Neue EU-Gesetze für Daten und KI
Andreas Müller, Professor für Europarecht, Völkerrecht und Menschenrechte an der Juristischen Fakultät der Universität Basel, erläutert, wieso das neue EU-Datengesetz und das EU-KI-Gesetz auch für Schweizer Unternehmen relevant sind.
Herr Müller, kürzlich ist das EU-Datengesetz in Kraft getreten. Was regelt es?
Das neue EU-Datengesetz soll die Datenwirtschaft der EU stärken und einen wettbewerbsfähigen Datenmarkt fördern, indem es den Zugang zu Daten, insbesondere Industriedaten, erleichtert und deren Nutzung verbessert. Es zielt darauf ab, Innovationen zu unterstützen und die Verfügbarkeit von Daten zu erhöhen. Dabei will das Gesetz eine faire Verteilung der Daten unter den betroffenen Akteuren gewährleisten und klärt, wer welche Daten unter welchen Bedingungen verwenden darf.
Spielt da auch die Künstliche Intelligenz (KI) eine Rolle?
Für die KI wurde in der EU kürzlich ein eigenes Gesetz beschlossen. Es teilt KI-Anwendungen nach deren Risiko in vier Gruppen ein. Die riskanteste Gruppe hält man für so gefährlich, dass man sie ganz verbietet, zum Beispiel die Verwendung von KI für soziale Bewertungssysteme durch Behörden. Das Gesetz befasst sich aber vor allem mit der Gruppe von so genannten Hochrisiko-KI-Anwendungen wie autonomen Fahrzeugen oder ChatGPT. Das sind Anwendungen, die Gefahren für die Grundrechte der Menschen mit sich bringen, aber gleichzeitig auch einen anerkannten gesellschaftlichen Nutzen haben. Sie werden dann nicht einfach verboten, sondern mit dem KI-Gesetz reguliert.
Was bedeuten diese neuen EU-Gesetze für Schweizer Unternehmen?
Sobald ein Schweizer Unternehmen als Hersteller eines Produkts, das Daten generiert oder KI beinhaltet, im EU-Binnenmarkt tätig ist, muss es zusätzlich zu den schweizerischen Regelungen die Spielregeln der EU beachten und sich an die EU-Gesetze halten. Auch das neue EU-Gesetz über digitale Dienste, das Online-Plattformen regelt, ist für Schweizer Unternehmen, die in der EU tätig sind, bindend.
Braucht es auch in der Schweiz ähnliche Gesetze?
Aus Unternehmenssicht wäre es wohl praktischer, eine Schweizer Regelung zu haben, die sich im Regulierungsansatz der EU-Regelung anpasst. Denn es würde den Unternehmen ermöglichen, die Regulierungsmassnahmen in einem Schritt abzuhandeln und den Aufwand zu minimieren. Ein Beispiel dafür ist das Datenschutzgesetz, bei dem die Schweiz mit ihrer Regelung der EU-Datenschutzgrundverordnung folgte. Das zeichnet sich jetzt auch ab für die Regulierung von Online-Plattformen, die in der EU ebenfalls mit dem Gesetz über digitale Dienste geregelt werden. Der Bundesrat hat letztes Jahr die Behörden damit beauftragt, einen neuen Gesetzesentwurf zu grossen Kommunikations-Plattformen zu erarbeiten, der sich am EU-Gesetz orientiert.
Wie kann man Gesetze formulieren für einen Bereich, der sich rasant entwickelt und bei dem man gar nicht weiss, was noch kommen wird?
Es gibt tatsächlich die Grundsatzkritik an der ganzen EU-Digitalregulierung, dass sie nicht funktionieren wird, weil die getroffenen Regelungen wegen des technischen Fortschritts schnell überholt sein werden. Die Gegenposition ist, das dies nicht heissen kann, dass wir die Hände in den Schoss legen und sagen, es sei alles zu kompliziert und wir könnten nichts tun. Es ist dann die Frage, wie reguliert wird. Die EU-Gesetze, welche die Digitalisierung regeln, beinhalten zusätzliche Ermächtigungen für die Kommission, für die technische Umsetzung spezifische Regelungen zu erlassen, die das Ganze flexibler machen.
Welche Themen werden die EU künftig im Digitalbereich beschäftigen?
Im Digitalbereich scheint es, dass für die nächste Zeit die wichtigsten Leuchtturmprojekte auf den Weg gebracht sind. Das hat auch damit zu tun, dass nun ein fünfjähriger Zyklus im EU-Parlament zu Ende geht und Anfang Juni das neue Parlament gewählt wird und eine neue EU-Kommission ins Amt kommt. Ich kann mir vorstellen, dass die neue Kommission sich, abgesehen vom Aufbau der europäischen digitalen Identität (EUid), vermehrt dem Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz widmen wird, auch im Zusammenhang mit der digitalen Welt und ihrem CO2-Fussabdruck.
Der Beitrag erscheint im Rahmen unserer Reihe «Wissen schafft Wirtschaft» in Kooperation mit der Universität Basel.