Stellungnahmen zur Landratssitzung vom 2. November 2023
Die Handelskammer beider Basel nimmt zu den diversen Traktanden der Landratssitzung vom 2. November 2023 Stellung.
Traktandum 16: Rückbau Osttangente – Auswirkungen auf den Verkehr im BL; 2023/211; Postulat Rolf Blatter
Die Handelskammer beider Basel spricht sich klar für den kürzlich von National- und Ständerat befürworteten Bau des Rheintunnels aus, da mit dem Projekt bestehende Engpässe im Kern der Agglomeration Basel behoben werden und die Osttangente nachhaltig vom Durchgangsverkehr entlastet wird. Somit steht dort künftig mehr Kapazität für den Quell-, Ziel- und Binnenverkehr zur Verfügung. Die Kapazitätserweiterung wird erwartungsgemäss zu einer Verlagerung des Strassenverkehrs auf das sicherere Nationalstrassennetz führen, wodurch sich die Anzahl der Unfälle vermindert. Diese Verlagerung wird zudem zu einer Aufwertung der betroffenen Siedlungsgebiete führen und den Agglomerationskern weiter stärken. Insbesondere wird der Rheintunnel zu einer Verminderung der Luftschadstoffemissionen sowie einer Reduktion der Lärmbelastung im Siedlungsgebiet beitragen. Dies nicht zuletzt, da der Rheintunnel einen wesentlichen Teil des Schwerverkehrs aufnehmen wird.
Eine gewichtige Voraussetzung für die mit dem Projekt Rheintunnel verfolgten Ziele ist der Kapazitätserhalt auf der bestehenden Osttangente. Nur wenn die freiwerdende Kapazität dem individuellen, motorisierten Quell-, Ziel- und Binnenverkehr zur Verfügung gestellt wird, kann eine Verlagerung vom Stadtstrassennetz auf die Autobahn forciert werden. Die Handelskammer beider Basel lehnt deshalb auch einen teilweisen Rückbau der Osttangente dezidiert ab. Ein vollständiger Rückbau steht bei vernünftiger Betrachtung nicht zur Debatte, da der Rheintunnel die gesamte Verkehrsmenge keinesfalls aufnehmen könnte und die Fahrzeuge stattdessen die Quartiere massiv belasten würden. Der hauptsächlich für den Durchgangsverkehr (20-25 Prozent des Verkehrsaufkommens auf der Osttangente, Stand heute) konzipierte Rheintunnel kann die Erschliessungsfunktion der Osttangente mit ihren Auf- und Abfahrten für den Ziel-, Quell- und Binnenverkehr (75-80 Prozent des Verkehrsaufkommens auf der Osttangente, Stand heute) nicht übernehmen.
Wie der Regierungsrat schreibt, würde ein Kapazitätsabbau auf der Osttangente im Umfang der geplanten Entlastungswirkung eines Rheintunnels auf Seite BL dazu führen, dass die positiven Effekte des Rheintunnels auf das nachgelagerte Strassennetz verpuffen würden. Das bedeutet, dass insbesondere im Raum Birsfelden die angestrebte Entlastungswirkung nicht erreicht würde. In der Ortsdurchfahrt (Hauptstrasse/Rheinfelderstrasse) sind mit der Eröffnung des Rheintunnels Abnahmen von rund 30 Prozent und auf der Birseckstrasse von rund 40 Prozent im Prognosejahr 2040 (Vergleich Zustand mit/ohne Rheintunnel) zu erwarten. Diese Entlastungswirkung ist im Interesse der Wohnbevölkerung sicherzustellen, indem der Verkehr auf dem sichereren Nationalstrassennetz kanalisiert wird. Auch das Bundesamt für Strassen rät dringend von einer Kapazitätsreduktion auf der Osttangente ab.
Letztlich muss erwähnt sein, dass der Rheintunnel die hohe Qualität der Erreichbarkeit des Wirtschaftsstandorts und Lebensraums Basel strassenseitig erhalten soll. Angesichts der Wachstumsaussichten der Region gibt es keine Alternative zum punktuellen Ausbau des Verkehrsnetzes. Dies gilt gleichermassen für andere Verkehrsträger.
Um sich für den Bau des Rheintunnels und den Erhalt der Osttangente einzusetzen, hat die Handelskammer gemeinsam mit weiteren Verbänden das Komitee «Pro Rheintunnel» gegründet, welches bereits über 200 Mitglieder aus Politik, Wirtschaft, Verbänden und Quartiervereinen zählt.
Wir bitten Sie, der Regierung zu folgen und das Postulat zu überweisen und abzuschreiben.
