Stellungnahmen zu den Grossratssitzungen vom 14. und 21. Oktober
Die Handelskammer beider Basel nimmt zu diversen Traktanden der Grossratssitzungen vom 14. und 21. Oktober 2020 Stellung.
Traktandum 13: Ratschlag zu einer Teilrevision des Gesetzes über die direkten Steuern vom 12. April 2000 (Steuergesetz, StG) sowie Bericht zu einer Motion
Der Ratschlag setzt die Forderung der Motion Haller nach einer Senkung der Teilbesteuerung der Dividenden um. Mit der kantonalen Umsetzung der Steuervorlage 17 (SV17) wurde die Teilbesteuerung der Dividenden von 50 auf 80 Prozent erhöht. Damit weist Basel-Stadt den schweizweit höchsten Steuersatz auf. Die Wirtschaft hat diese Erhöhung akzeptiert und mitgetragen, weil sie Teil eines breit abgestützten Kompromisspaketes war, das für alle einen Gewinn darstellte. Durch die Annahme der Topverdienersteuerinitiative am 19. Mai 2019 hat sich die Ausgangslage entscheidend geändert. Innerhalb von drei Monaten fand eine doppelte Steuererhöhung statt. Die Handelskammer erachtet dies nicht für tragbar.
Darüber hinaus ist eine Senkung in der Sache gerechtfertigt: Die Teilbesteuerung der Dividenden kommt nur dann zur Anwendung, wenn der oder die Betroffene mindestens 10 Prozent eines Unternehmens hält. Damit wird die Doppelbesteuerung reduziert, die entsteht, wenn die ausbezahlte Dividende, welche bereits als Gewinn versteuert wurde, auch als Einkommen versteuert werden muss.
Die im Ratschlag vorgeschlagene Massnahme ist deshalb richtig und wichtig als Signal an die guten Steuerzahlenden des Kantons.
Wir bitten Sie, einer Senkung der Teilbesteuerung von Dividenden zuzustimmen.
Traktandum 18: Bericht der Bildungs- und Kulturkommission zum Ratschlag betreffend
Leistungsauftrag an die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) für die
Jahre 2021-2024
Mit der mittlerweile sechsten Leistungsauftragsperiode verfolgt die FHNW auch weiterhin ihren Kernauftrag der praxisorientierten Ausbildung auf Bachelorstufe. Auch in der Forschung und Entwicklung ist die FHNW auf Beantwortung von Fragestellungen aus der Praxis ausgerichtet. Mit der für die Leistungsperiode 2021-2024 ausgerichteten Strategie,
- die Organisation der FHNW, zur Bewältigung und Gestaltung des digitalen Wandels zu befähigen und
- das Portfolio in Lehre und Forschung gezielt weiterzuentwickeln und den Bedarf des Umfelds konsequent und zeitnah aufzunehmen,
reagiert sie u.a. auf den Wandel in der Digitalisierung, auf die Innovationsfähigkeit, auf den Fachkräftemangel und auf die Nachhaltigkeit. Themen, die trotz oder gar wegen der momentanen Lage mit dem Corona-Virus für die Wirtschaft aktueller sind als je zuvor.
Die Handelskammer beider Basel unterstützt den Leistungsauftrag 2021-2024 und das entsprechende Globalbudget von insgesamt 937.5 Mio. Franken, resp. 177.26 Mio. Franken für den Kanton Basel-Stadt. Sie möchte aber darauf hinweisen, dass in den kommenden vier Jahren ein Augenmerk auf die Pädagogische Hochschule (PH) gelegt werden soll. Lehrpersonen fundiert als Generalistinnen und Generalisten auszubilden und dabei gleichzeitig auch die Praxiserfahrung nicht zu vernachlässigen, wird dabei eine der Herausforderungen sein.
Wir bitten Sie, den Leistungsauftrag 2021-2024 mit dem Globalbudget zu genehmigen.
Traktandum 29.03: Jürg Stöcklin und Konsorten betreffend den weiteren Ausbau der CO2-neutralen Fernwärmeversorgung der IWB
In diesem Jahr wird die IWB ihr Fernwärmenetz mittels 80 Prozent CO2-neutraler Quellen betreiben. Damit erreicht sie ein hochgestecktes Ziel. Heute bezieht die IWB die Energie für ihr Fernwärmenetz im Wesentlichen aus dem CO2-neutralen Betrieb von Holzkraftwerken und aus der Verwertung von Kehricht. Nach diesem Erfolg ist es verständlich, dass neue Ziele geprüft werden. In diesem Fall soll der Regierungsrat die Umsetzbarkeit einer zu 100 Prozent CO2-neutralen Fernwärmeversorgung bis ins Jahr 2050 prüfen. Dies wird insofern zur Herausforderung, als zur Deckung der Nachfragespitzen heute auf Erdgas zurückgegriffen werden muss. Aufgrund der Grösse des Fernwärmenetzes der IWB ist dieses neue Ziel äusserst ambitioniert und wird aller Voraussicht nach zu Mehrkosten führen. Dies spricht jedoch nicht gegen die Prüfung dieses Vorhabens. Die Leistungsfähigkeit des IWB-Fernwärmenetzes und die Versorgungssicherheit der Kunden darf mit dieser neuen Strategie jedoch zu keinem Zeitpunkt aufs Spiel gesetzt werden.
