Mobilitätsstrategie «Basel unterwegs – klimafreundlich ans Ziel»
Die Mobilitätsbedürfnisse in der Region Basel werden auch in Zukunft steigen. Das hiesige Verkehrssystem stösst immer häufiger an seine Grenzen. Die Konzeption einer Mobilitätsstrategie bietet vor diesem Hintergrund die Chance, die künftige Stossrichtung der Basler Verkehrspolitik aufzuzeigen und damit den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen. Der vorliegende Entwurf legt seinen Fokus auf die Erreichung der Klimaneutralität, verpasst es dabei jedoch, die Weichen für die Gewährleistung der Erreichbarkeit der Region zu stellen. Dies ist für den Wirtschaftsplatz Basel ein inakzeptables Versäumnis und muss daher nachgebessert werden. Gleichzeitig fehlt der Mobilitätsstrategie der Mut, das Potenzial der Digitalisierung und Innovation zur Nutzung neuer Verkehrsträger und Verkehrsformen vollumfänglich zu nutzen. Ideen und Impulse für die künftige Mobilität können dem neuen Themendossier der Handelskammer beider Basel «Mobil in die Zukunft»
Zusammenfassung der Hauptforderungen
- Die Handelskammer beider Basel fordert:
- weitere Unterstützung für den notwendigen Infrastrukturausbau (Herzstück, Trimodales Containerterminal Basel Nord, Hochleistungsstrassennetz inkl. Rheintunnel),
- die Neugewichtung der Wirkungsziele und damit die stärkere Priorisierung des Erreichbarkeitsziels,
- mehr Mut bei der Nutzung der Digitalisierung und Innovation und insbesondere die Berücksichtigung der Ideen, Impulse und Forderungen aus dem Themendossier «Mobil in die Zukunft» der Handelskammer beider Basel,
- den Miteinbezug der Schnittstellen zur Schifffahrt und zum Luftverkehr.
Ausgangslage
Eine optimale Erreichbarkeit ist zentrale Voraussetzung für eine wirtschaftlich erfolgreiche und gesellschaftlich offene Region Basel. Das heutige Verkehrssystem kommt jedoch immer häufiger an seine Leistungsgrenzen. Als dynamischer Wirtschaftsstandort mit zunehmendem Verkehr ist Basel durch die Rolle als Knotenpunkt verschiedener transeuropäischer Verkehrskorridore und die Lage im Dreiländereck besonders herausgefordert. Es fehlen Kapazitäten auf den bestehenden Achsen, neue Verkehrsträger zur effizienten Erschliessung von Wirtschaftsarealen und Wohngebieten sowie innovative Lösungen, um Verkehrsträger untereinander zu vernetzen.
Bis 2040 entstehen in der Region Basel gemäss Medienmitteilung des Kantons Basel-Stadt zehntausende neue Arbeitsplätze. Die Bevölkerung der Agglomeration wird um weit über 100'000 Personen zunehmen. Entsprechend müssen neue Kapazitäten geschaffen werden, damit die Erreichbarkeit nicht abnimmt. Die Erreichbarkeit innerhalb der Region und von aussen als Gateway der Schweiz aufrechtzuerhalten, hat deshalb oberste Priorität. Wichtige Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, sind eine leistungsfähige Infrastruktur, die Nutzung effizienter, teils neuer Verkehrsmittel und -formen sowie ein sinnvolles Verkehrsmanagement.
Konzeption
Die Vorlage verfolgt vier übergeordnete Wirkungsziele:
- Erreichbarkeit erhöhen
- Verkehrssicherheit verbessern
- Klimaneutralität erzielen
- Lebensqualität steigern
Gleichzeitig umfasst die Mobilitätsstrategie sieben Handlungsfelder, welche sich an den obengenannten Wirkungszielen orientieren:
- Aktive Mobilität priorisieren und ausbauen
- Kollektive Mobilitätsangebote erweitern
- Flächenverbrauch des Verkehrs reduzieren
- Stadt der kurzen Wege verwirklichen
- Treibhausgasemissionen im Verkehr auf «Netto-Null» reduzieren
- Mobilität regional denken und gemeinsam lösen
- Chancen von Digitalisierung und Innovation nutzen
Diese Handlungsfelder bilden den Rahmen für einen Massnahmenplan, dessen Grundlage von noch nicht umgesetzten Massnahmen aus dem Verkehrspolitischen Leitbild von 2015 und dem zugehörigen Aktionsplan 2018 – 2021, einer Studie des Städteverbandes, Vorschlägen verschiedener Verkehrsverbände und Mobilitätsstrategien anderer Städte gebildet wird.
