Stellungnahmen zu den Grossratssitzungen vom 22. und 23. Juni 2022
Die Handelskammer beider Basel nimmt zu diversen Traktanden der Grossratssitzungen vom 22. und 23. Juni 2022 Stellung.
Traktandum 9: Bericht der Wirtschafts- und Abgabekommission betreffend Ausgabenbewilligung für die Beteiligung des Kantons Basel-Stadt an einer Kapitalerhöhung der MCH Group AG
Die Region Basel ist ein international bekannter Messe- und Kongressstandort mit einer ausgezeichneten Infrastruktur. Die in Basel stattfindenden Messen und Kongresse bringen eine substanzielle Wertschöpfung in die Region, von der nicht nur die Messe selbst, sondern auch die verschiedensten Wirtschaftszweige direkt oder indirekt profitieren. Leider hat dieser Standort in den letzten Jahren einige Rückschläge erlitten, die für alle Beteiligten sehr schmerzhaft und teilweise von aussen betrachtet auch ärgerlich und vermeidbar waren.
Angesichts der grossen wirtschaftlichen Bedeutung sollte das vorliegende Geschäft aus Sicht der Handelskammer nun aber nicht als Vergangenheitsbewältigung verstanden werden. Vielmehr sollte eine Zukunftsperspektive eingenommen werden, in der das Potenzial für die Wirtschaft der Region Basel, aber auch die Risiken der verschiedenen Optionen beurteilt werden.
Der Grosse Rat hat vor zwei Jahren entschieden, die Türe für einen privaten Ankerinvestor zu öffnen. Dies mit dem Ziel, in den nächsten Jahren den wirtschaftlichen Turnaround zu schaffen. Es ist offensichtlich, dass die pandemiebedingten Absagen der letzten beiden Jahre diesen Turnaround verzögert haben. Es wäre daher nicht richtig, Erfolg oder Misserfolg der vor zwei Jahren beschlossenen Strategie anhand dieser Zeitperiode zu beurteilen. Gleichzeitig würde eine Ablehnung der vorliegenden Kapitalerhöhung das Unternehmen MCH Group angesichts der im Mai 2023 fälligen Anleihen und der Verknüpfung diverser Anleihen mit der Sperrminorität der öffentlichen Hand unmittelbar in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Es ist völlig unsicher und daher mit sehr grossen Risiken verbunden, ob sich in einer solchen Situation weitere private Investoren finden lassen, die das Wohlergehen der Region Basel im Auge haben.
Generell ist unklar, ob alternative Modelle, wie sie derzeit diskutiert werden (z.B. eine Trennung von Infrastruktur und Betrieb), wirklich zu besseren Ergebnissen führen. Die Handelskammer verschliesst sich einer Diskussion über das richtige Beteiligungsmodell nicht. Diese Diskussion muss jedoch auf Basis einer sauberen Auslegeordnung mit Nutzen und Risiken der verschiedenen Modelle geführt werden. Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, in welcher Form und in welchem Umfang sich die öffentliche Hand bei anderen Messe- und Kongressstandorten beteiligt. Eine Verknüpfung der vorliegenden Kapitalerhöhung mit einem Ausstiegsszenario lehnt die Handelskammer zum aktuellen Zeitpunkt jedoch ab: Die Auslegeordnung hat unvoreingenommen und nicht bereits mit einem Ausstiegsziel zu erfolgen.
Wir bitten Sie, dem Beschluss unverändert zuzustimmen.
Traktandum 25: Stellungnahme des Regierungsrates zur Motion Raphael Fuhrer und Konsorten betreffend integrale Signalisation von Tempo 30 in Basel-Stadt mit gleichzeitiger Beschleunigung des öffentlichen Verkehrs gemäss Kantonsverfassung
Die Motion fordert die integrale (sprich flächendeckende) Einführung von Tempo 30 im basel-städtischen Siedlungsgebiet. Die Handelskammer beider Basel befürwortet Tempo 30 in den Quartieren, jedoch nicht auf den Hauptstrassen. Eine Einführung von Tempo 30 auf Hauptstrassen würde dazu führen, dass für alle Verkehrsteilnehmenden – Bus, Auto und Velo – die Zuverlässigkeit, die Reisezeit und die Wirtschaftlichkeit beeinträchtigt werden. Der aufsummierte Fahrzeitverlust aller Verkehrsteilnehmenden führt zu einem beträchtlichen volkswirtschaftlichen Schaden. Die Zurückstufung der Hauptverkehrsachsen durch die Temporeduktion resultiert zudem in Einbussen bei der Erreichbarkeit – mit direkten Auswirkungen auf die Standortattraktivität der Region Basel.
Die integrale Einführung von Tempo 30 würde indes nicht nur Nachteile für Unternehmen und die Bevölkerung nach sich ziehen. Auch die Ziele der Befürworter werden damit nicht erreicht. So würde die Umsetzung der Motion, entgegen den Behauptungen des Motionstexts, nicht zu tieferen Schadstoffemissionen führen. Dies zeigen Studien des österreichischen Umweltbundesamtes sowie des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs.
Als Gründe für Tempo 30 werden zudem eine geringere Lärmbelastung und eine höhere Verkehrssicherheit genannt. Wir anerkennen dies und unterstützen Tempo 30 in Quartieren ausdrücklich. Damit Tempo 30 in Quartieren hinsichtlich Sicherheit und Lärmschutz erfolgreich sein kann, darf sich dort die Verkehrsmenge nicht substanziell erhöhen. Die Einführung von Tempo 30 auf Hauptstrassen könnte aber in vielen Fällen genau dazu führen. Autofahrerinnen und Autofahrer und auch Velofahrende würden bei gleicher erlaubter Geschwindigkeit den oftmals kürzeren Weg durch das Quartier wählen. Und wo mehr gefahren wird, ist es lauter und die Unfallgefahr steigt. Viele der von den Befürwortenden genannten Probleme – insbesondere der Treibstoffausstoss und die Lärmbelastung – werden sich zudem mit der wachsenden Bedeutung der Elektromobilität entschärfen.
