Stellungnahmen zu den Grossratssitzungen vom 5. und 12. Juni 2024

31.05.2024

Die Handelskammer beider Basel nimmt zu diversen Traktanden der Grossratssitzung vom 5. sowie 12. Juni 2024 Stellung.

Traktandum 18: Motion 8 Anina Ineichen und Konsorten für einen Klimafonds "New Green Deal für Basel" (NGDB)

Die Motion fordert die Einrichtung eines Fonds, um die von der Klimaschutzstrategie vorgesehenen Massnahmen finanzieren zu können. Der Fonds soll gespiesen werden aus einem Teil der Überschüsse des Kantons, aus einem Teil der Einnahmen aus der Ergänzungssteuer und aus Bundesmitteln.

Die Ergänzungssteuer setzt die OECD-Mindeststeuer um und stellt sicher, dass international tätige Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro mindestens 15 Prozent Gewinnsteuer bezahlen. 75 Prozent der Einnahmen aus der Ergänzungssteuer fliessen an die Kantone. In Basel-Stadt sind rund 100 Unternehmen von dieser Steuer betroffen.

Dass die sich daraus ergebenden Mehreinnahmen zur Verbesserung der Standortattraktivität eingesetzt werden, ist ein zentrales Anliegen der Wirtschaft. Die Ergänzungssteuer führt zu einer finanziellen Mehrbelastung der betroffenen Unternehmen, ohne dass hierfür ein Mehrwert geboten wird. Um im internationalen Standortwettbewerb auch in Zukunft attraktiv zu sein, ist eine anderweitige Verbesserung der Standortbedingungen, die sich auch finanziell für die Unternehmen positiv auswirkt, daher unabdingbar.

Der Regierungsrat hat angekündigt, bei der kantonalen Umsetzung der Mindeststeuer auch ökologische Ziele mitzuberücksichtigen. Eine weiterführende Verwendung dieser Einnahmen im Sinne der Motion ist sachlich nicht gerechtfertigt. Dies würde dazu führen, dass ein kleiner Teil der Unternehmen einen überproportionalen Anteil der Kosten tragen müsste. Die umfassenden Bemühungen der betroffenen Unternehmen für mehr Klimaschutz bleiben gänzlich unberücksichtigt.

Ohnehin ist festzuhalten, dass es die Wirtschaft sein wird, die einen erheblichen Teil der Umsetzung bestreiten muss. Es gilt, die Wirtschaft durch die richtigen Anreize für Innovation und Investitionen zu unterstützen. Die Einrichtung eines Fonds unterstellt demgegenüber, dass die Vergabekommission besser weiss, welche Massnahmen wirtschaftlich sinnvoll und zielführend sind. Auch die Suggestion, die Einwohnerinnen und Einwohner des Kantons würden mit einem solchen Fonds nicht zusätzlich belastet werden, muss als Illusion bezeichnet werden. Die betroffenen Unternehmen werden sämtliche Mehrkosten direkt oder indirekt an die Kundschaft weitergeben.

Ganz grundsätzlich ist schliesslich festzuhalten, dass der Kanton Basel-Stadt eine ambitionierte Klimapolitik verfolgt. Die Handelskammer unterstützt die entsprechenden Bemühungen aktiv. Eine Klimaschutzstrategie liegt vor, die dazugehörigen Massnahmen werden aktuell durch die Verwaltung ausgearbeitet. Zu einem vollständigen Massnahmenplan gehört selbstverständlich auch, deren Finanzierung aufzuzeigen. Die zuständige Verwaltungsstelle mit immer weiteren Vorstössen zu belasten ist vor diesem Hintergrund weder hilfreich noch zielführend. Die Handelskammer steht dem zunehmenden Aktivismus des Parlamentes rund um «Basel 2037» kritisch gegenüber.

Wir bitten Sie, die Motion nicht zu überweisen.

Traktandum 34: Motion Tobias Christ und Konsorten für eine Generelle Aufgabenüberprüfung mit Entlastungsziel, Stellungnahme des RR

Die Generelle Aufgabenüberprüfung (GAP) dient dazu, die vom Kanton wahrgenommenen Aufgaben regelmässig zu prüfen. Der Regierungsrat setzt bei der GAP jeweils thematische Schwerpunkte, setzt sich aber kein konkretes Entlastungsziel. Auch im GAP-Schlussbericht wird nicht ausgewiesen, wie hoch die erreichte Entlastung ist.

