Die Basler Finanzbranche im Fokus

24.08.2023

Über 100 Personen aus der regionalen Finanzbranche tauschten sie an unserem ersten Spotlight Finance Basel über Sustainable Finance aus. Ein Thema, das Wirtschaft und Gesellschaft bewegt.

Am 23. August 2023 fand unser erster Fachkongress «Spotlight Finance Basel» im Baloise Park statt. Unser neues Format richtet sich speziell an die Finanz- und Versicherungsbranche der Region und verschafft ihr mehr Visibilität.

Wie Elisabeth Schneider-Schneiter, Präsidentin Handelskammer beider Basel, in ihrer Begrüssung in Erinnerung rief, kann der Basler Finanzsektor auf eine lange Historie zurückblicken: «Die Finanzbranche gehört zu den wichtigsten Branchen unserer Region und der Finanzplatz Basel zu den grösseren Finanzzentren der Schweiz. Das zeigen wir mit unserem neuen Netzwerkanlass auf.» Gleichzeitig hat der Fachkongress eine Plattform geboten, um ein für die Finanzbranche aktuelles und wichtiges Thema zu diskutieren. In diesem Jahr war es das Thema «Sustainable Finance – Die Schweiz als Vorreiterin, was muss noch gehen?». Schon in der Begrüssung von Michael Müller, CEO Baloise Group, wurde klar, dass Sustainable Finance ein grosses Thema ist, welches für Unternehmen nicht nur als wirtschaftliche Chance gesehen werden muss, sondern ihnen auch als Arbeitgeber einen Gewinn bringt, indem die Reputation gestärkt und die Attraktivität erhöht wird.

Herausforderung: Datenerfassung

Stephan Geiger von Ernst & Young machte den inhaltlichen Einstieg in das Thema. Von den verschiedenen ESG-Themen – dies meint Environmental Social Governance – sei zurzeit das Thema Umwelt gesellschaftlich und somit auch bei den Unternehmen klar im Fokus. Er sprach vom enormen Druck, mit welchem Unternehmen heute konfrontiert sind, mit belegbaren Nachhaltigkeitsdaten Rechenschaft über den Impact abzulegen. Vom Carbonfootprint, zum Waterfootprint, zur Diversität und vielem mehr – alles muss gemessen werden, damit darüber Bericht erstattet werden kann. Als eher neue Thematik, mit welcher sich Unternehmen auseinandersetzen müssen, machte er auf die Lieferkettentransparenz aufmerksam. Die EU ist bestrebt in den nächsten Jahren eine für alle EU-Staaten einheitliche Regulierung zu dieser Thematik zu erarbeiten. Die Schweiz, welche hier zögerlicher unterwegs ist, werde durch eine EU-Regulierung früher oder später ebenfalls unter Zugzwang kommen. Die Lieferkettentransparenz werde nicht nur unter dem Aspekt Umwelt diskutiert, sondern auch Menschenrechtsthemen wie Kinder- oder Zwangsarbeit sollen berücksichtigt werden. Die Schwierigkeit, die sich stellt, ist das Erfassen der unterschiedlichen Realitäten der Unternehmen, je nachdem, ob sie direkt in einem kritischen Land wirtschaften oder lediglich am Ende einer langen Lieferkette einkaufen. Deshalb wird bei den bisherigen Regulierungen, auf die für das Unternehmen zumutbaren Bemühungen abgestellt.

Elisabeth Schneider-Schneiter, Präsidentin Handelskammer beider Basel, begrüsste über 100 Gäste aus der Finanzbranche am Fachkongress.
Wie weit geht Sustainable Finance?

Regula Berger, Geschäftsleitungsmitglied Basler Kantonalbank, erklärte die Rolle der Banken und zeigte auf, dass 83 Prozent der Investitionen für die Transition zu einer emissionsarmen Volkswirtschaft in den nächsten 30 Jahren mit dem herkömmlichen Bankengeschäft finanziert werden können. Sie zeichnete also ein positives Bild, welches dazu motivierte, die Thematik Sustainable Finance weiterzutreiben. Berger sprach davon, dass das Ziel, das heisst die Wirkung von Sustainable Finance als Veränderung von realwirtschaftlichen Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit definiert wird. Dies könne aber nicht einfach nur mit Exklusion von Unternehmen mit schlechter Umweltperformance erreicht werden, sondern auch indem einzelne innovative, nachhaltige Projekte von Unternehmen unterstützt werden – teilweise auch trotz gesamtheitlich schlechter Umweltperformance. Schliesslich zeige genau die Transformation von Unternehmen mit schlechter Nachhaltigkeitsperformance direkte Wirkung. Dagegen sei die Wirkung des Sekundärmarktes, also das Anlegen in nachhaltige Finanzinstrumente, noch nicht nachgewiesen. Als grösste Herausforderungen sieht Berger Greenwashing, die stete Ausbildung von Personal und Kunden, aber auch die Erfassung von Nachhaltigkeitsdaten.

