Stopp der Hochpreisinsel – für faire Preise (Fair-Preis-Initiative)

21.11.2018

Die Handelskammer beider Basel setzt sich für den Abbau von Wettbewerbseinschränkungen und für freien Handel ein. Der weitere Abbau von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen ist für die Wirtschaft in der Region Nordwestschweiz zentral. Die Handelskammer anerkennt das Bedürfnis von diversen Branchen und Konsumentenorganisationen, die Benachteiligung durch höhere Preise in der Schweiz zu bekämpfen und ungerechtfertigte Zuschläge zu verbieten. Gleichzeitig kann die Handelskammer einer bürokratischen und schwer durchsetzbaren Lösung, wie der vorliegenden Änderung des Kartellgesetzes, nur wenig abgewinnen und zweifelt daran, ob mit diesen Massnahmen die gesteckten Ziele erreicht werden können. Die Handelskammer beider Basel fordert stattdessen den weiteren Abbau von Handelshemmnissen. Durch eine solche Stärkung des Wettbewerbs kann die «Hochpreisinsel Schweiz» wirksam bekämpft werden.

Die eidgenössische Volksinitiative «Stop der Hochpreisinsel – für faire Preise (Fair-Preis-Initiative)» ist am 17. Januar 2018 mit 107'889 gültigen Unterschriften zustande gekommen. Die Initiative will die höheren Preise in der Schweiz im Vergleich mit dem Ausland bekämpfen und fordert dafür eine Ergänzung der Bundesverfassung. Mit der Ergänzung soll erreicht werden, dass nicht mehr nur der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten ist. Neu wären auch relativ marktmächtige Unternehmen betroffen, von denen andere Unternehmen in einer Weise abhängig sind, dass keine ausreichenden und zumutbaren Möglichkeiten bestehen, auf andere Unternehmen auszuweichen. Diese relativ marktmächtigen Unternehmen müssten sich demnach ebenso wie marktbeherrschende Unternehmen verhalten: Nämlich so, dass sie - vorbehältlich einer Rechtfertigung aus sachlichen Gründen – die Möglichkeit für ihre Nachfrager nicht einschränken, Waren oder Dienstleistungen, die in der Schweiz und im Ausland angeboten werden, im Staat ihrer Wahl zu den dort von den Unternehmen praktizierten Preisen zu beziehen. Preisdifferenzierungen blieben zulässig, solange Unternehmen nicht wettbewerbswidrige Ziele verfolgten und keine Wettbewerbsverzerrungen verursachten.

Der Bundesrat hat am 9. Mai 2018 entschieden, das Kernanliegen der Initiative in einem indirekten Gegenvorschlag umzusetzen und eröffnete dazu am 22. August 2018 das Vernehmlassungsverfahren.

Der indirekte Gegenvorschlag schlägt eine Ergänzung des Kartellgesetzes (KG) vor. Die Änderung des KG sieht vor, dass relativ marktmächtige in- und ausländische Unternehmen verpflichtet werden können, Unternehmen aus der Schweiz auch über Lieferkanäle im Ausland zu beliefern. Dadurch sollen die Möglichkeiten für Parallelimporte geschaffen und der Wettbewerb gestärkt werden. Das KG würde ein relatives marktmächtiges Unternehmen wie folgt definieren:

Art. 4 Abs. 2bis
Als relativ marktmächtiges Unternehmen gilt ein Unternehmen, von dem andere Unternehmen bei der Nachfrage einer Ware oder Leistung in einer Weise abhängig sind, dass keine ausreichenden und zumutbaren Möglichkeiten bestehen, auf andere Unternehmen auszuweichen.

Art. 7a Unzulässige Verhaltensweisen relativ marktmächtiger Unternehmen
Ein relativ marktmächtiges Unternehmen verhält sich unzulässig, wenn es durch den Missbrauch seiner Stellung auf dem Markt von ihm abhängige Unternehmen in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindert, indem es diesen Unternehmen den Bezug einer Ware oder Leistung im Ausland zu den dort von ihm praktizierten Preisen und Geschäftsbedingungen ohne sachliche Gründe verweigert.

Die Handelskammer beider Basel nimmt im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens Stellung zum dargestellten indirekten Gegenvorschlag sowie zur Volksinitiative.

Konzeption

Die Preisbildung in einer Marktwirtschaft ist eine Frage von Angebot und Nachfrage. Sowohl die Initiative als auch der indirekte Gegenvorschlag wollen die Schweiz weniger abschotten, in dem sie verbieten wollen, dass Schweizer Unternehmen grundlos an Schweizer Lieferanten mit höheren Preise verwiesen werden. Die Handelskammer beider Basel setzt sich für stärkeren Wettbewerb und gegen die Abschottung der Schweiz ein. Gleichzeitig wehrt sich die Handelskammer gegen weitgehende regulatorische Eingriffe – insbesondere wenn die Durchsetzbarkeit trotz grossen bürokratischen Aufwands nicht sichergestellt werden kann.

