Stellungnahme «Ausbau der Wasserkraft zur Stromerzeugung und Stromspeicherung»

13.02.2019

Die Handelskammer befürwortet die parlamentarische Initiative Rösti «Ausbau der Wasserkraft zur Stromerzeugung und Stromspeicherung. Anpassung der Umwelt-verträglichkeitsprüfung» ausdrücklich. Die Festlegung des Ausgangszustands als «Ist-Zustand» (Zustand zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung) stellt einen praktikablen Weg dar, die unterschiedlichen Interessen des Anlagenbaus sowie des Umweltschutzes sachgerecht zu prüfen und gegeneinander abzuwägen. Überdies findet damit eine Harmonisierung mit anderen Gebietskörperschaften statt, was im Falle grenznaher oder -überschreitender Projekte zu einer erheblichen Verfahrensvereinfachung führt. Die vorgeschlagene Gesetzesänderung schafft zudem Rechtssicherheit für die in Speicher- und Laufkraftwerke investierenden Unternehmen und leistet so einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der Wasserkraft im Rahmen der Energiestrategie 2050.

Nach heutigem Recht muss bei der Erneuerung einer Wasserrechtskonzession für Anlagen der Speicherung und Stromerzeugung mit einer installierten Leistung von mehr als 3 MW als Beurteilungsgrundlage der Umweltverträglichkeit eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang kommt es in der Praxis immer wieder zu Unsicherheiten was unter dem Begriff «Ausgangszustand» zu verstehen ist, welcher bei der Prüfung nach Art. 10b Abs. 2 Bst. a Umweltschutzgesetz (USG) zugrundgelegt wird.

Die hieraus erwachsende Rechtsunsicherheit kann in konkreten Fällen zu einer zeitlichen Verzögerung von Vorhaben im Bau und/oder Betrieb von Anlagen der Wasserkraft zur Stromerzeugung oder -speicherung, oder gar deren Nichtrealisierung führen. Die vorliegende parlamentarische Initiative verlangt eine eindeutige Definition des Begriffs «Ausgangszustand», indem dieser dem «Ist-Zustand» (Zustand zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung) gleichgesetzt wird. Hierdurch soll eine rechtlich eindeutige Situation geschaffen, dadurch Rechtssicherheit hergestellt, und Investitionen in genannte Anlagen planbarer gemacht werden.

Konzeption

Die parlamentarische Initiative verlangt im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bei Konzessionserneuerungen den Begriff «Ausgangszustand» als den «Ist-Zustand» festzulegen. Eine UVP ist bei der Neukonzessionierung von Speicher- und Laufkraftwerken sowie Pumpspeicherwerken mit einer installierten Leistung über 3 MW verpflichtend durchzuführen (Art. 1 i.V.m. Anhang Nr. 21.3 der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung, UVPV). In der Praxis wird auch bei der Konzessionserneuerung, also bei nicht erstmalig zu erteilender Konzession, eine UVP für analoge Anlagen vorgenommen.

Grundlage der UVP bildet der Umweltverträglichkeitsbericht (UVB). Er beinhaltet sämtliche Angaben, welche zur Prüfung des Vorhabens unter Umweltschutzaspekten zu berücksichtigen sind. Von besonderer Bedeutung hierbei ist der «Ausgangszustand» einer Naturfläche, in der der zur Prüfung beantragte Eingriff vorgenommen werden soll. Massnahmen des Umweltschutzes werden durch den direkten Vergleich des Zustands vor dem Bau der Anlage und danach festgesetzt. Diese Massnahmen umfassen insbesondere Sanierungs-, Wiederherstellungs- und Ersatzmassnahmen nach Bundesrecht (Art. 18 Abs. 1ter, Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz, NHG).

Bisherige Praxis

Nach heutiger Praxis wird der Ausgangszustand bei neuen Anlagen dem Ist-Zustand, respektive dem Zustand vor Errichtung der Anlage, gleichgesetzt. Bei bereits bestehenden Anlagen, die einer Neukonzessionierung bedürfen, wird als Ausgangszustand hingegen der Zustand herangezogen, der bestehen würden, wenn die frühere Konzession nie erteilt und die Anlage nie errichtet worden wäre. Die unterschiedliche Beurteilung des Ausgangszustands in den beschriebenen Sachlagen führt dazu, dass die Umweltschutzmassnahmen bei Konzessionserneuerungen häufig ungleich aufwändiger sind als im Falle von Neukonzessionierungen. So wurden bei bestehenden Anlagen ohne neue Auswirkungen auf die Umwelt bei Konzessionserneuerungen Ersatzmassnahmen im Rahmen des NHG verlangt. Als Grundlage zur Ermittlung der Ersatzmassnahmen wurde die Differenz des Zustände herangezogen, die bestehen würden, wenn die Anlage nie gebaut worden wäre und der Neukonzessionierung. Aufgrund sehr langer Konzessionierungsperioden von mehreren Jahrzehnten ist der Zustand vor der Erstkonzessionierung oftmals unbekannt und muss daher abgeschätzt werden. Hierdurch entstehen einerseits ein grosser bürokratischer Aufwand, andererseits potenziell unverhältnismässige Wiederherstellungs- oder Ersatzmassnahmen. Diese Praxis ist überdies gesetzlich nirgends festgeschrieben und gründet einzig auf dem UVP-Handbuch des BAFU.

