan des Regierungsrates 2021 bis 2025
Der Legislaturplan des Regierungsrates formuliert viele wichtige Anliegen für die kommenden Jahre und nimmt mit den Schwerpunkten Pandemiebewältigung, Digitalisierung und Klimaschutz drei Themen auf, die für die nächsten Jahre von zentraler Bedeutung sein werden. Enttäuscht nimmt die Handelskammer zur Kenntnis, dass für die Wirtschaft zentrale Anliegen – im Gegensatz zu früheren Legislaturplänen – nicht mehr als Ziele formuliert werden. So finden beispielsweise im ersten Ziel (Standortattraktivität langfristig sichern) die Steuern keine Beachtung. Dabei ist eine Entlastung für Fachkräfte in unserem Kanton zwingend und mit Blick auf die internationalen Entwicklungen (OECD-Standards) gilt es für den Kanton klare Ziele zu formulieren. Im Themendossier Kantonsfinanzen Basel-Stadt hat die Handelskammer beider Basel wichtige Forderungen zur Basler Finanz- und Steuerpolitik formuliert. Ebenfalls fehlen klare Ziele und Massnahmen, wie im Bildungsbereich Defizite aufgeholt werden können, so dass der Kanton bei künftigen Rankings nicht mehr an 26. Stelle der Kantone rangiert. Auch nicht berücksichtigt im Legislaturplan sind wichtige Infrastrukturprojekte, die im Legislaturplan 2017-2021 von grosser Bedeutung waren und unter Punkt 5 «Der Kanton Basel-Stadt ist bestens erreichbar» zusammengefasst wurden. Dazu gehören beispielsweise der perspektivische Ringschluss der Autobahn um Basel oder der Zubringer Bachgraben. Auch das formulierte Commitment zum Herzstück fällt überraschenderweise weniger deutlich aus als im vorhergehenden Legislaturplan. Weiter finden die Aussenbeziehungen des Kantons, die vor vier Jahren noch ein Hauptthema waren und nach wie vor von grosser Wichtigkeit sind, kaum Beachtung. Insgesamt stellt die Handelskammer beider Basel fest, dass in der Erarbeitung des Legislaturplans 2021-2025 – im Vergleich zu früher, wesentlich weniger darauf geachtet wurde, wie in unserer Region Wohlstand entsteht. Für den Erhalt des Wohlstandes sind die wirtschaftlichen Standortfaktoren entscheidend. Diesen Faktoren gilt es auch in Zukunft Beachtung zu schenken.
Wir empfehlen, den Legislaturplan zur Kenntnis zu nehmen.
Traktandum 14: Bericht der Umwelt-, Verkehrs- und Energiekommission zum Ratschlag betreffend Ausbau der leitungsgebundenen Wärmeversorgung durch die IWB Industrielle Werke Basel sowie zum Bericht zur Motion Dominique König-Lüdin und Konsorten betreffend Ausbau Fern- und Nahwärme
Wir befürworten den Ausbau des Fernwärmenetzes in Basel-Stadt grundsätzlich und haben uns auch im Rahmen des Teilrichtplans Energie dafür ausgesprochen. Hierbei haben wir auch darauf hingewiesen, dass das strategische Gasnetz erhalten und entsprechend unterhalten werden muss. Diese explizite Differenzierung fehlt in der Vorlage leider. Grüner Wasserstoff und daraus gewonnenes synthetisches Gas können eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung des Energieeinsatzes spielen. Doch auch für diese emissionsarmen oder sogar -freien Energieträger müssen Infrastrukturen zur Verfügung stehen. Das strategische Gasnetz muss daher unter allen Umständen erhalten bleiben.
Wir bitten Sie den Beschlussentwurf der Regierung anzunehmen.
Traktandum 32.4: René Brigger und Konsorten betreffend Definition preisgünstiger Wohnungsbau und Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für Bebauungspläne
Die Motion fordert, den Begriff „preisgünstiger Wohnungsbau" zu definieren und diese Definition in das Bau- und Planungsgesetz (BPG) aufzunehmen. Der Richtplan des Kantons sieht bereits heute vor, dass bei der Entwicklung neuer Wohnbaugebiete ein Drittel preisgünstiger Wohnraum entstehen soll. Gemäss Zahlen des Bundesamts für Statistik steht der Kanton Basel-Stadt mit einem Anteil von über 10 Prozent gemeinnützigen Wohnungen schon jetzt schweizweit an der Spitze. Es ist davon auszugehen, dass die Definition von „preisgünstigem Wohnraum" strikt ausfallen würde und somit im Rahmen von Bebauungsplänen die notwendige Flexibilität bei der Umsetzung von sozialen Zielen des Wohnungsbaus im Einklang mit berechtigten Interessen der Investoren fehlen würde. Weitere Einschränkungen der unternehmerischen Freiheit zusammen mit den stark eingeschränkten Renditemöglichkeiten würden Investoren abschrecken und auch auf planerischer Seite entwicklungshemmend wirken. Davon wären aber nicht ausschliesslich die zur Wohnnutzung vorgesehenen Parzellen betroffen, sondern die gesamte Arealentwicklung, also auch solche für Arbeitstätigkeiten. Hochwertige und bezahlbare Wirtschaftsflächen sind aber ein wichtiger Erfolgsfaktor für den Wirtschaftsstandort Basel und eine geringere Verfügbarkeit und Qualität solcher Flächen hätte direkte Auswirkungen auf den Wohlstand des Kantons.