Die Mobilitätsstrategie gibt also einen umfassenden Überblick über bereits laufende Massnahmen in unterschiedlichen Mobilitätsektoren, bestimmt neue Massnahmenbereiche, zeigt die grundsätzliche Stossrichtung im Bereich Verkehr auf und bildet somit das Kernstück der strategischen Verkehrsplanung der nächsten Jahre.
Gesamtwürdigung
Die Handelskammer beider Basel setzt sich für ein leistungsfähiges Verkehrssystem in der Agglomeration Basel ein – sowohl für Personen als auch für Güter. Eine gute Erreichbarkeit ist ein Schlüsselfaktor für einen attraktiven Wirtschaftsstandort und Lebensraum. Für uns steht fest, dass eine zukunftsfähige Mobilität nicht nur kosteneffizient und robust, sondern auch klima- und umweltverträglich sowie nicht zuletzt liberal und nachfragegerecht ausgestaltet sein muss. Um neue Impulse zur Förderung geeigneter Verkehrsmittel und neuer Mobilitätsformen einzubringen und unsere Einschätzung zur geeigneten strategischen Ausrichtung der Verkehrspolitik des Kantons Basel-Stadt kundzutun, nehmen wir wie folgt Stellung zum vorliegenden Vernehmlassungsentwurf.
Infrastrukturausbau
Die Handelskammer begrüsst es, dass der Regierungsrat die Bedeutung einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur für die städtische Mobilität anerkennt und sich zu deren Ausbau bekennt.
Von besonderer Bedeutung für die Verkehrsträger Schiene und Strasse sind insbesondere das künftige «Herzstück» zur Realisierung einer leistungsfähigen trinationalen S-Bahn, das Trimodale Containerterminal Basel Nord, sowie das Hochleistungsstrassennetz inklusive des geplanten Rheintunnels und des Zubringers Bachgraben-Allschwil. Wir fordern den Regierungsrat auf, sich im Sinne eines funktionierenden Verkehrssystems weiterhin für den notwendigen Ausbau – notabene auch des Hochleistungsstrassennetzes – einzusetzen. So können Kapazitätsengpässe verhindert und das städtische Strassennetz entlastet werden.
Gewichtung der Wirkungsziele
Die Handelskammer unterstützt die vier Wirkungsziele der Mobilitätsstrategie (Erreichbarkeit, Verkehrssicherheit, Klimaneutralität, Lebensqualität). Als Wirtschaftsverband und im Sinne der verfassungsmässig verankerten Schaffung von günstigen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, plädieren wir jedoch für eine ausreichende Gewichtung des Erreichbarkeitsziels. Dieses Wirkungsziel sehen wir besonders durch die Ziele «Lebensqualität» und «Klimaneutralität» zum Teil infrage gestellt.
In der Vernehmlassungsvorlage wird Lebensqualität aus verkehrlicher Sicht «als Schutz des Menschen vor verkehrsbedingten Immissionen» (S. 16) verstanden. Es wird indes nicht klar, woher diese Definition rührt, die wir als eindimensional und nicht umfassend genug beurteilen. Lebensqualität ist – wie in der Vorlage ebenfalls angedeutet wird – eine subjektive Grösse, die von verschiedenen Anspruchsgruppen unterschiedlich beurteilt wird. So gehört für viele Menschen zur Lebensqualität auch die individuelle Mobilität. Dies schliesst beispielsweise die Verfügbarkeit von Parkplätzen und hinreichend Verkehrsflächen sowie ein gut ausgebautes Strassennetz mit ein. Die Einschränkung der individuellen Mobilität wird von der Basler Bevölkerung nicht goutiert – dies zeigen verschiedene Befragungen. Die Unzufriedenheit bezüglich der Parkplatzsituation kommt beispielsweise in der Wanderungsbefragung 2018 des Statistischen Amtes Basel-Stadt zum Ausdruck, welche zeigt, dass für zwei Drittel der zugezogenen Personen das Parkplatzregime ein Ärgernis darstellt. Auch vor dem Hintergrund des Megatrends der Individualisierung der Gesellschaft dürfen solche Bedürfnisse nicht ignoriert werden.