Wir bitten Sie, den Anzug an die Regierung zu überweisen.
Traktandum 29.05: Lisa Mathys und Konsorten betreffend zulässige Parkplatz-Anzahl auf Privatgrundstücken
Der öffentliche Raum in Basel ist bereits heute knapp und wird immer knapper. Auch in Zukunft wird die Einwohnerzahl voraussichtlich weiter zunehmen. Der öffentliche Raum wird vielseitig genutzt. Etwa für Freizeitzwecke, zum Beispiel in Form von Parks, oder auch für die Mobilität in Form von Strassen, Schienen und Parkplätzen. In den vergangenen Jahren wurden vor allem letztere stark reduziert und sollen politisch gewollt auch zukünftig weiter zurückgehen. Da die Nachfrage nach individuellem motorisierten Verkehr jedoch auch in Basel-Stadt nach wie vor vorhanden ist, müssen neue Parkräume entstehen. Hierbei auch auf den Privatgrund zu zielen ist nachvollziehbar. Damit Parkplätze dort in namhafter Grösse wirtschaftlich realisiert werden können, müssen vor allem grössere Projekte ins Auge gefasst werden. Solche werden jedoch durch die heutige Parkplatzverordnung (PPV) eingeschränkt, da diese grundsätzlich nur einen Parkplatz pro Wohnung vorsieht. Dies läuft auch dem Ansinnen des Kantons zum Bau privater Quartierparkings zuwider, die er mit Mitteln aus dem Pendlerfonds fördern möchte. Der vorliegende Anzug greift damit ein legitimes Anliegen auf. Er greift jedoch zu kurz, indem er die maximale Anzahl lediglich auf zwei Stellplätze pro Wohnung erhöhen möchte. Vielmehr sollte weder eine Minimalgrenze – wie sie etwa im Kanton Basel-Landschaft existiert – noch eine Maximalgrenze an realisierbaren Stellplätzen vorgegeben werden. Die Situation der Parkplatzverfügbarkeit und -not ist in den Quartieren des Stadtkantons äusserst heterogen. Wir beantragen daher eine Aufhebung der Maximalzahl an Parkplätzen pro Wohnung im Rahmen der PPV für Basel-Stadt zu prüfen.
Wir bitten Sie, den Anzug an die Regierung zu überweisen.
Traktandum 29.15: David Wüest-Rudin und Konsorten betreffend Pilotversuch mit Mobility Pricing in Basel-Stadt
Die heutigen Verkehrsinfrastrukturen der Region Basel kommen regelmässig an ihre Kapazitätsgrenzen oder überschreiten diese sogar. Wichtige Projekte zur Engpassbeseitigung sind zwar planerisch aufgegleist, jedoch zeitlich stark verzögert. Damit wir als Wirtschafts- und Lebensraum weiterhin gut zu erreichen sind, müssen daher neben den Aus- und Neubauten auch weitere Ansätze zur Kapazitätsoptimierung der Verkehrsinfrastrukturen verfolgt werden. Das federführende Bundesamt für Strassen (ASTRA) hat in einer Simulationsstudie die Wirkung von Mobility Pricing auf das Brechen von Verkehrsspitzen am Beispiel der Region Zug analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl beim motorisierten Individualverkehr als auch beim öffentlichen Verkehr signifikante Reduktionen des Verkehrsaufkommens in den Spitzenzeiten morgens und abends theoretisch realisiert werden können. Das System soll in einem nächsten Schritt nun empirisch in Pilotregionen der Schweiz getestet werden. Zentral hierbei ist, dass durch distanz- und zeitabhängige Tarife des Mobility Pricings Treibstoffsteuern, die Nationalstrassenabgabe sowie die Automobilsteuer ersetzt und somit keine zusätzliche, sondern eine andere finanzielle Belastung des Reisenden an deren Stelle tritt. Für die Pilotversuche sehen wir es als zentral an, dass sämtliche Verkehrsträger, die schon in der Simulationsstudie berücksichtigt wurden, auch in die empirische Anwendung einbezogen werden. Konkret soll vor allem kein reines Road Pricing umgesetzt werden – auch nicht zu Testzwecken. Basel-Stadt als Stadtkanton im Dreiländereck mit vielen Berufspendlern aus der Agglomeration und steigendem Freizeitverkehr ist sicherlich eine anspruchsvolle Region, um Mobility Pricing im gegebenen Setting repräsentativ zu testen. Schliesslich würde es keinen Sinn machen, nur auf den Stadtkanton zu fokussieren. Vielmehr muss das Umland als funktionaler Raum, d.h. kantons- und länderübergreifend, in den Untersuchungsperimeter eingeschlossen werden. Nur dann könnte der Ansatz des Mobility Pricings in der Region unter realitätsnahen Bedingungen empirisch untersucht werden. Der Regierungsrat muss daher, wenn er Teil einer Pilotregion sein möchte, die regionale Zusammenarbeit mit den Nachbarkantonen sowie dem südbadischen Raum und dem Elsass, beispielsweise im Rahmen des Agglomerationsprogramms Basel, suchen.
