Bundesgesetz über die Forschung am Menschen

16.08.2023

Die geplante Revision des Ausführungsrechts zum Humanforschungsgesetz wird von der Handelskammer beider Basel prinzipiell begrüsst, insbesondere hinsichtlich der Digitalisierung. Dennoch bestehen Bedenken hinsichtlich neuer bürokratischer Hürden und der Praktikabilität einiger Änderungen. Die vorgeschlagenen Regelungen könnten die Sekundärnutzung von Daten erschweren und den Forschungsstandort Schweiz schwächen. Die Handelskammer fordert eine Überdenkung der Änderungen, um Innovation und wissenschaftliche Fortschritte nicht zu hindern. Die Einbindung in den internationalen Kontext durch Anlehnung an EU-Rechte ist lobenswert und zukunftsweisend.

Hintergrund und Grundsätzliches

Das BAG überarbeitet das Ausführungsrecht zum Humanforschungsgesetz, um es an nationale und internationale Entwicklungen in der Humanforschung anzupassen. Obwohl der Bundesrat das BAG Ende 2019 damit beauftragt hatte, musste die Revision wegen der Corona-Pandemie bis Juli 2022 pausiert werden. Ziel der Revision ist die Optimierung der Rahmenbedingungen und Transparenz, die Berücksichtigung digitaler Entwicklungen in der Forschung und die Anpassung der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen. Betroffen sind diverse HFG-Verordnungen sowie die Stammzellenforschungsverordnung.

Wir erkennen die Bemühungen des Bundesrats an, sich an den technischen Fortschritt in der klinischen Forschung am Menschen anzupassen und unterstützen grundsätzlich den Ansatz einer Weiterentwicklung. Die Schweiz, mit ihrer global bedeutenden Pharmaindustrie, bietet einen wesentlichen Beitrag zur Arzneimittelentwicklung und Innovation. Eine zentrale Rolle spielt dabei die klinische Forschung. Es liegt in der Hand des Gesetzgebers, dafür den adäquaten rechtlichen Rahmen zu schaffen.

Die bisherigen Erfahrungen mit dem 2014 eingeführten Humanforschungsgesetz zeigen, dass eine Revision des Verordnungsrechts notwendig ist. Bei der Umsetzung neuer Verordnungen sollten Machbarkeit und die Optimierung der Gesundheitsversorgung im Mittelpunkt stehen. Eine Betrachtung der vorgeschlagenen Änderungen zeigt jedoch einige kritische Punkte auf, die die Praxis erheblich beeinflussen wird. Die beabsichtigten Ziele der Revision – verbesserte Transparenz, Einbindung der Digitalisierungsentwicklung und klare Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Kantonen – werden aus unserer Sicht nur teilweise erreicht. Die Revision bringt neue bürokratische Hürden und zusätzlichen Verwaltungsaufwand mit sich, ohne den Mehrwert für Patientensicherheit und Studienqualität klar darzulegen. Besonders problematisch ist die geplante Erschwerung der Sekundärnutzung von Daten. Dies steht im Gegensatz zu aktuellen nationalen Investitionen in die Förderung der digitalen Transformation im Gesundheitswesen (DigiSanté). Auch fehlt ein ausdrückliches übergeordnetes Ziel, die Forschung und Behandlungsmöglichkeiten für Patienten zu unterstützen. Die Anpassung an EU-Recht wird jedoch positiv gesehen, da sie die internationale Integration der Schweiz fördert und grenzüberschreitende Forschungsprojekte unterstützt.