Traktandum 19: ÖV-Erschliessung des Bachgrabenareals verbessern; 2023/221; Postulat Jan Kirchmayr
Das Bachgrabenareal in Allschwil ist ein boomender Life Sciences-Hub, auf dem in den nächsten Jahren circa 6'000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Ein grosses Fragezeichen stellt jedoch die verkehrliche Erschliessung dar. Wie sollen die tausenden Arbeitnehmenden, Kunden und Geschäftspartner künftig ihr Ziel erreichen? Wie im Postulat erwähnt, wird das geplante Bauprojekt Zubringer Bachgraben, welches derzeit einer umfassenden Optimierungsprüfung unterzogen wird, frühestens 2027/2028 in Bau gehen. Kurzfristig kann der Zubringer daher keine verkehrliche Entlastung bieten. Die Handelskammer beider Basel unterstützt deshalb das Ansinnen, zu prüfen, ob die bestehende Busanbindung des Bachgrabengebietes ausgebaut werden kann.
Die Handelskammer beider Basel hat sich zudem im Rahmen ihres Themendossiers «Mobil in die Zukunft» mit neuen Möglichkeiten zur Erschliessung des Bachgrabenareals auseinandergesetzt, welche das Potenzial bieten, die bereits existierenden oder geplanten Erschliessungsarten (beispielsweise den Zubringer Bachgraben) künftig zu ergänzen. Neben automatisierten Minibussen zur Erfüllung von Zubringerfunktionen innerhalb des Bachgrabenareals und direkteren Velorouten könnte ein Peoplemover eine wichtige Rolle zur Anbindung des Bachgrabenareals via Bahnhof St. Johann an das stadtweite S-Bahn-System spielen. Wir bitten den Regierungsrat, diese Alternativen zusätzlich abzuklären.
Wir bitten Sie, das Postulat zu überweisen.
Traktandum 20: Separative Beschulung den heutigen Bedürfnissen anpassen; 2023/239; Motion Miriam Locher
Die Handelskammer beider Basel hat schon beim Beitritt zum Sonderpädagogik-Konkordat darauf hingewiesen, dass die integrative Schule mit Augenmass umgesetzt werden müsse. Gemäss Rückmeldungen aus den Schulen und Kritik von Eltern scheint das bisher angewandte Konzept nun an seine Grenzen zu stossen.
Seitens Wirtschaft gilt es, das Wohl von allen Kindern und Jugendlichen in der Regelklasse zu berücksichtigen: Eine zu starke Heterogenität in den Klassenverbänden kann das Leistungsniveau beeinträchtigen und die Förderung von leistungsstarken Schülerinnen und Schülern erschweren oder sogar verunmöglichen.
Wir bitten Sie, der Regierung zu folgen und die Motion als Postulat zu überweisen.
Traktandum 27: Zweckmässigkeitsüberprüfung für die A22 im Raum Liestal/Lausen; 2023/256; Postulat Thomas Eugster
Die Handelskammer anerkennt den Handlungsbedarf bei der A22 im Raum Liestal/Lausen. Als Wirtschaftsverband, der sich seit jeher für die wichtigen Infrastrukturprojekte der Region starkmacht, wissen wir, dass solche Vorhaben einen langen Planungs- und Umsetzungshorizont haben. Entsprechend wichtig ist es, rasch mit der geforderten Zweckmässigkeitsüberprüfung zu beginnen. Allerdings liegt die Verantwortung jetzt beim ASTRA und der Fokus bei der Umsetzung des STEP 2023.
Nichtsdestotrotz macht es aus Sicht der Handelskammer beider Basel Sinn, vorbereitende Arbeiten zur möglichen Linienführung einer Tunnellösung zu starten. Damit wird die Grundlage geschaffen, das Projekt in einen zukünftigen STEP-Ausbauschritt aufzunehmen. Für alle anstehenden Infrastrukturprojekte im Raum Basel ist es unabdingbar, dass die Region mit einer Stimme spricht und in Bern geschlossen auftritt.
Wir bitten Sie, das Postulat zu überweisen.
Traktandum 29: Förderung des MINT-Bereichs; 2023/281; Postulat Béatrix von Sury d'Aspremont
In der Grundbildung entfällt aktuell nur gut ein Drittel der Abschlüsse auf den MINT-Bereich, wogegen sich die Nachfrage nach MINT-Fachkräften in den vergangenen Jahren vervielfacht hat. Wenn man zusätzlich die demografische Entwicklung berücksichtigt, wird klar ersichtlich, dass der Fachkräftemangel in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen noch stärker ansteigen wird. Mit der tunBasel hat die Handelskammer beider Basel bereits vor 13 Jahren auf dieses Problem hingewiesen und eine Erlebnisschau zur Förderung des Berufsnachwuchses in Technik und Naturwissenschaften lanciert: Zielpublikum der tunBasel sind Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 13 Jahren. Es ist seit Jahren mit Studien hinterlegt, dass Kinder, die schon in jungen Jahren mit den MINT-Fächern (spielerisch) in Kontakt kommen, sich eher für einen Beruf in diesen Bereichen entscheiden.
Die Wirtschaft unterstützt daher die Forderung der Postulantin, die MINT-Förderung auf der Primarstufe zu fördern.
Wir bitten Sie, das Postulat zu überweisen.