Der Regierungsrat begründet seine ablehnende Stellungnahme damit, das Ziel der GAP sei eine Verbesserung der staatlichen Aufgabenerfüllung, es handle sich nicht um ein «Sparprogramm». Diese Darstellung ist unvollständig. Das Gesetz (§ 7 FHG) gibt vor, die kantonalen Tätigkeiten seien «auf ihre staatliche Notwendigkeit, ihre Wirksamkeit und die Effizienz ihrer Erbringung sowie auf die Tragbarkeit ihrer finanziellen Auswirkungen» zu überprüfen. Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass bei der GAP durchaus eine Entlastung des kantonalen Finanzhaushaltes im Vordergrund steht. Dies entspricht einem üblichen betriebswirtschaftlichen Vorgehen. In einem Betrieb in der Grössenordnung des Kantons entstehen über die Jahre durch gesellschaftliche und technologische Weiterentwicklung laufend Möglichkeiten, effizienter zu werden. Mit einem konkreten Entlastungsziel kann darauf gezielt hingewirkt werden. Die GAP sollte als Chance verstanden werden, diese Potenziale offenzulegen und damit Handlungsspielraum für die vom Regierungsrat genannten gezielten Mehrausgaben und Investitionen zu schaffen.

Wir bitten Sie, die Motion als Motion zu überweisen.

Traktandum 35: Motion Tobias Christ und Konsorten betreffend die Einführung eines Aufgaben- und Finanzplans, Stellungnahme des RR

Die Motion fordert eine Umstellung der Finanzplanung des Kantons auf einen Aufgaben- und Finanzplan (AFP). Durch diese Umstellung bekäme der Grosse Rat die Möglichkeit, nicht nur das aktuelle Budget zu verabschieden, sondern verstärkt auch die mittelfristige Entwicklung der Kantonsfinanzen in den Fokus zu nehmen. Damit würde eine längerfristige finanzpolitische Betrachtung durch das Parlament gefördert.

Dies lässt sich entgegen der Darstellung des Regierungsrates durchaus im Einklang mit der bestehenden Kantonsverfassung bewerkstelligen. Die Einführung eines AFP würde nichts daran ändern, dass der Regierungsrat den Finanzplan erstellt, wie es die Kantonsverfassung vorsieht. Die Verfassung sieht weiter vor, dass der Grosse Rat «in der vom Gesetz bezeichneten Weise an der regierungsrätlichen Gesamtplanung» mitwirkt (§ 86 Abs. 2 KV). Weiter sieht Abs. 2 vor: «Er erlässt, genehmigt und behandelt Pläne, wo es das Gesetz vorsieht.» Diese beiden Bestimmungen lassen dem Gesetzgeber ausdrücklich den Spielraum, diese Mitwirkung im Gesetz näher auszugestalten und beispielsweise eine Genehmigung eines AFP durch den Grossen Rat vorzusehen. Erstellt würde die Planung im Einklang mit der Verfassung wie bisher vom Regierungsrat.

Der Verweis auf das bestehende parlamentarische Instrumentarium vermag nicht zu befriedigen. Um diese Instrumente sinnvoll einsetzen zu können, muss der Grosse Rat in ausreichender Weise Kenntnis über die Annahmen des Regierungsrates bezüglich weiterer Entwicklung von Ausgaben und Einnahmen haben. Heute ist lediglich eine einzelne Zahl in Form des erwarteten Gesamtergebnisses bekannt. Dies lässt nur pauschale, wenig zielgerichtete Interventionen zu.

Wir bitten Sie, die Motion als Motion zu überweisen.

Traktandum 47: Motion Lorenz Amiet und Konsorten betreffend «Wider die Auswüchse bei
Lohngleichheitsanalysen im kantonalen Beschaffungswesen», Stellungnahme des RR

Die Handelskammer beider Basel hat die extremen Massnahmen des Kantons Basel-Stadt im Bereich Lohngleichheitsanalysen stets abgelehnt. Die Ausweitung der Lohngleichheitsanalysen auf Unternehmen ab 50 Mitarbeiter und der Zwang, das Logib-Instrument zu verwenden, führen bei vielen KMU zu unnötiger Bürokratie und hohen Kosten. Die Forderungen der Motion bringen zumindest für Unternehmen im Beschaffungsprozess wichtige Entlastungen. Wir empfehlen deshalb, an der Motion festzuhalten und verweisen zudem an die Argumentation des Arbeitgeberverbands Region Basel, welche wir vollumfänglich unterstützen.

Wir bitten Sie, die Motion zu überweisen.

