Wie sicher ist unsere Energieversorgung?
Wird Energie zum knappen Gut? Die Strom- und Gaspreise schnellen in die Höhe, der Bundesrat ruft zum Energiesparen auf, die Unternehmen befürchten einen Stromunterbruch, der die Wirtschaft lahmlegt. Wie sicher ist unsere Energieversorgung? Darüber haben wir uns an der Basler Energiedebatte mit Fachleuten und Wirtschaftsvertretenden unterhalten.
«Für über ein Fünftel der von uns befragten Unternehmen sind die hohen Strompreise geschäftsschädigend bis existenzbedrohend», erläutert Martin Dätwyler in seinem einleitenden Votum. Aber nicht nur die Preise bereiten Sorge, auch die Verfügbarkeit von Energie wird immer mehr zum Thema, dass die Politik und Wirtschaft beschäftigt. Wie sicher ist die Energieversorgung in der Schweiz überhaupt, lautet die zentrale Frage.
Mit 41 Grenzleitungen ans europäische Ausland gekoppelt
Philipp Isler, Chief Safety & Security Officer von Swissgrid, die als nationale Betreiberin für einen sicheren und zuverlässigen Betrieb des Übertragungsnetzes verantwortlich ist, zeigte auf, dass die Schweiz Teil eines gesamteuropäischen Stromnetzes ist: «Es gibt kein Schweizer Übertragungsnetz, wir sind mit 41 Grenzleitungen ans europäische Ausland gekoppelt.» Im Winter importiert die Schweiz heute rund 12 Prozent ihres Strombedarfs. «Eine Kooperation mit der EU ist deshalb zwingend notwendig», stellt er klar. Für eine sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Stromversorgung ist und bleibt die Einbindung in das europäische Stromsystem eine wichtige Voraussetzung, ist Isler überzeugt. Ebenso brauche es einen Ausbau inländischer Produktion mit Anreizen, damit in der Schweiz investiert wird. Und es brauche Verfahrensbeschleunigungen sowohl beim Ausbau von Produktionsanlagen als auch bei der Modernisierung des Netzes. «Heute braucht es im Schnitt 36 Jahre von der Projektierung bis zur Inbetriebnahme eines Kraftwerks», bemerkt Isler abschliessend.
«Wir haben es während Jahrzehnten verpasst, die Energiegewinnung mit politischen Entscheiden zu fördern», doppelte Monika Rühl, Direktorin von economiesuisse nach. Wegen des drohenden Energiemangels könnten Schäden von bis zu 100 Milliarden Franken auf die Schweiz zukommen. Eine Mangellage sei ein europäisches Problem, die USA und Asien seien davon nicht betroffen, was grosse weltwirtschaftliche Auswirkungen haben könne. Kurzfristig heisse das Gebot der Stunde Energiesparen, um einen Mangel im Winter zu vermeiden. Haushalte und Unternehmen können dies gemeinsam schaffen. Längerfristig genüge dies aber nicht. Denn mit der anvisierten Dekarbonisierung erhöhe sich unser Stromverbrauch weiter um bis zu 50 Prozent. Um dies zu kompensieren, müsste man alle Dachflächen der Schweiz drei Mal mit Photovoltaik ausrüsten. Es sei also essenziell, dass wir in die Schweizer Energieproduktion investieren, in die Wasser-, Wind- und Solarkraft. «Darüber hinaus müssen wir offen für neue Technologien sein», ruft Rühl auf.
Die Diskussionsteilnehmenden des anschliessenden Panels waren sich darin einig, dass die Lage angespannt sei. Kommt ein langer strenger Winter, fallen Grosskraftwerke aus, gehen die französischen AKWs nach ihrer Wartung nicht termingerecht ans Netz, so sei die Energieversorgung unsicher, so Conrad Ammann, CEO Primeo Energie und Claus Schmidt, CEO IWB. Grosskunden seien sogar für eine Kontingentierung offen, um Stromabschaltungen zu vermeiden, die weitreichende Konsequenzen für die Unternehmen hätten. «Längerfristig müssen wir uns an höhere Energiepreise gewöhnen», ist Ammann überzeugt. Dass eine Dekarbonisierung weiter angestrebt werden soll, war bei allen Teilnehmenden unbestritten.
Murat Aydemir von GETEC Switzerland plädierte kurzfristig für kreative Lösungen wie den Kälte-/Wärmeaustausch zwischen Unternehmen. Langfristig sieht er grosse Chancen in der grünen Wasserstofftechnologie. Hier sollte die Schweiz seiner Meinung nach mit ihrer Innovationskraft eine Vorreiterrolle einnehmen. Auch wir setzen uns mit Partnern aus dem Dreiland dafür ein.
Patrick Hofstetter des WWF wünscht sich insbesondere einen raschen Ausbau der Solarkraft und spricht neben den technischen und politischen Voraussetzungen dafür eine weitere Problematik an: «Es fehlen die Fachleute, die solche Anlagen einrichten können. Die ersten Absolvierenden des Ausbildungsgang zum Solateur werden 2027 in den Arbeitsmarkt eintreten».
Im Powertalk fassten Martin Dätwyler und Michael Frank, Direktor VSE, zusammen, wie wir unsere Energieversorgung langfristig sichern können:
• Die Versorgungssicherheit muss als nationale Priorität angesehen werden.
• Es braucht einen klugen Energiemix und Offenheit gegenüber neuen Technologien.
• Sektorenkopplung ist nötig. Die Mobilität muss integriert werden.
• Zielkonflikte bei Bau von Energieinfrastrukturen müssen aus dem Weg geräumt werden.
• Autonomie in der Energieversorgung ist anzustreben, aber nicht zu erreichen. Wir werden immer auf Importe angewiesen sein. Deshalb braucht es den Austausch und Abkommen mit der EU.
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