Folgende wettbewerbsökonomischen Aspekte sind für die Beurteilung des indirekten Gegenvorschlages und der Initiative relevant:

  • Die Beurteilung, ob eine relative Marktmacht vorliegt, führt zu vielen Einzelfallbeurteilungen. Dabei wird der Fokus auf das Verhältnis zwischen zwei Marktteilnehmern gelegt und nicht auf den Schutz des Wettbewerbes generell. Sollten mittels Initiative oder Gegenvorschlag lediglich die aktuellen Verhältnisse verdeutlicht werden oder aber die Wettbewerbskommission (WEKO) zu entschiedenerem Vorgehen angehalten werden, so hält die Handelskammer beider Basel eine öffentliche Bekanntmachung oder aber eine Regulierung auf Verordnungsebene für die geeignetere Lösung.
  • Der Gegenvorschlag schliesst inländische Nachfragesachverhalte aus und fokussiert sich auf die grenzüberschreitenden. Damit kann sich die WEKO gemäss dem Bundesrat auf jene Vorgänge konzentrieren, die den Schweizer Markt abschotten. Auch verzichtet der Gegenvorschlag auf die in der Initiative vorgesehene «Re-Import-Klausel», die wohl gegen Handelsverpflichtungen («Nichtdiskriminierung») verstossen würde. Damit ist das volkswirtschaftliche Schadenspotenzial des Gegenvorschlags deutlich geringer einzustufen als dasjenige der Initiative.
  • Die bisher bekannten Wettbewerbsverfahren hängen zentral von der Beweislage ab. Hier sind die Behörden auf aktive, konkrete und detaillierte Informationen seitens der mutmasslich «Verletzten» angewiesen - insbesondere bei Fragen der «relativen Marktmacht». Dies gilt sowohl für das aktuelle Gesetz, die Initiative wie auch den Gegenvorschlag. Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Sachverhalt nicht in der Schweiz abspielt. Will man das «Recht auf Einkauf zu den dort geltenden Bestimmungen» geltend machen, müssen die Verhältnisse vor Ort bekannt sein. Die WEKO wäre somit auf die Mithilfe ausländischer Wettbewerbsbehörden angewiesen. Das Konzept der «relativen Marktmacht» ist aber nicht Bestandteil des europäischen Kartellrechts. Kurzum: Die geforderten Kartellrechtsbestimmungen sind nicht kompatibel mit denjenigen im Ausland. Die WEKO würde daher bei der Sachverhaltsermittlung keine Hilfe von ausländischen Behörden erhalten. Dadurch wären die Schweizer Bestimmungen entweder nicht vollständig durchsetzbar oder aber die WEKO müsste sich selber vermehrt engagieren in der Indiziensuche und der Beweismittelüberprüfung, was einen enormen Aufwand bedeuten würde.
  • Ob die direkte Beschaffung im Ausland tatsächlich zu besseren Konditionen führt, ist meist nicht hinreichend belegbar. In einem der bekanntesten Fälle beschaffte der Basler Wirteverband Coca-Cola direkt im Ausland. Die WEKO-Abklärung in diesem Fall konnte lediglich eine minimale Differenz aufzeigen.
  • Die Preise für die Endkunden hängen nur teilweise von den Importpreisen der Produkte ab. Entscheidender sind Lohnkosten, Gebühren und weitere standortabhängige Kosten.
  • Korrekterweise verzichten sowohl Initiative als auch der indirekte Gegenvorschlag auf direkte Sanktionen. Die Lage der "relativen Marktmacht" ist für Unternehmen kaum im Voraus abschätzbar. Direkte Sanktionsmöglichkeiten würden demnach gegen strafrechtliche Prinzipien verstossen.
Forderungen

Aus Sicht der Handelskammer ist die Umsetzbarkeit dieses populären Anliegens schwierig einzuschätzen. In einer Gesamtschau scheinen die wohlfahrtsmindernden Regulierungsaufwände nicht durch potentiell wohlfahrtsfördernde tiefere Preise aufgewogen. Fehlende internationale Standards in diesem Bereich führen zu einem Dilemma für die WEKO: Entweder sie betreibt einen enormen Aufwand für die Beweismittelbeschaffung oder aber sie setzt ihren gesetzlichen Auftrag nicht vollständig um. Zudem wird Rechtsunsicherheit geschaffen, da Unternehmen selten im Voraus bekannt ist, ob sie für ein anderes Unternehmen eine relative Marktmacht darstellen.

Die Handelskammer beider Basel fordert den Bundesrat deshalb auf, vom indirekten Gegenvorschlag in der vorliegenden Form abzukommen und stattdessen auf dem Verordnungsweg die aktuellen Verhältnisse zu verdeutlichen. Gegen ein entschiedeneres Vorgehen der WEKO wehrt sich die Handelskammer beider Basel nicht, womit einem Teil der Anliegen der Initianten entsprochen werden könnte.
Generell muss die Antwort auf wettbewerbsverzerrende Praktiken mehr Wettbewerb sein. Deshalb setzt sich die Handelskammer beider Basel weiterhin für den Abbau von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen ein und gegen eine Abschottung der Schweiz. Dadurch wird dem Anliegen der Initianten in der langen Frist besser entsprochen und dies ohne wohlfahrtsmindernde Regulierungen. Im Gegenteil: Es könnten gar solche abgebaut werden.

Fazit

Bei dieser Vorlage ist für die Handelskammer zentral, dass keine neuen Regulierungen eingeführt werden, die nur aufwändig durchgesetzt werden können und gleichzeitig keinen klaren Nutzen aufweisen. Die vorgeschlagenen Massnahmen sind nach Meinung der Handelskammer beider Basel nicht die idealen, um dem berechtigten Anliegen – der Bekämpfung von Preisdiskriminierungen – zu entsprechen.

 

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