Wenn hingegen Lebensqualität als Schutz des Menschen vor verkehrsbedingten Immissionen betrachtet wird, ergibt sich in der Tat ein in der Vorlage (S. 17) beschriebener Zielkonflikt zwischen den Zielen Erreichbarkeit und Lebensqualität. Wie der Vernehmlassungsentwurf ebenfalls andeutet, entschärft sich dieser Zielkonflikt jedoch weitgehend durch die zunehmende Elektrifizierung der Fahrzeuge, wodurch weniger Lärm und Schadstoffemissionen verursacht werden. Aufgrund dieser Tatsache und der gemäss Statistischem Amt mit 8 von 10 Punkten bereits sehr hoch eingeschätzten Lebensqualität, fällt es schwer, Massnahmen (Durchfahrtssperren, Aufhebung von Fahrspuren, das Konzept «Autofrei erleben» etc.) zu akzeptieren, die eine partikulare Lebensqualität fördern sollen und gleichzeitig die Erreichbarkeit für die gesamte Bevölkerung einschränken. Dies umso mehr, als dass die langfristige Lebensqualität nur gesichert ist, sofern die Wirtschaft weiterhin floriert. Dies wäre durch eine verminderte Erreichbarkeit infrage gestellt.
Die Handelskammer unterstützt die Energiestrategie 2050 wie auch das Klimaziel des Bundes von Netto-Null-Emissionen bis 2050 und anerkennt den grossen Handlungsbedarf zur Erreichung dieser Ziele. Dennoch sind wir der Ansicht, dass die Mobilitätsstrategie zu einseitig auf die Reduzierung des (fossilen und nicht-fossilen) MIV und die Erreichung des Netto-Null-Ziels bis 2040 fokussiert. Letzteres fusst auf einer regierungsrätlichen Absichtserklärung, welche wesentlich zur Legitimation der Stossrichtung der Strategie und der teils einschneidenden Massnahmen verwendet wird. Dass es sich bei dieser Absichtserklärung um den regierungsrätlichen Gegenvorschlag zur sogenannten «Klimagerechtigkeitsinitiative» handelt, welcher sich derzeit in parlamentarischer Beratung befindet und folglich noch keine Rechtskraft aufweist, empfinden wir als irritierend. Insbesondere da damit ein ausstehender Volksentscheid vorweggenommen und so die Verkehrspolitik bereits vor dem Volksverdikt über Jahre hinaus beeinflusst wird.
Überdies sollte aus Sicht der Handelskammer anerkannt werden, dass das vordringlichste Ziel des Verkehrs darin besteht, Menschen und Güter möglichst schnell und bequem von einem Ort zum nächsten zu bringen. In diesem Sinne fordern wir eine stärkere Priorisierung des Erreichbarkeitsziels, welches dem Ziel der Klimaneutralität in der vorliegenden Strategie auf systematische Weise untergeordnet wird. Aussagen, dass «neue Massnahmen in erster Linie die Klimaneutralität in der Mobilität fördern [sollen], ohne die gute Erreichbarkeit von Basel-Stadt einzuschränken», (S. 22) sprechen Bände. Es sollen also kaum neue Massnahmen explizit zur Verbesserung der Erreichbarkeit eingeführt werden. Das ist im Interesse einer funktionierenden Wirtschaft und einer hohen Standortattraktivität inakzeptabel. Wir fordern, dass die Erreichbarkeit nicht nur nicht allzu stark eingeschränkt, sondern verbessert wird, sodass sie den Mobilitätsbedürfnissen der Region gerecht werden kann.
Mehr Mut bei der Nutzung der Digitalisierung und Innovation
Die Handelskammer begrüsst es, dass die Chancen der Digitalisierung zur Vernetzung und effizienteren Nutzung aller Verkehrsmittel und -formen erkannt werden. Wir bedauern jedoch, dass in dem vorliegenden Strategiepapier, welches die Stossrichtung für die nächsten 10 bis 15 Jahre festlegen soll, darauf verzichtet wird, künftige Möglichkeiten zu antizipieren und gezielt Massnahmen vorzubereiten, um innovative Verkehrsmittel, -formen und mögliche Verknüpfungen davon zu erleichtern. Die Handelskammer hat sich dieser Aufgabe in einem eigenen Themendossier «Mobil in die Zukunft» gewidmet. Das Papier soll Impulse und Denkanstösse bieten, ohne den Anspruch auf eine direkte Umsetzbarkeit zu erheben. Wir laden den Regierungsrat ein, unsere Ideen aufzunehmen und deren Anwendbarkeit zu prüfen. Zur Unterstützung in diesem Bereich ist die Handelskammer jederzeit bereit.
