Mit nachhaltigen Lieferketten erfolgreich
Massnahmen im Klimaschutz oder keine Kinderarbeit – nachhaltige Lieferketten verbessern die Arbeitsbedingungen bei Produzenten und stärken die Geschäftsposition und Beziehung zum Kunden. Pierre Strub, Leiter amfori Schweiz und Speaker an unserem Fachkongress «Radar Aussenwirtschaft», über Herausforderungen und Chancen sowie Instrumente zur Umsetzung.
Herr Strub, amfori unterstützt Unternehmen dabei, ihre Beschaffung möglichst nachhaltig und sozial verträglich zu gestalten. Was bedeutet das konkret?
Unser Verband wurde von Unternehmen gegründet, die gemeinsam den Handel und die Beschaffung nachhaltiger gestalten wollen. Daraus entstanden Angebote wie die Business Social Compliance Initiative (BSCI) oder die Business Environmental Performance Initiative (BEPI). Firmen erhalten damit Arbeitsinstrumente zu Menschenrechten und Arbeitsbedingungen sowie zu den drängenden Umweltthemen (wie Klimaschutz). Mit diesen können sie zum Beispiel hinsichtlich Kinderarbeit, fairen Anstellungsbedingungen oder Klimaschutz Risiken besser abschätzen, Produzenten überwachen und zusammen mit den Produzenten die Situation und die Lieferketten verbessern. Dies alles erfolgt mit einem standardisierten Verhaltenskodex, auf einer gemeinsamen IT-Plattform, mit weltweit anerkannten Audits und Schulungen. Das System folgt den Responsible Business Guidelines der OECD und weiteren Normen.
Weshalb sollten sich alle Unternehmen mit nachhaltigen Lieferketten auseinandersetzen?
Arbeitsbedingungen oder Klimaschutz sind Themen, die hauptsächlich in den Lieferketten hohe negative Effekte zeigen – und dies wird für Kunden immer wichtiger. Für die Unternehmen bieten sich daher viele Vorteile, genauer hinzusehen: Klarheit über die eigene Nachhaltigkeitsleistung, bessere Beziehungen zu Produzenten, mehr Kontrolle und Verbesserungsmöglichkeiten und oft auch Wettbewerbsvorteile, da Geschäftskunden mehr Wert auf nachhaltige Lieferketten legen. Aber natürlich kommt nun auch vermehrt die Einhaltung der neuen Gesetzgebungen zur Sorgfaltspflicht dazu – diese werden von den direkt betroffenen Unternehmen auch bei den Lieferanten und kleineren Unternehmen zunehmend eingefordert.
Was sind typischerweise die grössten Hürden bei der Umsetzung? Und wie schaffen es auch kleinere Unternehmen, Ihre Lieferanten und Kunden beim Thema Nachhaltigkeit einzuspannen?
Für die meisten KMU ist es einerseits schwierig, zu verstehen, wo sie Prioritäten setzen sollen. Zudem ist es nicht einfach, einen Produzenten in Fernost zu motivieren, unseren mitteleuropäischen Verhaltenskodex umzusetzen oder CO2 zu reduzieren – wir nehmen ja oft nur einen Bruchteil der Produktion ab und sind somit allein nicht geschäftsrelevant. Durch das gemeinsame Auftreten mit anderen ergibt sich eine stärkere Position. Unsere Mitglieder nutzen dies im Verband beziehungsweise in der Anwendung der gleichen Standards. Viele Produzenten sehen es ihrerseits als Vorteil, anerkannte Standards umzusetzen und wissen um die stärkere Geschäftsposition oder auch bessere Beziehung zum Kunden, die daraus entsteht. Und zu guter Letzt müssen die Produzenten weniger Audits und Standards berücksichtigen, wenn viele Unternehmen die gleichen nachfragen. Das reduziert auf beiden Seiten den Aufwand.
Nicht verpassen: Fachkongress «Kompass Basel»
Unser neuer Fachkongress «Radar Aussenwirtschaft» am 22. November 2024 bietet Unternehmen in stürmischen Aussenhandelszeiten Orientierung. An unserer ersten Ausgabe fragen wir: Wie kann ich meine Lieferketten nachhaltig gestalten und dabei neue Chancen schaffen und nutzen? Ist meine Firma von den neuen Sorgfaltspflichten betroffen? Und wie kann mein Unternehmen von Freihandelsabkommen profitieren? Erfahren Sie ausserdem, wie Sie Exportrisiken versichern und damit neue Marktchancen nutzen können.
Die staatliche Regulierung der Lieferketten nimmt zu. Was wünschen Sie sich von der Politik, damit Unternehmen diese Vorgaben möglichst effizient umsetzen können?
Unternehmen sind wichtige Akteure und Teil der Lösung. Wir müssen also aufpassen, dass die Umsetzung der Berichterstattung einfach bleibt und nicht zu viel Aufwand produziert. Einen klaren Fragenkatalog wie im deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz finde ich gut, aber er ist zu umfangreich. Am Ende darf man die Wirkung nicht aus den Augen verlieren: Es geht primär darum, die Arbeitsbedingungen bei den Produzenten zu verbessern, Missbräuche zu verhindern und die Firmen dabei zu unterstützen.
Was braucht es noch, damit Nachhaltigkeit für Unternehmen eine Chance ist und nicht zur Pflichtübung wird?
Ganz klar: Eine Standardisierung des Reportings. Und Rahmenbedingungen, welche nachhaltige Unternehmensführung belohnen. Aber auch einen offenen Umgang mit Erfolgen und Schwierigkeiten, sich ohne Scheu zu treffen und auszutauschen und zu verbessern. Dafür gibt es in Kürze eine gute Guidance, wie über Erfolge berichtet wird, ohne Greenwashing zu betreiben. Mit einem internen Beschwerde- oder Optimierungsmechanismus für die Arbeitnehmenden (sei es im eigenen Haus oder bei den Produzenten) können ausserdem Probleme laufend identifiziert und gelöst werden.
Über amfori
Dem Verband amfori gehören über 2'400 Mitglieder in 100 Ländern mit einem Umsatz von insgesamt 1'700 Milliarden Franken an. Mit 30'000 Audits pro Jahr erreicht amfori Verbesserungen für neun Millionen Arbeitnehmende und über 50'000 Produzenten. Die weltweite Zusammenarbeit spart Auditkosten in Höhe von 100 Millionen EUR pro Jahr. Mitglieder in der Schweiz sind unter anderem Coop, Migros, SBB aber auch zahlreiche Merchandising Firmen oder Firmen wie Regent oder Bardusch.