Raumentwicklung ist Wirtschaftsentwicklung
Wirtschaft braucht Raum. Doch wie können Flächen rascher verfügbar gemacht werden? Was sind Erfolgsfaktoren bei der Arealentwicklung und wie können wir diese stärken? Darüber diskutierten an unserem zweiten Fachkongress «Zone Zukunft» über 150 Gäste mit Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Das Ergebnis: Für eine nachhaltige Raumentwicklung braucht es schlankere und flexiblere Planungsprozesse, überregionale Zusammenarbeit, mehr Kompromissbereitschaft und vor allem die Partizipation aller Beteiligten. Zur Fotogalerie.
Bei der Transformation von Arealen muss heute verschiedenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedürfnissen Rechnung getragen werden. Insbesondere gemischte Nutzungen stellen die Raumplanung vor Herausforderungen – unterschiedliche Ansprüche werden häufig zum Bremsschuh anstatt zum Motor. Wie mehr Dynamik in die Raumentwicklung kommt und der Wirtschaft mehr Platz geboten werden kann, das diskutierten Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung am zweiten Fachkongress «Zone Zukunft». 150 Gäste zeigen: Die Relevanz des Themas ist gross.
Einmaliges Entwicklungspotenzial in der Region
Die Stadt Basel und ihre Agglomerationen sind im Wandel. Allein im städtischen Raum werden aktuell 220 ha Fläche entwickelt. Das entspricht rund 8,3 Prozent der kantonalen oder 10,6 Prozent der städtischen Siedlungsfläche Basels. «Unsere Region hat ein einmaliges Entwicklungspotenzial. Wir können es aber nur mit zukunftsfreundlichen Konzepten und attraktiven Rahmenbedingungen für die Wirtschaft voll ausschöpfen. Dafür setzt sich die Handelskammer beider Basel konsequent ein», betonte Martin Dätwyler, Direktor Handelskammer beider Basel, eingangs.
Strukturwandel stellt neue Bedürfnisse an den Raum
Sei es die Digitalisierung oder neue Arbeitsformen – die Raumentwicklung muss zahlreiche Faktoren berücksichtigen, damit sich Areale erfolgreich entwickeln können, stellte Johannes Senn, CEO Senn Resources AG, fest. Für Keynote-Speaker Marco Salvi, Senior Fellow und Forschungsleiter Chancen-Gesellschaft Avenir Suisse, zeichnen sich in der Schweiz mehrere Trends ab: Die Siedlungsfläche wächst seit den 2'000er Jahren weniger stark als die Raumnutzer – das zeige ganz klar, dass die geforderte Verdichtung stattfindet. Zugleich führe aber eine verfehlte Wohnpolitik zu mehr Objekt- anstatt Subjekthilfe und einem Lock-in-Effekt, was diese Tendenz hemmt.
Ohne Städte keine Wirtschaft
«Unternehmen bevorzugen urbane und zentrale Lagen, da sie hier sowohl ihren Markt als auch ihre Mitarbeitenden finden», so Salvi weiter. Das fördere sogenannte «urban villages», in denen man arbeitet und wohnt und eine Fragmentierung der Arbeitswelt. Zudem steige die Lebensqualität in den Städten weiter, was den Zuzug fördere. Vor diesem Hintergrund fungieren Städte für Salvi als Innovationsmotoren: «Ohne Städte gibt es in der Schweiz keine Wirtschaft.» Am Beispiel Japans zeichne sich eine weitere klare Tendenz ab: «Die Alterung der Gesellschaft führt dazu, dass grosse Städte weiter wachsen. Eine sinnvolle Verkehrspolitik und ein Ausbau des ÖV sind daher zentral für die weitere Entwicklung.»
Erreichbarkeit als Standortvorteil
«Eine gute und leistungsfähige Erschliessung ist zentral für die Entwicklung von Arealen», betonte auch Sebastian Deininger, Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt Handelskammer beider Basel, am Eingang der Diskussionsrunde mit Maria Lezzi, Direktorin Bundesamt für Raumentwicklung, den Kantonsplanern Beat Aeberhard (BS) und Thomas Waltert (BL) sowie Lisa Euler, Gruppenleiterin Stadtentwicklung und Raumplanung Gemeinde Allschwil, und Victor Holzemer, Senior Consultant Jermann Ingenieure + Geometer AG. Ein aktuelles Beispiel dafür ist der geplante Zubringer Bachgraben, der nun nicht wie gefordert ins 4. Agglomerationsprogramm aufgenommen wurde und damit auf Eis liegt.
Einigkeit herrschte auch darüber, dass für eine weiterhin gute Erreichbarkeit der Region, die bestehenden Verkehrsprojekte wie der Rheintunnel engagiert vorangetrieben werden müssen. Lezzi nannte eine nachhaltige Verkehrspolitik als zentrales Instrument einer nachhaltigen Wirtschaftsförderung und betonte, dass der Bund bei der Siedlungsentwicklung den Fokus verstärkt auf das Zusammenspiel unterschiedlicher Verkehrsträger lege. Die Raumpolitik des Bundes sei lösungsorientiert und pragmatisch und sehe im Rahmen von Experimentierflächen auch Freiräume bei der Entwicklung vor.