Luftverkehr und Schifffahrt
Die Handelskammer bedauert, dass sich die Mobilitätsstrategie bewusst auf den Landverkehr beschränkt. Für eine Gesamtsicht der Mobilität und die Nutzung von Synergien, ist es notwendig, dass der Luftverkehr und die Schifffahrt zumindest mitgedacht werden. Dies auch aufgrund der Tatsache, dass mit dem EuroAirport und den Schweizerischen Rheinhäfen die zwei wohl bedeutendsten Verkehrsinfrastrukturen der Region diesen Verkehrsdimensionen zugeordnet sind. Die Mobilität der Zukunft wird verstärkt verkehrsträgerübergreifend funktionieren. Wir würden es deshalb begrüssen, wenn die Verknüpfungen des Landverkehrs mit dem Luftverkehr und der Schifffahrt in einem Kapitel der Mobilitätsstrategie abgehandelt würden, auch wenn die strategischen Grundsätze der bisher ausgeklammerten Verkehrsdimensionen im kantonalen Richtplan definiert sind.
Handlungsfelder
Aufgrund der in der Mobilitätsstrategie ab Seite 42 aufgeführten Wirkungsabschätzung beurteilt die Handelskammer die Handlungsfelder «Kollektive Mobilitätsangebote erweitern» und «Mobilität regional denken und gemeinsam lösen» als besonders zielführend, da sie die grössten Beiträge für das Erreichbarkeitsziel leisten. Auch dem Handlungsfeld «Chancen von Digitalisierung und Innovation» kommt in der von der Handelskammer vorgesehenen Form steigende Bedeutung zu.
Massnahmenplan: «Aktive Mobilität priorisieren und ausbauen»
Die Handelskammer begrüsst die Umsetzung der geplanten Velorouten. Diese tragen zur Erhöhung der Erreichbarkeit bei, stärken die Attraktivität dieses klimaneutralen Verkehrsträgers und ermöglichen nicht zuletzt die Ausschöpfung des Potenzials von E-Bikes. Wir unterstützen deshalb grundsätzlich das Umsetzungsprogramm Teilrichtplan Velo sowie die Realisation im Rahmen der Aggloprogramme. Darüber hinaus schlagen wir in unserem Themendossier «Mobil in die Zukunft» eine Reihe weiterer Velorouten vor, welche sich in ein kantons- und länderübergreifendes Gesamtnetz an Velobahnen integrieren lassen. Die von uns vorgeschlagenen Velorouten tragen auch zur Erschliessung der Entwicklungsgebiete Klybeck und Bachgraben bei.
Der Schaffung einer zusätzlichen Velofachstelle innerhalb der kantonalen Verwaltung stehen wir skeptisch gegenüber, da das Amt für Mobilität aus unserer Sicht bereits heute über genügend personelle Ressourcen verfügt.
Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit, gerade für die vulnerablen Fussgängerinnen und Velofahrer, spricht sich die Handelskammer für eine zusätzliche Entflechtung der Verkehrsträger aus, wo dies baulich umsetzbar ist.
Abzulehnen ist der von Seiten des Kantons stark forcierte Aufbau und Betrieb des Veloverleihsystems. Stattdessen sollte sich der Kanton auf das Angebot privater Initiativen beziehen, die in anderen Städten bereits erfolgreich etabliert sind. Bei der Ausschreibung sollte auf ein offenes und realistisch ausgestaltetes Pflichtenheft geachtet werden, welches von den Anbietern auf dem freien Markt eingehalten werden kann.