Traktandum 35: Senkung der Betreuungskosten dank Mehreinnahmen durch die OECD Steuer; 2023/328; Motion Béatrix von Sury d'Aspremont
Die Motion zielt auf die Verwendung der erwarteten Einnahmen aus der neu eingeführten Ergänzungssteuer ab. Die Ergänzungssteuer setzt die OECD-Mindeststeuer um und stellt sicher, dass international tätige Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro mindestens 15 Prozent Gewinnsteuer bezahlen. 75 Prozent der Einnahmen aus der Ergänzungssteuer fliessen an die Kantone. Im Kanton Basel-Landschaft sind rund 50 Unternehmen von dieser Steuer betroffen.
Die Einführung der Ergänzungssteuer wurde am 18. Juni 2023 von den Stimmberechtigten mit einer deutlichen Mehrheit gutgeheissen, in Basel-Landschaft von 81,3 Prozent. Dass die Mehreinnahmen zur Verbesserung der Standortattraktivität eingesetzt werden, ist ein zentrales Anliegen der Wirtschaft und war im Abstimmungskampf eines der wesentlichen Argumente. Die Ergänzungssteuer führt zu einer finanziellen Mehrbelastung der betroffenen Unternehmen, ohne dass hierfür ein Mehrwert geboten wird. Um im internationalen Standortwettbewerb auch in Zukunft attraktiv zu sein, ist eine anderweitige Verbesserung der Standortbedingungen daher unabdingbar. Im Vordergrund stehen für die Wirtschaft dabei Massnahmen, welche die betroffenen Unternehmen gezielt entlasten, wie beispielsweise Steuergutschriften für Forschung und Entwicklung, wie dies vom Regierungsrat in seiner Stellungnahme angedeutet wird.
Der Regierungsrat schätzt die Einnahmen aus der OECD-Ergänzungssteuer auf 5 bis 10 Millionen Franken, wobei ein Teil dieser Gelder gemäss Bundesverfassung für die Gemeinden einzusetzen ist. Schon daraus wird ersichtlich, dass die Ergänzungssteuer für eine sinnvolle Finanzierung von Betreuungskosten nicht die richtige Quelle ist. Umfang und Finanzierung der Kinderbetreuung sind unabhängig von der Ergänzungssteuer bei der Prüfung eines Gegenvorschlages zur Volksinitiative «Gebührenfreie Kinderbetreuung für alle Familien» zu prüfen. Die Einnahmen aus der Ergänzungssteuer sollten demgegenüber gezielt für direkt wirksame Massnahmen verwendet werden.
Wir bitten Sie, die Motion nicht zu überweisen.
Traktandum 44: Förderung Batteriespeicher; 2023/302 und Traktandum 56: Kombinierte Investitionen in CO2-arme Systeme zusätzlich belohnen; 2023/303
Die Vorstösse 2023/302 und 2023/303 betreffen dasselbe Themenfeld und werden im Folgenden gemeinsam abgehandelt:
Zur Erreichung der Klimaziele sind die Bereiche Gebäude und Energieerzeugung zentral. Es ist deshalb wichtig, dass dort effiziente und zukunftsgerichtete Instrumente zum Einsatz kommen. Diese müssen marktnahe Anreize zur Anwendung moderner, klimafreundlicher Technologien setzen. Eine solche Technologie sind PV-Anlagen. Um diese wirtschaftlich zu betreiben, ist der Eigenverbrauch essenziell. Es gilt dabei (ceteris paribus): Je mehr vom selbst produzierten Strom selbst verbraucht wird, desto rascher ist die PV-Anlage amortisiert. Um den Eigenverbrauchsgrad zu steigern, ist ein Batteriespeicher eine logische Erweiterung. Ein Batteriespeicher erhöht aber nicht nur den Eigenverbrauchs- und Autarkiegrad, er kann perspektivisch auch Spitzenlasten bei sehr viel Solarstromproduktion oder andersherum bei grosser Stromnachfrage glätten und trägt so zur Stabilisierung der Stromnetze bei.
Durch die Elektrifizierung der Wärmeproduktion bei Gebäuden (beispielsweise in Form von elektrischen Wärmepumpen), erhöht sich der Bedarf nach klimafreundlichem Strom. Es ergibt deshalb Sinn, Anreize zu setzen, dass bei Investitionen in Wärmepumpen zusätzlich zeitnah in die Produktion von erneuerbaren Energien (insbesondere PV-Anlagen) investiert wird. Auch die Kombination von PV-Anlagen und die Nutzung von Elektro-Fahrzeugen ergibt Sinn, da die Energie der PV-Anlage für den Betrieb des Fahrzeugs und gleichzeitig das Fahrzeug als Energiespeicher für die PV-Anlage genutzt werden kann.
Die Handelskammer sieht die oben beschriebenen Technologien/Kombinationen a priori als sinnvoll an und begrüsst die Forderung, dass eine spezifische Förderung geprüft wird. Dafür sollen jedoch bereits bestehende Fördergefässe verwendet und gesprochene Mittel neu alloziert werden. Dies kann zum Beispiel im Ersatz von Technologien geschehen, die nicht mehr zeitgemäss sind oder kaum nachgefragt werden.
Wir bitten Sie, der Regierung zu folgen und beide Postulate zu überweisen.