Regula Berger, BKB, zeigt einen möglichen Weg für eine nachhaltige Zukunft im Bankenwesen.
Zwischen Wissenschaft und Wertevorstellungen

Die Herausforderungen von Sustainable Finance wurden anschliessend in einem angeregten Panel weiterdiskutiert. Dabei waren Sabine Döbeli, CEO Sustainable Finance, Thomas Hassl, Senior Portfolio Manager LGT Private Banking, Matthias Henny, Chief Investment Officer Baloise Group, Stephan Kellenberger, Deputy Head Sustainable Finance WWF, und Volker Schieck, Deputy Head Sustainable Finance Group UBS. Die Diskussionsrunde war sich darüber einig, dass Sustainable Finance Wirkung hat und von den Finanzinstituten angepackt werden muss. Differenzen gab es also nicht beim «Ob», sondern beim «Wie». Erneut zur Sprache kam die bereits in den Inputreferaten angesprochene Schwierigkeit bei der Erfassung von Nachhaltigkeitsdaten. Es sei noch nicht klar, was genau gemessen werden soll. Deshalb erfassen die unterschiedlichen Ratings auch unterschiedliche Kriterien und seien nicht miteinander vergleichbar, was der gewünschten und äusserst wichtigen Transparenz enorm schade. Der Investor habe keinen Überblick und wisse nicht, woran er ist. Zudem koste das Sammeln von Daten die Unternehmen ein Menge Geld.

Unterschiedliche Ansichten gab es vor allem bei der Definition der Nachhaltigkeit. Sind Kernkraftwerke nachhaltig? Sollten Ölfirmen per se als schädlich exkludiert werden oder sollte nicht doch auf Ölfirmen gesetzt werden, welche einen im Branchenvergleich guten Dekarbonisierungsplan aufzeigen? Was nun genau als nachhaltig definiert wird, divergierte unter den Panelteilnehmenden doch relativ stark. Auf der einen Seite war die idealistische Vorstellung, dass Nachhaltigkeit wissenschaftlich belegbar ist und umweltunfreundliche Unternehmen tendenziell von der Finanzierung abgeschnitten werden sollten, auf der anderen Seite war die Meinung, dass Unternehmen mit gesamtheitlich schlechter Umweltperformance aufgrund von guten Transformationsplänen ebenfalls eine Wirkung generieren können und deshalb ebenfalls unterstützt werden sollten.

Themenvertiefung in Breakout-Sessions

Nach einer Netzwerkpause ging der Nachmittag mit fünf Breakout-Sessions zum Mit- und Weiterdenken weiter. Die Teilnehmer durften jeweils ein Vertiefungsthema besuchen: Von einem Politstreitgespräch zum Thema Zukunft des Finanzplatzes Schweiz, zum Spannungsfeld der Pensionskassen zwischen ihrer Verpflichtung gegenüber den Versicherten und dem immer stärkeren Druck nachhaltig zu investieren, zum Thema der Berichterstattung und Transparenz von Portfolios, zur praktischen Entwicklung von personalisierten nachhaltigen Anlageplänen bis zur nachhaltigen KMU-Nachfolgefinanzierung.

Kantonaler Blickwinkel

Die Volkswirtschaftsdirektoren der beiden Basel, Thomi Jourdan und Kaspar Sutter, sprachen nach den Breakout-Sessions mit Martin Dätwyler, Direktor Handelskammer beider Basel, über die Bedeutung der Finanzbranche für die Region, die Möglichkeiten für die Kantone im Bereich Sustainable Finance aktiv zu werden und über die Forderungen von Aktivisten gegenüber der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Es wurde klar, dass Sustainable Finance kein kantonales Thema ist, sondern der Bund hier die Hoheit hat. Dennoch sahen beide Regierungsräte die Verantwortung der Kantone bei den Kantonalbanken und den kantonalen Pensionskassen. Dort sei ESG klar implementiert. Regulierungsbedarf auf kantonaler Ebene wurde von beiden Gesprächsteilnehmern nicht gesehen. Grossunternehmen würden ohne Gesetze hohe Anforderungen an sich selbst stellen und damit die Lieferanten zwingen gewisse Standards zu erfüllen. Somit reguliere sich der Markt diesbezüglich selbst.

Regierungsrat BL Thomi Jourdan, Handelskammer-Direktor Martin Dätwyler und der städtische Regierungsrat Kaspar Sutter im Gespräch
Die Sicht der Nationalbank

Zum Schluss erklärte Dewet Moser von der Schweizerischen Nationalbank (SNB), was deren Hauptaufgabe ist und ob sie ebenfalls ESG-Kriterien implementiert. Es wurde schnell deutlich, dass für die Nationalbank die Preisstabilität als Hauptaufgabe das oberste Gebot ist. Klimapolitik zu betreiben sei keine Aufgabe der Nationalbank. Dennoch würde sie sich – auch wenn relativ verhalten – gewisse Standards setzen und sei deshalb beispielsweise aus Kohleanlagen ausgestiegen. Die Zurückhaltung sei aber aufgrund ihres Auftrages gegenüber der Schweiz sehr gross. Die SNB respektiere Werte, welche von der Schweiz klar reguliert sind, wie die Menschenrechte. Solange aber beispielsweise die Schweiz den Import von Öl erlaubt, werde sie nicht aus dem Öl aussteigen. Trotz Verständnis für die wichtige Aufgabe der SNB und demzufolge deren Grenzen, waren die Fragen aus dem Publikum zum Schluss entsprechend kritisch.

Gelungener Auftakt

Bevor die Teilnehmenden Gelegenheit hatten an einem reichhaltigen Apéro zu netzwerken und weiter zu diskutieren, übernahm Elisabeth Schneidet-Schneiter nochmals das Wort. Sie lobte die Finanzinstitute für die fortschrittliche Denkweise im Bereich der Nachhaltigkeit. Beim Netzwerkapéro klang der Nachmittag mit abwechslungsreichen Referierenden und spannenden Diskussionen mit alten und neuen Bekannten aus.

Elisabeth Schneider-Schneiter begrüsste und verabschiedete die Teilnehmenden unseres Fachkongresses
SAVE THE DATE

Der nächste Fachkongress «Spotlight Finance Basel» ist am 19. Juni 2024 geplant.

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