Massnahmenplan: «Kollektive Mobilitätsangebote erweitern»
Die Massnahmen im Handlungsfeld «Kollektive Mobilitätsangebote erweitern» werden von der Handelskammer grossmehrheitlich befürwortet. Wie unter Gesamtwürdigung ausgeführt, begrüssen wir insbesondere den notwendigen Ausbau der Infrastruktur für den öffentlichen Verkehr. Das Potenzial der trinationalen S-Bahn für die grenzüberschreitende Mobilität, die Bewältigung des künftigen Verkehrsaufkommens sowie die Verlagerung von Strasse auf Schiene schätzen wir besonders hoch ein. Von grosser Bedeutung für den Ausbau der grenzüberschreitenden S-Bahn ist der Bahnanschluss des EuroAirport, welcher mit der kürzlich publizierten Gemeinnützigkeitserklärung der Préfecture du Haut-Rhin eine weitere Hürde überwunden hat. An dieser Stelle möchten wir zudem betonen, dass wir uns – wie der Kanton Basel-Stadt auch – dezidiert für eine Umsetzung des Herzstücks inklusive der Haltestelle Klybeck aussprechen. Dies stellt aus siedlungspolitischen Gründen und zur Erreichung nationaler Ziele die beste Option dar. Besonders für die Erschliessung des Klybeckareals ist die Haltestelle Klybeck eine Notwendigkeit.
Wir würden es allgemein begrüssen, wenn der Erschliessung von Transformationsarealen mehr Gewicht beigemessen würde. Da solche Flächen mit zahlreichen neuen Wohnungen und tausenden Arbeitsplätzen ein starkes Verkehrsaufkommen generieren, muss Ihnen bei der Verkehrsplanung besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. In unserem Themendossier zeigen wir auf, wie wir uns die Erschliessung des Bachgrabenareals und des Klybeckareals mit neuen Verkehrsträgern vorstellen könnten. Nicht unerwähnt soll indes die als Massnahme aufgeführte Verlängerung der Buslinie 64 zur Erschliessung des Bachgrabenareals bleiben, welche wir sehr begrüssen.
Für die Erschliessung von Entwicklungsarealen, zur Sicherstellung der Erreichbarkeit und zur Bewältigung des städtischen Verkehrsaufkommens übernimmt auch das Tramnetz zurzeit eine wichtige Rolle. Neue Teilstrecken zur Optimierung der Funktionalität und Stabilität des Netzes werden deshalb explizit unterstützt. Es sollte jedoch geprüft werden, ob ergänzend zum Tram punktuell alternative Verkehrsträger – beispielsweise der Peoplemover – zum Einsatz kommen könnten. Auf einzelnen Strecken ist zudem der Einsatz von Gelenkbussen effizienter und mit tieferen Investitionskosten verbunden als die Einrichtung von neuen Tramlinien.
Schliesslich befürwortet die Handelskammer die im Massnahmenplan aufgeführte Unterstützung privater Initiativen zur Erhöhung der Fahrzeugauslastung (Ridesharing, Ridepooling) explizit.
Massnahmenplan: «Flächenverbrauch des Verkehrs reduzieren»
Wie unter «Gesamtwürdigung» ausgeführt stehen wir Massnahmen kritisch gegenüber, die eine partikulare Version von Lebensqualität fördern sollen und dabei die Erreichbarkeit für alle einschränken. Zu erwähnen sind hierbei unter anderem die geplante Einführung von grössen- und emissionsabhängigen Parkgebühren, der Abbau von Fahrspuren des MIV, die Durchfahrtssperren sowie autofreie Strassen. Einzelne Massnahmen davon erwecken den Eindruck, dass damit – wenn auch in milderem Ausmass– die Stossrichtung der Stadtklima-Initiativen vorweggenommen wird. Die beiden Initiativen fordern, dass in den kommenden zehn Jahren 10 Prozent der Strassenfläche in Basel-Stadt aufgehoben wird. Die Vorwegnahme des Volksentscheides empfinden wir als unangebracht.
Neben der Einschränkung der Erreichbarkeit befürchten wir etwa bei grössen- oder emissionsabhängigen Parkgebühren zusätzlichen administrativen Aufwand für die Behörden sowie eine umständliche Handhabung, gerade für externe Gäste. Auch der «Autofreiheit» für neuerschlossene Gebiete stehen wir skeptisch gegenüber. Das Beispiel des Wolfareals zeigt, wie widersinnig die «autoarme» Planung von Transformationsarealen sein kann. So könnte dieses Gebiet mit direktem Zugang zur Autobahn mit einem genügenden Parkplatzangebot als multimodaler Hub und Ort zum Umstieg vom Auto auf den öffentlichen Verkehr dienen.