Traktandum 48, 49, 50, 51, 52: Motionen zum Wohnraumfördergesetz (WRFG) und zur Wohnraumschutzverordnung (WRSchV)

Das Wohnschutzgesetz führt dazu, dass in Basel nicht mehr saniert wird und speziell Personengruppen, welche durch das Gesetz bessergestellt werden sollten, nun das Nachsehen haben. So haben beispielsweise faire Vermieterinnen und Vermieter, welche über lange Zeit die Mieten nicht erhöht haben oder Mieterinnen und Mieter, welche bspw. gerne einen modernen Ausbaustandart haben, heute das Nachsehen. Zudem leidet neben den Eigentümerinnen und Eigentümer auch ein ganzer Wirtschaftszweig durch das Ausbleiben von Aufträgen. Die Bilanz des neuen Gesetzes ist ernüchternd und der Handlungsbedarf ist unbestritten, was auch die Regierung mit der ersten Anhandnahme der Motionen zum Ausdruck gebracht hat. In ihrer Beantwortung hat die Regierung die fünf Motionen unterschiedlich qualifiziert. Weiterhin sieht sie den Handlungsbedarf als gegeben an, möchte jedoch mehr Spielraum bei der Umsetzung haben. Die Handelskammer beider Basel (HKBB) empfiehlt die Vorstösse von Pascal Messerli betreffend «Anpassung der Wohnschutzbestimmungen im Bereich Wohnschutzkommission» und von Michael Hug betreffend «Anpassung der Wohnschutzbestimmungen in Bezug auf das Bewilligungsverfahren» der Regierung weiterhin als Motionen zu überweisen. Damit können innert nützlicher Frist die notwendigen Änderungen umgesetzt werden. Die Motionen Niggi Daniel Rechsteiner betreffend "Anpassung der Wohnschutzbestimmungen im Bereich der energetischen Sanierungen", Andrea Elisabeth Knellwolf betreffend "Definition Wohnungsnot" und Daniel Seiler betreffend "Anpassung der Wohnschutzbestimmungen im Bereich des Stockwerkeigentums" bitten wir Sie dem Regierungsrat als Anzug zu überweisen. Dies da sich noch Umsetzungsfragen stellen. Die Regierung wird aufgefordert, die Verordnung umgehend anzupassen und allfällig notwendige Gesetzesänderungen (z.B. Streichung des Meldeverfahrens) vorzulegen.

Wir bitten Sie, die Motionen Messerli und Hug zum Wohnraumfördergesetz (WRFG) und zur Wohnraumschutzverordnung als Motionen zur Erfüllung und die Motionen Seiler, Rechsteiner und Knellwolf als Anzug zu überweisen.

Traktandum 53: Antrag Claudia Baumgartner und Konsorten auf Einreichung einer Standesinitiative betreffend Massnahmen zur Aufwertung der beiden ehemaligen Halbkantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft (Volles Ständerecht), Stellungnahme des RR

Die Standesinitiative fordert vom Bundesparlament, die nötigen Schritte zu unternehmen, um die ehemaligen Halbkantone zu vollwertigen Kantonen mit voller Standesstimme aufzuwerten. Aus Sicht der Wirtschaft ist es nach wie vor stossend, dass die zweitgrösste Wirtschaftsregion der Schweiz, die in den letzten Jahren das höchste Wirtschaftswachstum des Landes zu verzeichnet hat, weiterhin nur mit halben Standesstimmen im Ständerat vertreten ist. Sowohl aufgrund der wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung als auch gemessen an Einwohnerinnen und Einwohner ist eine Aufwertung der beiden Basel angemessen.

Wir bitten Sie, dem Regierungsrat zu folgen und den Antrag auf Einreichung der Standesinitiative gutzuheissen.

Traktandum 61: Anzug Joël Thüring und Konsorten betreffend Beteiligung des Kantons Basel-Stadt am ICT-Scouts/Campus, Schreiben des RR

Die Schweiz, und im Speziellen die Region Basel, leidet unter einem akuten Mangel an ausgebildeten ICT-Fachkräften. Unternehmen suchen händeringend nach Applikationsentwicklerinnen und -entwicklern, IT-Projektleiterinnen und -Projektleiter oder IT-Sicherheits-Spezialistinnen und -spezialisten. Der Arbeitsmarkt ist aber komplett ausgetrocknet. Ein Umstand, der die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Basel mittel- bis langfristig schwächen wird.