Beantragte Neuregelung

Wie in der Vorlage festgehalten führte „[d]ie Tatsache, dass im Rahmen von Konzessionser-neuerungen und wesentlichen Konzessionsänderungen nicht nur für neue Eingriffe in schutzwürdige Lebensräume angemessener Ersatz geleistet werden muss, sondern zusätzlich auch für frühere Eingriffe, bei der Erstellung der ersten Anlage, [zu] erhebliche[n] Kostenfolgen und würde die Stromproduktion aus Wasserkraft massiv verteuern. Hinzu kommt, dass der ursprüngliche Zustand vor dem Bau der bestehenden Kraftwerksanlagen, der in den meisten Fällen mehrere Jahrzehnte zurückliegt, kaum mehr ermittelt werden kann, was somit zwangsläufig zu Auslegungsstreitigkeiten und langwierigen Verfahren führt. Um die vom Bundesrat beabsichtigte Steigerung der Stromproduktion aus Wasserkraft nicht unnötig zu bremsen, wäre es angemessen und sachgerecht, bei Umweltverträglichkeitsprüfungen in Zukunft vom bestehenden Ist-Zustand auszugehen.

Die parlamentarische Initiative verlangt, dass eine gesetzliche Grundlage geschaffen wird, dass, analog zu Neukonzessionierungen, bei Konzessionserneuerungen oder der Änderung von Wasserkraftkonzessionen der Ausgangszustand dem Ist-Zustand entspricht.

Art. 58a Wasserrechtsgesetz (WRG) soll um folgenden Absatz 5 ergänzt werden: Als Ausgangszustand im Sinne von Artikel 10b Absatz 2 Buchstabe a des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 gilt für die Festlegung von Massnahmen zugunsten von Natur und Landschaft der Zustand im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung.

Der Minderheitsantrag möchte Artikel 58a WRG zusätzlich zu Absatz 5 um folgenden Absatz 6 erweitern: Bei jeder Konzessionserneuerung prüft die Verleihungsbehörde verhältnismässige Massnahmen zu Gunsten von Natur und Landschaft. Diese orientieren sich am Aufwertungspotenzial im Gebiet der Anlage und werden einvernehmlich festgelegt. Kommt kein Einvernehmen zustande, so ordnet die Verleihungsbehörde solche Massnahmen an.

Die Handelskammer spricht sich gegen den Minderheitsantrag aus, da er die angestrebte Harmonisierung zwischen Ausgangszustand bei Neukonzessionierung und Konzessionserneuerung unterminiert. Analog zum Zustand der herrschte bevor die frühere Konzession erteilt und die Anlage gebaut wurde, bietet die Ermittlung des Aufwertungspotenzials grossen Interpretationsspielraum, welcher analog zu Auslegungsstreitigkeiten und somit zu Verzögerungen und Verteuerungen der Vorhaben führen würde.

Fazit

Die Handelskammer unterstützt die in der parlamentarischen Initiative formulierte Forderung zur Schaffung eines neuen Art. 58a Absatz 5 WRG ausdrücklich. Er schafft die rechtliche Grundlage dafür, dass im Rahmen des UVP für betroffene Anlagen neu auch bei Konzessionserneuerung der Ist-Zustand als Ausgangszustand zugrunde zu legen ist. Nach jetziger Praxis herrscht hier aufgrund fehlender Rechtssicherheit grosse Unsicherheit bei den in entsprechende Anlagen der Wasserkraft investierende Unternehmen. Dies hemmt den Ausbau der Wasserkraft, die als klimafreundliche Energiequelle einen Eckpfeiler der Energiestrategie 2050 darstellt. Die potenziell sehr hohen Kosten, die sich nach heutiger Praxis aufgrund umfangreicher Wiederherstellungs- und Ersatzmassnahmen bei Konzessionserneuerung ergeben, schlagen direkt auf die Preise der Wasserkraft und somit auf die Wettbewerbsfähigkeit dieser Technologie durch. Den Minderheitsantrag lehnt die Handelskammer ab, da er die Lösung des bestehenden Vollzugsproblems nicht löst, sondern auf den Aspekt des Aufwertungspotenzials verlagert.

 

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