Die vorgeschlagene Revision wird die Bedingungen für klinische Forschung und die Sekundärnutzung von Daten in der Schweiz eher verschlechtern und nicht verbessern und wird zu erhöhter Bürokratie, Kosten und Zeitaufwand führen, ohne signifikante Vorteile für Patientensicherheit, Datenschutz oder Studienqualität zu bieten, werden die bürokratischen Hürden nicht abgebaut. Diese Entwicklung sendet ein ungünstiges Signal an die Life-Sciences-Industrie, die auf starke Zentren für klinische Forschung mit minimaler Bürokratie angewiesen ist. Wenn die Schweiz keine günstigen Bedingungen für klinische Forschung bieten kann, könnte die Industrie dazu neigen, Studien vermehrt im Ausland durchzuführen. Dies hätte negative Auswirkungen auf den Forschungs- und Entwicklungsstandort Schweiz, einschliesslich einer schleichenden Abwanderung von Unternehmen und Fachkräften. Darüber hinaus könnten auch die Patientinnen und Patienten in der Schweiz benachteiligt werden, da sie möglicherweise keinen Zugang zu innovativen Behandlungen und Therapien haben, die aus der klinischen Forschung hervorgehen. Langfristig könnte der Standort Schweiz für klinische Forschung geschwächt werden.

Verbesserung Rahmenbedingungen und Transparenz

Die angepasste Aufklärung gemäss KlinV soll für mehr Transparenz sorgen und Patienten über Ergebnisse informieren. Allerdings werden hierbei nicht spezifiziert, wann und wie über Ergebnisse berichtet wird. Es stellt zudem eine Herausforderung dar, Patienten im Voraus über die Aufklärung selbst aufzuklären. Effektive Aufklärungsgespräche zwischen Patienten und Mediziner sind situativ und sollten nicht durch strenge Regelungen beschränkt werden, da diese weder vorab geplant noch vollständig dokumentiert werden können. Bei genetischen Untersuchungen gibt es zusätzliche Aufklärungsanforderungen, insbesondere bei der Sekundärnutzung von Daten, da die Art der zukünftigen Untersuchung oft unbekannt ist. Es ist auch problematisch, im Protokoll zu bestimmen, ob es gesundheits- oder therapierelevante Ergebnisse gibt und wie das Recht des Patienten auf «Wissen» und «Nichtwissen» berücksichtigt wird, da dies ethische Herausforderungen in der Forschungspraxis mit sich bringt.

Berücksichtigung der Entwicklung in der Digitalisierung

Die Einführung der digitalen Einverständniserklärung im Verordnungsrecht wird grundsätzlich begrüsst, aber die vorgegebenen Einschränkungen machen sie komplizierter als die handschriftliche Variante, wodurch sie benachteiligt wird. Obwohl Datenschutz und der Schutz vor vorschneller Zustimmung als Gründe genannt werden, könnte der «Dateneigner» seine Meinung jederzeit ändern. Zusätzlich erschwert die Forderung, den «Dateneigner» alle zwei Jahre über sein Widerrufsrecht zu informieren, die Forschung erheblich, da unklar bleibt, wie intensiv der Kontaktversuch sein sollte. Die Erschwernis der Sekundärnutzung von Daten steht im Gegensatz zu nationalen Bestrebungen, die Datenverwendung zu fördern. Eine «Opt-out»-Lösung, wie sie in der Schweiz schon beim Krebsregister besteht und in anderen europäischen Ländern praktiziert wird, könnte besser die Patientenrechte berücksichtigen. Schliesslich wird die Möglichkeit der Datenanonymisierung erwähnt, aber die neue Anforderung zur Bewertung des Re-Identifikationsrisikos und die unklare Formulierung bezüglich des «aktuellen Standes der Technik» werden praktische Herausforderungen für Forscher darstellen.

Schärfung der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen

Der Revisionsvorschlag sieht vor, dass Swissethics einen Teil der Aufgaben des BAG übernimmt und die Harmonisierung zwischen den Ethikkommissionen koordiniert, die in der Zuständigkeit der Kantone liegen. Dies überschneidet sich mit den Aufgaben der Koordinationsstelle Forschung am Menschen (kofam), die für die «Koordination der Prüfbehörden» zuständig ist. Diese Doppelspurigkeit führt zu unklaren Zuständigkeiten und möglichen widersprüchlichen Vorgaben, was Verunsicherung in der Schweizer Forschung verursacht. Für multizentrische Studien in der Schweiz wäre eine klare Zuständigkeitsverteilung und eine einzige Überprüfung durch die Leitethikkommission wünschenswert.