Die Handelskammer begrüsst es, dass nun die Umsetzung der Quartierparkings endlich angegangen werden soll. Dies kommt auch der Erreichbarkeit zugute und kann beispielsweise bei der Erschliessung von Entwicklungsgebieten helfen. Quartierparkings sollen wie weiter unten genauer ausgeführt wird durch Mittel aus dem Pendler- bzw. Mobilitätsfonds finanziert werden. Zentral ist neben der Finanzierung jedoch auch, dass Quartierparkings in angemessener Grösse bei den Bebauungsplänen berücksichtigt werden. Weiter bedeutsam ist aus Sicht der Handelskammer, dass flankierende Massnahmen, wie etwa die Reduktion von Parkflächen auf der Allmend, nicht vor der Realisierung der Quartierparkings umgesetzt werden.
Den Bestrebungen im Bereich der Shared Mobility stehen wir positiv gegenüber. Insbesondere die Vernetzung verschiedener Verkehrs- und Sharingangebote untereinander in Sharing-Hubs ist zu begrüssen.
Massnahmenplan: «Stadt der kurzen Wege verwirklichen»
Die Optimierung des in der Mobilitätsstrategie etwas vernachlässigten Güterverkehrs begrüssen wir ausdrücklich. Dass Personen- und Güterverkehr genau aufeinander abgestimmt werden, ist für ein funktionierendes Gesamtverkehrssystem zentral. Zudem ist zur Verringerung des städtischen Güterverkehrs und zur Erhaltung der wichtigen Logistikindustrie die Sicherung von ausreichend Logistikflächen in der Stadt oder in Stadtnähe unabdingbar. Wir fordern deshalb die umfassende Umsetzung der überwiesenen Motion Hettich (21.5837), welche die Erarbeitung eines regionales Logistikflächenkonzept verlangt.
Die Handelskammer begrüsst die Idee einer Stadt der kurzen Wege, wobei kurze Distanzen zwischen Wohn-, Arbeits-, Freizeit- und Einkaufsorten angestrebt werden. Hierbei kann die Umsetzung von multimodalen Verkehrsdrehscheiben behilflich sein, an welchen mehrere Verkehrsträger und -formen zusammentreffen und wo auch Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten angesiedelt sind. Dadurch kann das individuelle Mobilitätsverhalten effizienter ausgestaltet werden. Die Umsetzung solcher Verkehrsdrehscheiben sollte – in Zusammenarbeit mit der zuständigen Stelle im Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) – verstärkt überprüft werden.
Massnahmenplan: «Treibhausgasemissionen im Verkehr auf «Netto-Null» reduzieren»
Die Handelskammer unterstützt die Klimaziele des Bundesrates. Zur Erreichung dieser Ziele erachten wir es als wichtig, dass klimaneutrale Verkehrsformen etwa durch technologische Fortschritte so attraktiv werden, dass auf klimaschädliche Fortbewegungsarten freiwillig verzichtet wird. Die generelle «Dämonisierung der Strasse» erachten wir in diesem Zusammenhang als nicht zielführend. Insbesondere die Bekämpfung auch des nicht-fossilen MIVs lehnen wir ab.
Die Förderung von Ladestationen für E-Mobilität unterstützt die Handelskammer grundsätzlich. Dies insbesondere aufgrund des hohen Nutzens zur Förderung der umweltschonenden Mobilität, der auch durch die Wirkungsanalyse des vorliegenden Entwurfs bestätigt wird. Den massiven Ausbau der Ladeinfrastruktur in Basel-Stadt (mindestens 4'000 Ladestationen) beurteilen wir jedoch als übereilt. Um diesen zu rechtfertigen, müsste vorab eine Bedürfnisanalyse durchgeführt werden. Künftige Entwicklungen wie beispielsweise die zunehmende Reichweite der Fahrzeuge könnten bereits in wenigen Jahren eine anders geartete Infrastruktur bedingen und die umfangreichen durch Steuergelder finanzierten Investitionen ins Leere laufen lassen.
Des Weiteren muss die Technologieneutralität gewahrt bleiben. So setzen unsere Nachbarländer und vermehrt auch der Bund auf Wasserstoff als möglichen Speicher von Strom aus erneuerbaren Energien. Autos, die mittels Brennstoffzelle betrieben werden, und auf Wasserstoff als Antrieb angewiesen sind, existieren bereits. Auch die Möglichkeit, «grünen Wasserstoff» zu synthetischem Kraftstoff weiterzuverarbeiten und ebenfalls CO2-neutral im Bereich des Individualverkehrs einzusetzen, existiert bereits. Kürzlich wurde zudem die erste Wasserstofftankstelle der Region in Frenkendorf in Betrieb genommen. Es ist aus heutiger Sicht unklar, welche Antriebstechnologie sich bei den unterschiedlichen Verkehrsmitteln durchsetzen wird. Es gilt daher, bei den Fördermassnahmen nicht einseitig auf den batterieelektrischen Antrieb zu setzen und ein Überangebot zu schaffen.