Wir bitten Sie, die Motion nicht zu überweisen.
Traktandum 33.1: Anzug Michela Seggiani und Konsorten betreffend Einsetzung einer regierungsrätlichen Klimakommission in Basel-Stadt
Der Anzug fordert die Einsetzung einer regierungsrätlichen Kommission, welche dem Regierungsrat themenspezifisch beratende Unterstützung in Klimathemen leisten soll. Eine solche Kommission hat allerdings nicht nur eine beratende Funktion, sondern soll auch unabhängig vom Parlament, also der Volksvertretung, in Klimabelangen agieren dürfen. Seit sich der Kanton Basel-Stadt im Klimanotstand befindet, verfügt dieser bereits über eine parlamentarische Klimakommission. Die Handelskammer beider Basel lehnt die Einsetzung einer regierungsrätlichen Klimakommission ab. Nicht nur, weil mit dem Klimanotstand und der parlamentarischen Klimakommission bereits ein grosses Gewicht auf dieser wichtigen Thematik liegt. Mit der parlamentarischen Klimakommission wurde bereits ein Gremium mit gewählten Volksvertretern geschaffen, welches sich den Themen angenommen hat.
Wir bitten Sie, die den Anzug nicht zu überweisen.
Traktandum 33.10: Michael Hug und Tobias Christ betreffend freiwillige Abgabe auf Flugtickets und CO2-Reduktionen am EAP fördern
Der EuroAirport verkündete am 5. Oktober 2021 seine Partnerschaft mit der Plattform myclimate. Interessierten Personen ist es möglich den CO2-Fussabdruck eines Fluges ab dem EuroAirport sowie den notwendigen Betrag zur Kompensation mit geringem Aufwand zu ermitteln. Der Rechner ist auf der Website des Flughafens verlinkt. Dieses Angebot ermöglicht die freiwillige Kompensation von CO2-Emissionen durch Flüge und entspricht damit dem im Anzug angeregten Ansatz. Zu betonen ist ausserdem, dass die grösste am EuroAirport tätige Passagier-Airline EasyJet bereits seit rund zwei Jahren sämtliche CO2-Emissionen ihrer Flüge freiwillig kompensiert.
Wir bitten Sie den Anzug nicht zu überweisen.
Traktandum 35: Motion der UVEK betreffend einen raschen Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos in Basel-Stadt
Die Handelskammer beider Basel unterstützt die Förderung von Ladestationen für E-Mobilität grundsätzlich. Die sehr umfassenden Forderungen der Kommissionsmotion betreffend eines raschen Ausbaus der Ladeinfrastruktur in Basel-Stadt beurteilen wir jedoch als übereilt und lehnen sie daher ab. Für einen so umfassenden Ausbau muss vorab eine Bedürfnisanalyse durchgeführt werden. Des Weiteren muss die Technologieneutralität weiterhin gewahrt bleiben. So setzen unsere Nachbarländer und vermehrt auch der Bund auf Wasserstoff als möglichen Speicher von Strom aus erneuerbaren Energien. Autos, die mittels Brennstoffzelle betrieben werden, und auf Wasserstoff als Antrieb angewiesen sind, existieren bereits. Auch die Möglichkeit «grünen Wasserstoff» zu synthetischem Kraftstoff weiterzuverarbeiten und ebenfalls CO2-neutral im Bereich des Individualverkehrs einzusetzen, existiert bereits. Es ist aus heutiger Sicht unklar, ob sich letztlich eine Antriebstechnologie durchsetzen wird oder ob es langfristig beide Antriebe (oder weitere) geben wird. Es gilt daher, bei den Fördermassnahmen nicht einseitig auf den batterieelektrischen Antrieb zu setzen und ein Überangebot zu schaffen.
Wir bitten Sie, die Motion dem Regierungsrat als Anzug zu überweisen.