Schliesslich zeigt auch eine repräsentative, vom Link-Institut im Kanton Basel-Stadt durchgeführte Umfrage, dass sich 68 Prozent der Befragten «gegen» oder «eher gegen» Tempo 30 auf Hauptstrassen aussprechen. Das Ansinnen einer undifferenzierten und flächendeckenden Einführung von Tempo 30 auch auf den Hauptstrassen erscheint vor diesem Hintergrund untragbar und würde sich über den Willen der Bevölkerung hinwegsetzen. Die Akzeptanz von Tempo 30, beispielsweise auf dem gut ausgebauten Heuwaage-Viadukt, welches nicht direkt an lärmschutzbedürftige Häuser angrenzt, dürfte äusserst gering sein. Aus all diesen Gründen spricht sich die Handelskammer gegen die integrale Einführung von Tempo 30 in Basel-Stadt aus.
Wir bitten Sie, die Motion nicht zu überweisen
Traktandum 27: Schreiben des Regierungsrates zum Anzug Harald Friedl und Konsorten betreffend Verlängerung der Frist für die Festlegung von Abstimmungen
Die Frist für die Ansetzung von Abstimmungen beträgt heute zwei Monate. Dies ist sehr kurz – gerade in Anbetracht dessen, dass die gleiche Frist beim Bund vier Monate beträgt und der Kanton Basel-Landschaft die Abstimmungen meist wenige Wochen nach dem Bund ansetzt. Eine Verlängerung auf drei Monate und damit eine Angleichung an Baselland wäre demokratiepolitisch wichtig, um eine Meinungsbildung in der breiten Öffentlichkeit zu ermöglichen. Mit zwei Monaten und womöglich noch Ferien dazwischen, können beispielsweise Milizorganisationen wie Parteien eine Meinungsbildung, Parolenfassung an anschliessende Kampagnenführung kaum noch sicherstellen.
Der Argumentation der Regierung, dass eine solche Fristanpassung Auswirkungen auf weitere Fristen hat, muss Beachtung geschenkt werden. Deshalb empfehlen wir, eine Überweisung an die JSSK, die die Fristenanpassung und ihre Auswirkungen detailliert analysieren kann.
Wir bitten Sie, den Anzug an die Justiz-, Sicherheits- und Sportkommission zu überweisen.
Traktandum 28: Stellungnahme des Regierungsrates zur Motion Daniel Hettich und Konsorten betreffend Regionales Logistikflächenkonzept
Mit 12'000 Beschäftigten, 810 Betriebsstätten und 1.9 Milliarden Franken Bruttowertschöpfung pro Jahr ist die Logistik eine der beiden Leitbranchen des Wirtschaftsstandorts Basel. Als bedeutende Arbeitgeberin sorgt sie zudem für ein grosses Angebot an mitunter auch niederschwelligen Arbeitsplätzen. Die Logistik ist jedoch nicht nur in puncto Beschäftigung und Wertschöpfung von erheblicher Bedeutung, sondern auch als Anbieterin von wichtigen Querschnittsdienstleistungen. So ermöglicht sie anderen Branchen in der Region das effiziente Wirtschaften – gerade auch der Pharmaindustrie. Eine Schwächung der Logistik hätte also nicht nur für die rund 12'000 Logistikbeschäftigten, sondern auch für das wirtschaftliche Ökosystem als Ganzes verheerende Folgen. Dieses Szenario ist leider nicht undenkbar, da die Branche aufgrund der aktuellen Flächenkonkurrenz insbesondere im urbanen und urbanisierten Teil der Region stark unter Druck steht. Für eine effiziente Funktionsweise benötigt die Logistik jedoch Lager- und Umschlagsflächen möglichst nahe an der Stadt. Diese werden zunehmend für Wohnüberbauungen reserviert. Eine Problematik, welche im aktuellen Regionalen Güterverkehrskonzept Basel von AggloBasel und dem Logistikcluster der Region Basel bereits aufgezeigt wurde. Wird die Logistik aus dem urbanen Raum verdrängt, haben die längeren Transportwege eine verminderte Qualität der Logistikdienstleistungen sowie gleichzeitig eine unerwünschte Verkehrszunahme zur Folge. Zudem kann die Logistik dadurch ihre für die Gesamtwirtschaft wichtigen Querschnittsdienstleistungen nicht mehr optimal erbringen. Die Handelskammer beider Basel unterstützt deshalb die Motion, welche den Kanton Basel-Stadt auffordert, in Zusammenarbeit mit dem Kanton Basel-Landschaft ein regionales Logistikflächenkonzept zu erstellen. Dadurch wird sichergestellt, dass die für die Gesamtwirtschaft wichtigen Bedürfnisse der Logistik in der Raum- und Richtplanung sowie insbesondere der Arealentwicklung miteinbezogen werden. Die Einschätzung des Regierungsrates, wonach ein Grossteil der Forderungen bereits umgesetzt sind, teilen wir nicht. Es bestehen zwar bereits einzelne Studien und Konzepte, jedoch noch kein umfassendes Logistikflächenkonzept. Die Handelskammer untestützt hingegen den Vorschlag des Regierungsrates, die Erarbeitung eines Regionalen Logistikflächenkonzepts im Rahmen des Prozesses zur «Gesamtschau der Wirtschaftsflächen in der Region Basel» voranzutreiben.
Wir bitten Sie, den Vorstoss als Motion zu überweisen