Forderungen

Die Revision sollte ihre Ziele, wie die Steigerung der Transparenz, Berücksichtigung der digitalen Entwicklungen und klare Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen, konsequent verfolgen. Es ist essenziell, die bürokratischen Barrieren sowie den administrativen Aufwand zu minimieren, besonders wenn diese nicht zur gesteigerten Patientensicherheit oder Studienqualität beitragen.

Die Regelung zur Sekundärnutzung von Daten muss überdacht werden, um sicherzustellen, dass die Forschung nicht unverhältnismässig behindert wird und im Einklang mit nationalen Bestrebungen zur Förderung der digitalen Transformation im Gesundheitswesen (DigiSanté) steht.

Eine flexiblere Handhabung der «angepassten Aufklärung» und der zusätzlichen Informationspflicht bei genetischen Untersuchungen ist unabdingbar. Das Patientengespräch sollte die Möglichkeit haben, situativ zu verlaufen, ohne durch zu strenge Vorgaben eingeschränkt zu werden.

Es sollte dringend über die vorgeschlagenen Einschränkungen zur digitalen Einverständniserklärung nachgedacht werden, um nicht die digitale Variante gegenüber der handschriftlichen Einverständniserklärung zu benachteiligen. Für eine landesweite Datenverknüpfung sollte der Generalkonsent digital, personenbezogen und international anerkannt sein, begleitet von einem Consent Management System und einer schweizweiten Personenidentifikationsnummer. Die digitale Infrastruktur und Datennutzungsbedingungen müssen weiterentwickelt und Verschlüsselungs- und Anonymisierungsregeln präzisiert werden, um datenbasierte Forschung zu unterstützen. Eine konsequente Digitalisierung des Gesundheitswesens ist dringend notwendig und die Möglichkeit zur digitalen Einverständniserklärung ist ein entscheidender Schritt in dieser Transformation hin zu einer datenbasierten Gesundheitswirtschaft. Die HFV sollte seine Anforderungen an die dynamische Entwicklung im Bereich der Datennutzung, Forschung und künstlichen Intelligenz anpassen, um die Forschung in der Schweiz effizient voranzutreiben.

Es ist von höchster Bedeutung, klare Zuständigkeiten und Aufgaben für Swissethics und die Koordinationsstelle Forschung am Menschen festzulegen, um mögliche Verunsicherungen zu beseitigen und die Forschung in der Schweiz zu stärken. Durch die Stärkung der Befugnisse der Swissethics soll eine bessere Aufgabenteilung von Bund und Kantonen erreicht werden. Was fehlt ist eine klare Regelung, wie die Befugnisse der Kantone eingeschränkt werden sollen, um eine Doppelspurigkeit zu vermeiden.

Zuletzt betonen wir die Wichtigkeit, dass trotz Bemühungen um eine Angleichung an das EU-Recht die geplante Revision die Forschungsbedingungen in der Schweiz nicht verschärfen sollte. Ein solcher Schritt könnte den Forschungsstandort Schweiz mittel- bis langfristig beeinträchtigen. Zur Förderung von Studien in der Schweiz sind positive Anreize und das Abbauen von Hürden essenziell. Ein neu einzuführendes Fast Track Verfahren für Therapien mit hohem medizinischem Bedarf könnte solch ein Anreiz sein. Besonders bei Studien zu neuartigen Therapien sollten bestehende Hindernisse entfernt werden, etwa indem bestimmte Therapien von der Freisetzungsverordnung ausgenommen werden. Bei multinationalen Studien sind Schweiz-spezifische Anforderungen im Prüfplan oft nicht praktikabel; alternative Dokumentationsformen sind hier nötig.

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