Traktandum 49: Anzug betreffend Pilotversuch mit Mobility Pricing in Basel-Stadt
Die Antwort des Regierungsrates auf den Anzug von David Wüest-Rudin und Konsorten betreffend Pilotversuch mit Mobility Pricing in Basel-Stadt skizziert das Projekt «Basel Flow-Taxe». Dieses ist – anders als von der Handelskammer beider Basel gefordert und vom federführenden Bundesamt für Strassen beabsichtigt – lediglich auf den MIV und nicht auf den öffentlichen Verkehr ausgelegt. Ein reines «Road Pricing-Modell» verspricht dabei einen geringen Erkenntnisgewinn, da somit nicht sämtliche Verkehrsträger aus der ursprünglichen Simulationsstudie in die empirische Anwendung einbezogen werden. Zudem fokussiert das Projekt ausschliesslich auf die Stadt Basel, obwohl die Auswirkungen auf die Gesamtregion umfassend wären. Um den Ansatz des Mobility Pricings unter realitätsnahen Bedingungen empirisch zu untersuchen, sollte daher das Umland als funktionaler Raum, d.h. kantons- und länderübergreifend, in den Untersuchungsperimeter eingeschlossen werden. Für das Pilotprojekt muss daher die regionale Zusammenarbeit mit den Nachbarkantonen sowie dem südbadischen Raum und dem Elsass, beispielsweise im Rahmen des Agglomerationsprogramms Basel, gesucht werden. In der vorliegenden Form können wir das Projekt «Basel Flow-Taxe» nicht unterstützen.
Wir bitten Sie, den Anzug abzuschreiben.
Traktandum 70: Stellungnahme des Regierungsrates zur Motion Edibe Gölgeli und Konsorten betreffend Offenlegung der Finanzierung von Parteien und Wahl- und Abstimmungskomitees
Als Wirtschaftsverband ist der Handelskammer beider Basel Transparenz wichtig. Transparenz ist jedoch kein Selbstzweck. Sie dient dazu Informationen offenzulegen, die für den Informationsempfänger relevant sind. Sie darf dabei aber nicht zur Scheintransparenz verkommen. So wird den Wahl- und Stimmberechtigten beispielsweise ein falsches Bild vermittelt, wenn nur ein Teil der Informationen über Politikfinanzierung offengelegt wird. Wie der Bundesrat in seiner Botschaft zur nationalen Transparenz-Initiative festgehalten hat, bietet eine Offenlegung der Finanzierung von Abstimmungs- und Wahlkämpfen keinen wesentlichen Mehrwert. Die Handelskammer teilt diese Haltung. Beschränken sich die Transparenzregelungen auf Einnahmen und Zuwendungen, wird ein wesentlicher Teil der Politikfinanzierung ausser Acht gelassen. So plädieren Wirtschaftsverbände immer wieder dafür, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden die notwendigen Freiräume zur Verfügung stellen, um ein politisches Amt auszuüben. Und gerade Interessenverbände und Gewerkschaften – aber auch der Staat selbst - stellen ihren Mitarbeitenden häufig Zeit und Infrastruktur für ein politisches Amt zur Verfügung. Nimmt man Transparenz ernst und will man verhindern, dass ein falsches Bild der Politikfinanzierung vermittelt wird, müssten auch diese Leistungen erfasst und offengelegt werden. Dies würde es für Arbeitgeber jedoch deutlich unattraktiver machen, ihren Mitarbeitenden Zeit oder Infrastruktur für ihr politisches Engagement bereitzustellen. Die Folge wären enorme Abgrenzungsprobleme und grosse bürokratische Aufwände. Die eingangs der Motion erwähnten Berichte, die die Schweiz mit anderen Ländern vergleichen, sind nicht statthaft. In vielen europäischen Ländern, wie z.B. Deutschland und Frankreich, sind die politischen Parteien zu grossen Teilen staatlich finanziert. Damit befinden sich die dortigen Parteien in einer kritischen finanziellen Abhängigkeit zum Staat, obwohl eine ihrer Hauptfunktionen dessen Kontrolle ist. Das politische System der Schweiz baut ganz wesentlich auf dem Milizprinzip auf. Die vorgeschlagene Regelung würde zwangsläufig einen beträchtlichen Verwaltungsaufwand und erhöhte Kosten verursachen. Abgrenzungsprobleme sind bereits jetzt absehbar. Ehrenamtlich engagierte Milizpolitikerinnen und -politiker müssten sich deshalb in ihrer Freizeit vermehrt mit unnötiger Bürokratie beschäftigen, statt ihre Zeit ihrer politischen Tätigkeit widmen zu können. Es ist offensichtlich, dass dies zu einem Verdruss führt, der den Mangel an Milizpolitikerinnen und -politikern weiter verschärfen wird. Die Handelskammer lehnt aus diesen Gründen die Motion auch weiterhin ab. Eine allfällige Transparenz-Regelung müsste sich klar an den neuen bundesrechtlichen Regelungen orientieren, um eine möglichst einheitliche und einfache Umsetzung zu gewährleisten.
Wir bitten Sie, die Motion nicht zu überweisen.