Der Verein ICT Scouts/Campus kann hier Abhilfe verschaffen. Speziell ausgebildete Scouts suchen digitale Nachwuchstalente in den Schulen der Region. Sie fördern diese und bereiten sie im ICT-Campus der Handelskammer beider Basel in Muttenz auf ICT-Berufe vor. Die Jugendlichen wählen aus einem Angebot spannender Projekte aus oder realisieren ihre eigenen Ideen. Es wird programmiert, codiert, Roboter gebaut und Games entwickelt. Die Jugendlichen, welche den ICT-Campus besuchen, profitieren nicht nur von der begleiteten Förderung und einem Netzwerk zu Lehrbetrieben, sondern erarbeiten sich in der Campus-Zeit auch Kompetenzen, die ihnen später auf dem Lehrstellenmarkt oder in weiterführenden Schulen enorm helfen. Insbesondere schulisch schwache Jugendliche profitieren.

Da ein Leistungsauftrag fehlt, werden im Kanton Basel-Stadt – im Gegensatz zum Kanton Basel-Landschaft – viel zu wenig Scoutings durchgeführt. Dies obwohl rund 2/3 der regionalen Informatik-Lehrstellen von Unternehmen im Stadtkanton angeboten werden.

Die Handelskammer unterstützt den Anzug. Mit einem offiziellen Leistungsauftrag erhalten alle Schülerinnen und Schüler an der Volksschule im Kanton Basel-Stadt die Chance, den ICT-Campus zu besuchen. Damit wird auch die Chance, dass mehr Jugendliche einen ICT-Beruf ergreifen, erhöht. Der Kanton Basel-Stadt leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Förderung der dringend benötigten ICT-Fachkräfte.

Wir bitten Sie, den Anzug zu überweisen

Traktandum 83: Motion Raphael Fuhrer und Konsorten betreffend keine finanziellen Fehlanreize für Fahrzeuge mit übermässigem Verbrauch von Ressourcen: Anpassung der Motorfahrzeugsteuer, Stellungnahme des RR

Der Vorstoss verlangt eine Erhöhung der finanziellen Belastung durch die Motorfahrzeugsteuer in Abhängigkeit des jeweiligen Ressourcenverbrauchs der Fahrzeuge. Es wird angeregt, eine quadratisch (statt linear) ansteigende Progression für klimaschädliche Autos sowie eine jährlich ansteigende Erhöhung der finanziellen Belastung bis zu einem politisch vordefinierten Zielzustand einzuführen. Die Daumenschraube zur Erreichung ideologischer Ziele soll also angezogen werden. Die Handelskammer steht diesem Ansinnen skeptisch gegenüber. Denn damit wäre eine markante Mehrbelastung für Unternehmen verbunden, welche auf schwere Nutzfahrzeuge angewiesen sind. Solche Fahrzeuge werden etwa in der Logistik, einer Leitbranche der Region mit rund 13'000 Erwerbstätigen und einer zentralen Querschnittsfunktion für die gesamte Wirtschaft verwendet. Auch die wichtige Baubranche wäre betroffen. Verlagerungen der Geschäftsaktivitäten, welche wiederum mit Mehrverkehr verbunden sein können, sind eine mögliche Konsequenz.

Als Handelskammer sind wir der Ansicht, dass moderne Fahrzeuge ohne klassischen Verbrennungsmotor auch ohne zusätzliche direkte oder indirekte Förderung sehr attraktiv sind. Tiefere Unterhaltskosten und geringe Abschreibungen sind Vorzüge rein technischer Natur. Die Einsparungen bei der Treibstoff- und Schwerverkehrsabgabe beruhen dagegen auf bestehenden regulatorischen Anreizen. Diese Vorzüge gelten insbesondere für die intensiv genutzten Nutzfahrzeuge. Es ist daher davon auszugehen, dass zahlreiche fossil betriebene Nutzfahrzeuge nach überschreiten ihrer Lebensdauer durch CO2-arme oder sogar CO2-neutrale Fahrzeuge ersetzt werden. Zahlreiche Unternehmensinitiativen untermauern diese Einschätzung. Zusätzliche staatliche Anreize beurteilen wir als nicht zielführend.

Dies auch vor dem Hintergrund, dass dem Regierungsrat bereits mit dem aktuellen Gesetz über die Besteuerung der Motorfahrzeuge Instrumente zur Erteilung von Steuerrabatten und -Zuschlägen in Abhängigkeit von deren Klimaneutralität zur Verfügung stehen. Zudem wird der MIV mit einem schweizweiten Kostendeckungsgrad von 86 Prozent (2018) gegenüber ÖV-Schiene (46 Prozent) und ÖV-Strasse (44 Prozent) dem Verursacherprinzip wesentlich stärker als andere Verkehrsformen gerecht. Eine weitere Verschärfung des Gesetzes lehnen wir ab.

Wir bitten Sie, die Motion nicht zu überweisen.

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