Mitwirken der Wirtschaft gefordert
Auch auf Kantonsebene besteht Bereitschaft, die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu verbessern, erläuterten Waltert und Aeberhard. Das starke Arbeitsplatzwachstum führe jedoch dazu, dass die Politik bei der Raumentwicklung Wohnraum besonders ins Zentrum stellt. Um die Bedürfnisse der unterschiedlichen Nutzer zu kennen, sei die Mitwirkung aller Beteiligten gefordert. Vor allem die Wirtschaft müsse die Möglichkeiten zur Partizipation verstärkt nutzen und sich aktiv einbringen. Deininger entgegnete darauf, dass es bislang keine strukturierten und transparenten Mitwirkungsprozesse seitens der Kantone gebe, in denen sich die Wirtschaft und andere Stakeholder einbringen könnten. Euler verwies hierbei auf das von der Gemeinde Allschwil installierte Verkehrsmanagement, welches gemeinsam mit den Unternehmen am Bachgraben erarbeitete, nachhaltige Lösungen enthält. Das seien neben einer guten Erreichbarkeit auch adäquate Versorgungsmöglichkeiten, Freizeitangebote und genügend Wohnraum.
Auch Holzemer nannte Mitwirkung als wichtigstes Element in der Raumentwicklung. Denn wenn der Mehrwert eines Projekts allen Betroffenen klar ist, sei die Akzeptanz grösser. Das zeige sich etwa am Beispiel von uptownBasel: «Die grosse Kunst der Raumplanung ist es, die regionalen Unterschiede zu berücksichtigen und die späteren Nutzerinnen und Nutzer zu kennen. Da das häufig aber nicht der Fall ist, braucht es ein möglichst offenes Gefäss und Flexibilität.» Das Podium endete mit der Absicht der Akteure, insbesondere im Bereich der Experimentierflächen in beiden Basel enger zusammenzuarbeiten.
Räume im steten Wandel
Effektive Planungs- und Genehmigungsverfahren sind auch den Wirtschaftsdirektoren Thomas Weber (BL) und Kaspar Sutter (BS) ein wichtiges Anliegen. Um Vorhaben voranzutreiben, würden die Behörden den Ermessensspielraum bereits nutzen. Komplexe Vorhaben mit mehreren Eigentümern, Entwicklern, Investoren und Nutzern bräuchten naturgemäss aber mehr Zeit. «Wichtig sind bei der Arealentwicklung Planungspartnerschaften, die die Interessen der privaten Investoren und der Öffentlichkeit mitberücksichtigen», so Sutter. Weber stiess ins selbe Horn: «In der Kantonspolitik steht Vernetzung im Vordergrund. Ein enger Austausch ist wichtig, um Bedürfnisse aufeinander abzustimmen und eine breite Akzeptanz zu erreichen.» Mit der Standortförderung habe man ein wichtiges Instrument geschaffen, um freie und erschliessbare Flächen nachhaltig zu entwickeln.
Überregionaler Fokus und Kompromissbereitschaft
Abschliessend diskutierten Alt-Ständerätin Anita Fetz, Verwaltungsrätin Rhystadt AG, Tanja Herdt, Professorin für Städtebau OST, Thomas Huber, CEO SKAN Group, Josef Jäger, CEO Camion Transport AG, und Roger Wehrli, Stv. Leiter allgemeine Wirtschaftspolitik & Bildung bei economiesuisse, über die Bedürfnisse der Wirtschaft in der Raumplanung.
Huber zeigte sich in der Diskussion hinsichtlich der Zusammenarbeit mit den Behörden grundsätzlich zufrieden: «Für uns haben die Standortförderer tatsächlich den roten Teppich ausgerollt.» Bei der Erreichbarkeit sieht jedoch auch er ein zunehmendes Hindernis. Ein Drittel der rund 700 Mitarbeitenden pendelt aus dem Elsass an den SKAN-Hauptsitz in Allschwil. Diese stehen jeweils auf dem letzten Kilometer im Stau. Und dies bereits heute. Dabei werden 6'000 zusätzliche Arbeitsplätze im Bachgrabenareal erwartet. Der CEO des erfolgreichen Medtech-Unternehmens regte deshalb an, eine genügende Anzahl Parkplätze direkt im nahen Frankreich zu errichten.
Für Josef Jäger wird jeweils kein roter Teppich ausgerollt. «Die Logistik wird oft als heisse Kartoffel weitergereicht», sagt der Chef des Transportunternehmens, welches rund 1400 Mitarbeitende beschäftigt. Damit die Logistik weiterhin ihre wichtigen Querschnittsdienstleistungen anbieten kann, fordert er daher, dass auch für diese Branche genügend Flächen zur Verfügung gestellt werden.
Um den verschiedenen Herausforderungen zu begegnen, brauche es neben einem intensiven Austausch mit allen Betroffenen eine verstärkte überregionale Zusammenarbeit und vor allem auch Kompromissbereitschaft von allen Seiten, so das Fazit des Wirtschaftspodiums.
Gemeinsam Lösungen finden
«Nur, wenn die Wirtschaft ausreichend und attraktiven Raum hat, kann sie nachhaltig wachsen und gedeihen», hielt Martin Dätwyler abschliessend fest: «Wir müssen gemeinsam Lösungen finden, die eine Entwicklung zulassen und Nachhaltigkeit ermöglichen. Es gilt die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern, alle Stakeholder aktiv einzubinden und Reglementierungen und Abläufe zu hinterfragen. Denn Raumentwicklung ist auch Wirtschaftsentwicklung.»