Der Einrichtung einer Umweltzone steht die Handelskammer skeptisch gegenüber. Insbesondere auf eine Umweltzone an strategisch wichtigen Verkehrsachsen sollte verzichtet werden, da dadurch die Erreichbarkeit massgeblich eingeschränkt werden könnte. Zudem bezweifeln wir, dass ein akuter Handlungsbedarf besteht. Denn die Werte der verschiedenen Luftschadstoffe sind an den baselstädtischen Messstationen seit vielen Jahren stark rückläufig. Dies gilt auch für Standorte wie die Feldbergstrasse, welche eine im Vergleich stärkere Belastung aufweisen. Verantwortlich für diese Entwicklung ist der technologische Fortschritt bei der Elektrifizierung des MIV. Wir plädieren deshalb dafür, in diesem Bereich auf eine zusätzliche Regulierung zu verzichten.
Unsere Einschätzung zur Förderung von autofreien Haushalten und Arealen entspricht den Ausführungen zum Handlungsfeld «Flächenverbrauch des Verkehrs reduzieren» und wird hier nicht nochmals wiederholt.
Massnahmenplan: «Mobilität regional denken und gemeinsam lösen»
Da der Metropolitanraum Basel funktional zusammenhängt, ist es zwingend, Mobilität regional zu denken und zu planen. Entsprechend ergibt es Sinn, Verkehrskonzepte regional auszugestalten. Die Handelskammer teilt ebenfalls die in der Vorlage vertretene Einschätzung, dass der Trimodale Containerterminal Basel Nord als zentrale Infrastruktur unverzichtbar für die Bewältigung des Güterverkehrs ist. Dies insbesondere, da Basel als Tor zur Schweiz bei der Bewältigung der Warenströme eine nationale Rolle spielt. Wie in der Vernehmlassungsvorlage erwähnt, kommt dem Containerterminal auch eine grosse Bedeutung für die Erreichung der Verlagerungsziele des Bundes zu. Ebenfalls wichtig für die grenzüberschreitende Mobilität ist der Bahnanschluss des EuroAirports, welcher nicht nur als Anbindung des Flughafens, sondern auch als (französischer) Teil der trinationalen S-Bahn grosse Bedeutung hat.
Die Handelskammer fordert jedoch ein klareres Bekenntnis zum Ausbau des Hochleistungsstrassennetzes, welches in der Region Basel an seine Kapazitätsgrenzen stösst. Dieser Ausbau ist notwendig für die Erhaltung und Verbesserung der Erreichbarkeit.
Der Grosse Rat hat im Juni 2021 im Rahmen der «Künftigen Parkierungspolitik» den heutigen Pendlerfonds, der zwecks Förderung von Park & Ride- sowie Bike & Ride-Anlagen im Umland eingeführt wurde, in einen «Mobilitätsfonds» umgewandelt. Mit dem neuen «Mobilitätsfonds» soll die Mitfinanzierung von Bike & Ride-Anlagen und Quartierparkings höchstens noch subsidiär mit einem kleinen Teil der finanziellen Mittel möglich sein. Stattdessen werden mit den Mitteln des ausschliesslich von den Autofahrerinnen und Autofahrern gespiesenen Fonds neu in erster Linie Planungs-, Betriebs- und Investitionskosten von Massnahmen, die gegen den MIV ausgerichtet sind, finanziert. Die Handelskammer fordert, dass auch künftig ein möglichst grosser Anteil der Fondsgelder im ursprünglichen Sinne des Fonds sowie zugunsten von Quartierparkings eingesetzt wird.
