Wie sicher ist unser Strom?

21.05.2021

Strom gewinnt für unsere Volkswirtschaft immer mehr an Bedeutung. Der Stromverbrauch steigt stetig an. Umso wichtiger ist es, dass die Stromversorgung zu jeder Zeit sichergestellt ist. Besonders während des Winterhalbjahres, in dem die Schweiz auf Stromimporte angewiesen ist, zeichnen sich durch die internationalen Entwicklungen jedoch Mangellagen ab. Wir fordern Politik und Behörden auf, Massnahmen zu ergreifen, um einen drohenden Versorgungsengpass zu vermeiden.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz schätzt es als Top-Risiko ein – noch vor einer Influenza-Pandemie oder dem Ausfall des Mobilfunks: Die Rede ist von einer drohenden Stromknappheit im Winter. Denn die Abhängigkeit von Strom hat in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen und wird durch die Elektrifizierung der Mobilität, des Wärme- und Kältebedarfs sowie der Industrieprozesse weiter ansteigen.

Jetzt handeln

«Wir müssen jetzt handeln, damit Morgen nicht nur bei Privathaushalten die Lichter anbleiben, sondern auch die Produktion von sensiblen Gütern wie Medikamenten nicht gefährdet ist», so Martin Dätwyler, Direktor Handelskammer beider Basel. «Eine zuverlässige, nachhaltige und bezahlbare Energieversorgung ist Grundvoraussetzung für die Bevölkerung und die Unternehmen der Schweiz. Aufgrund internationaler Entwicklungen im Strommarkt ändern sich jedoch auch die Vorzeichen für Stromimporte und damit für die Versorgung der Schweiz. Wir haben gemeinsam mit den Fachleuten unserer Energie- und Umweltkommission genauer hingesehen und Forderungen ausgearbeitet, damit der Strom in der Schweiz und der Region Basel sicher bleibt», so Dätwyler weiter.

Stromimporte – Abhängigkeit der Schweiz vom Ausland

Der Fokus der Handelskammer richtet sich dabei auf die Versorgungslage mit Strom im Winter. Heute wird der Strombedarf teilweise mit Importen aus dem benachbarten Ausland sichergestellt. Von Oktober bis März importiert die Schweiz unter dem Strich mehr Strom, als sie exportiert. Die Schweiz ist somit abhängig von Stromüberschüssen der Nachbarländer Deutschland, Frankreich, Italien oder Österreich. Diese bewegen sich allerdings aus Klima- und Naturschutzgründen ebenfalls vermehrt weg von fossilen und nuklearen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien.

«Der Umbau der Energiesysteme sowie der Kraftwerkparks in den umliegenden Ländern, allen voran Deutschland und Frankreich, könnten dazu führen, dass diese künftig während der Wintermonate keine ausreichenden Stromüberschüsse mehr produzieren, welche die Schweiz importieren kann», erläutert Dr. Sebastian Deininger, Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt bei der Handelskammer beider Basel. Stromimporte könnten zudem aufgrund des Wegfalls der Kernenergie mit höheren CO2-Emissionen verbunden sein. Unabhängig von der eigenen Energiestrategie ergeben sich somit für die Schweiz Unsicherheiten bei der Versorgung mit Strom.

Bedeutung der Versorgungssicherheit für die Schweiz und die Region Basel

Diese Entwicklungen werfen einige Fragen bezüglich des zukünftigen Strombedarfs, neuen Technologien und der Position der Schweiz im europäischen Stromnetz auf. Es zeigt, wie weitreichend das Thema Sicherheit der Stromversorgung ist. «Eine zuverlässige und bezahlbare Stromversorgung ist zentral, damit die Unternehmen international wettbewerbsfähig sind und ihren Beitrag an den Wohlstand der Schweiz weiterhin erbringen können», erläutert Dr. Guido Zimmermann, CEO GETEC PARK SWISS AG. Kaum an einem anderen Ort wird deutlicher wie entscheidend eine stabile Stromversorgung für Unternehmen ist als im Getec Park in Muttenz, ehemals Infrapark Baselland AG. «Unsere Kunden verlassen sich auf uns als Parkbetreiber, dass wir die benötigte Energie zu jeder Zeit zur Verfügung stellen können», betont Zimmermann.

Gerät die Schweiz ins Hintertreffen?

Die Schweiz ist Teil der kontinentaleuropäischen Synchronzone: einem der grössten Netzgebiete der Welt. «Auf technischer Ebene funktioniert die Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern gut», betont Yves Zumwald, CEO der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid AG. «Die Schweiz ist aber zunehmend aus wichtigen Prozessen ausgeschlossen und steht entsprechend isoliert da», fügt Zumwald an. Hauptgrund dafür ist das fehlende Stromabkommen mit der EU. «Angesichts der zögernden Haltung der Schweizer Aussenpolitik verschärft die EU den Druck auf den Abschluss eines Rahmen- bzw. Stromabkommens; so ist die Teilnahme von Swissgrid an den Regelenergieplattformen und den ab 2022 etablierten europäischen Kooperationsmechanismen stark gefährdet», erläutert Zumwald.

Sicher in die Stromzukunft – Lösungsansätze

Um allfällige akute oder mittelfristige Mangellagen beim Strom möglichst zu verhindern, müssen gezielt mehr Produktionskapazitäten im Winter bereitgestellt werden. Bund und Kantone sollen Pilotprojekte für Wasserstoff, insbesondere «grünen» Wasserstoff, als Speichermöglichkeit für Strom prüfen und umsetzen. Handlungsbedarf gibt es neben den Technologien und den Infrastrukturen aber auch bei übergeordneten Themen. «Das Stromabkommen mit der EU soll rasch finalisiert und ratifiziert werden. Dabei muss auch die Einbindung der Schweiz in einen internationalen Solidaritätsmechanismus bei Strommangellagen thematisiert und festgeschrieben werden. Um dies zu erreichen, muss beim Rahmenabkommen Klarheit hergestellt werden», betont Dätwyler. Diese Meinung teilt auch Kurt Lanz, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Infrastruktur, Energie & Umwelt economiesuisse: «Eine vollständige Marktöffnung ist ein wichtiger nächster Schritt. Sie liegt nicht nur im Interesse der Endkunden, welche dadurch eine Wahlmöglichkeit erhalten, sondern auch im Interesse des Wirtschaftsstandortes Schweiz und dessen Versorgungssicherheit», betont Lanz.

Die ausführliche, aber keineswegs abschliessende Liste an Forderungen der Handelskammer beider Basel muss umgesetzt werden, damit die Versorgungssicherheit mit Strom auch in Zukunft erhalten bleibt. «Hierbei fokussieren wir auf liberale und marktnahe Lösungsansätze», meint Deininger. «Wir fordern die zuständigen Akteure auf, entsprechende Massnahmen einzuleiten. Für die Konkretisierung geeigneter Massnahmen sowie deren Umsetzung stehen wir gerne unterstützend zur Verfügung.»

Themendossier: Sicher in die Stromzukunft

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