Massnahmenplan: «Chancen von Digitalisierung und Innovation nutzen»
Die Handelskammer begrüsst es, dass die Chancen der Digitalisierung zur Vernetzung und effizienteren Nutzung aller Verkehrsmittel und -formen erkannt werden. Wir bedauern jedoch, dass in dem vorliegenden Strategiepapier, welches die Stossrichtung für die nächsten 10 bis 15 Jahre festlegen soll, darauf verzichtet wird, künftige Möglichkeiten zu antizipieren und gezielt Massnahmen vorzubereiten, um innovative Verkehrsmittel, -formen und mögliche Verknüpfungen davon zu erleichtern. Die Handelskammer hat sich dieser Aufgabe in einem eigenen Themendossier «Mobil in die Zukunft» gewidmet. Der Fokus des Dokuments liegt auf modernen Verkehrssystemen und neuartigen Mobilitätsformen. Wir würden es als sinnvoll empfinden, wenn auch die Mobilitätsstrategie des Kantons Basel-Stadt nicht nur die bestehenden Verkehrsträger in die Planung miteinbeziehen, sondern auch künftige Verkehrsmittel mitdenken würde. So sollte die Anwendung von Peoplemovern, Rolltreppen, automatisierten Minibussen, Elektrobooten und Ähnlichem geprüft werden. Dies gilt ebenso für neue Mobilitätsformen wie etwa Sharing oder Pooling, aber auch die effiziente Anwendung von multimodalen Verkehrsdrehscheiben. All dies wird im Vernehmlassungsentwurf nur oberflächlich abgehandelt. Ein strategisches Ziel sollte aus unserer Sicht sein, die verschiedenen Verkehrsmittel und -formen des ÖV genauer auf ihre Anwendbarkeit für eine spezifische Situation zu analysieren. Das Themendossier der Handelskammer bietet dazu Impulse und Denkanstösse, ohne den Anspruch auf eine direkte Umsetzbarkeit zu erheben. Wir laden den Regierungsrat ein, unsere Ideen aufzunehmen und deren Anwendbarkeit zu prüfen. Zur Unterstützung in diesem Bereich sind wir jederzeit bereit.
Abgeleitet von den Erkenntnissen des Themendossiers fordern wir die zuständigen Stellen des Kantons auf, dass sie:
1. neue Mobilitätsformen und Verkehrsträger konsequent auf ihre Anwendbarkeit hin prüfen,
2. Planungs- und Genehmigungsverfahren bei Infrastrukturbauten im Verkehrsbereich beschleunigen,
3. Pilotversuche bei neuen und innovativen Mobilitätsformen und Verkehrsträgern durch schlanke und progressive Verfahren fördern,
4. grenzüberschreitende Planungen neuer Mobilitätsformen und Verkehrsträger, beispielsweise im Rahmen von AggloBasel, und die Zusammenarbeit mit privaten Anbietern forcieren sowie
5. unternehmerische Initiativen für neue und innovative Mobilitätsformen und Verkehrsträger begünstigen.
6. Der Kanton Basel-Stadt soll zudem strategische Entwicklungsprogramme für Verkehrsprojekte erarbeiten, analog zu jenen des Bundes. Diese dienen als Grundlage für Ausbauprogramme und verkehrsträgerübergreifende Kredite, die gemeinsam beschlossen werden.
Dass die Mobilitätsstrategie des Kantons Basel-Stadt die Digitalisierung hauptsächlich zur Realisierung von Dosierungsanlagen und der Verteuerung des MIV durch neue Bezahlmechanismen wie dem Road Pricing einsetzen möchte, empfinden wir indes als verpasste Chance und wenig visionäre Nutzung von künftigen Möglichkeiten.
Die Position der Handelskammer zum Road Pricing ist bekannt. Wir befürworten den Ansatz des Mobility Pricings als marktwirtschaftliches Instrument zum Management der Kapazitäten, indem Verkehrsspitzen über Kostenanreize möglichst gebrochen werden. Ein reines Road Pricing lehnen wir jedoch ab.
Fazit
Der vorliegende Entwurf geht aus Sicht der Handelskammer viele wichtige Problemfelder des Balser Verkehrssystems an und zeigt mögliche Wege auf, um einen bedeutenden Beitrag zur Reduktion der Treibhausgase zu leisten. Dennoch ist die Mobilitätsstrategie in heutiger Form noch zu unausgewogen. Wir bitten den Regierungsrat entsprechend, das Dokument unter Berücksichtigung unserer Anregungen zu überarbeiten. Insbesondere fordern wir eine Neugewichtung der Wirkungsziele und damit die stärkere Priorisierung des Erreichbarkeitsziels, die Beachtung der Ideen, Impulse und Forderungen aus dem Themendossier «Mobil in die Zukunft» zur Nutzung der Digitalisierungschancen sowie den Miteinbezug der Schnittstellen zur Schifffahrt und zum Luftverkehr.
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1) Medienmitteilung des Bau- und Verkehrsdepartement vom 14.03.2022