Wir bitten Sie, den Anzug an die Regierung zu überweisen.
Traktandum 29.21: Erich Bucher und Konsorten betreffend Förderung und Ansiedlung von Firmen im Finanzdienstleistungsbereich
Basel war lange Zeit der führende Finanzplatz der Schweiz. In den letzten Jahrzehnten fand allerdings ein stetiger Abbau an Mitarbeitenden in der Region statt, wobei eine Stagnierung in den letzten Jahren festzustellen ist. Mit dem Vorstoss soll geprüft werden, inwiefern Firmen aus dem Finanzdienstleistungsbereich in Basel gefördert und neu angesiedelt werden können. Eine breit diversifizierte Branchenstruktur mit einer grossen Finanzdienstleistungsindustrie würde den Wirtschaftsstandort Basel stärken.
Wir bitten, Sie den Anzug zu überweisen.
Traktandum 29.32: Sibylle Benz und Konsorten betreffend kein Nachteil in der Schullaufbahn und beim Eintritt in die Lehre
Grundsätzlich setzt sich die Handelskammer beider Basel mit Nachdruck für die Chancengleichheit in der Bildung ein. Als die Schulen wegen des Corona-Virus geschlossen wurden, war diese Chancengleichheit tatsächlich nicht mehr gegeben. Dabei haben zwar auch die verschiedenen Digitalisierungsstadien in den einzelnen Schulstufen beigetragen, vor allem aber der Unterschied von familiärer Unterstützung, resp. das Vorhandensein oder eben Nichtvorhandensein von notwendigen Infrastrukturen in den jeweiligen Privathaushalten.
Die nun im Anzug geforderten Förderlektionen, das selbstorganisierte Lernen wie auch die Berufliche Orientierung sollten aber im entsprechenden Umfang bereits im Lehrplan verankert sein. In der Praxis zeigt sich aber, dass sich bspw. im Fach Berufliche Orientierung bei der Umsetzung eine enorme qualitative Spanne zeigt. Daran würden auch zusätzliche Lektionen nichts ändern.
Wir bitten Sie daher, den Anzug nicht zu überweisen.
Traktandum 29.37: Joël Thüring und Konsorten betreffend Task-Force Lehrstellenmarkt:
Gemeinsam die Auswirkungen der Corona-Krise bewältigen
Aktuell scheint der Lehrstellenmarkt tatsächlich noch sehr stabil zu sein. Es ist jedoch wichtig, Entwicklungen zeitnah zu beobachten, damit möglichst rasch gehandelt werden kann. Ein steter Austausch zwischen Wirtschaftsverbänden, den Mittelschulen und der Berufsbildung kann diesbezüglich hilfreich sein. Im Kanton Basel-Landschaft existiert eine solche Task-Force bereits seit März 2020.
Wir bitten Sie daher, den Anzug zu überweisen.
Traktandum 29.46: Alexander Gröflin und Konsorten betreffend pragmatischer Ausbau des S-Bahn-Netzes
Die Handelskammer beider Basel teilt die Einschätzung, dass ein rascher S-Bahnausbau und eine verbesserte Anbindung der bedeutenden Arbeitsplatzschwerpunkte wichtig für die Lebensqualität und die Wettbewerbsfähigkeit der Region sind. Daher ist das zügige Vorantreiben der Arbeiten zum Herzstück von grosser Bedeutung. Es ist richtig, dass bis zur Inbetriebnahme des Herzstücks vorübergehende Optimierungsideen geprüft werden. Diese provisorischen Projekte dürfen aber unter keinen Umständen zu einer Verzögerung am Projekt Herzstück führen, sondern dieses in sinnvoller Weise ergänzen bzw. vorspuren. Nach umfangreichen Analysen und Studien über mehrere Jahre wurde das Projekt Herzstück als optimale Lösung zur Verbesserung der regionalen Verkehrserschliessung mit dem öffentlichen Verkehr erkoren. Die Wiederaufnahme dieser Grundsatzdebatte und die damit verbundenen Zweifel am Herzstück sind daher nicht zielführend. Ausgehend von den Forderungen befürchten wir, dass der Anzug entgegen den Ausführungen im Einleitungstext das Projekt Herzstück grundsätzlich infrage stellt. Die Forderungen zur langfristigen Arealentwicklung entlang der einfachen S-Bahn bekräftigen diese Vermutung. Im Übrigen wird die Arealplanung bereits heute auf das Herzstück ausgerichtet. So zum Beispiel in Form des Entwicklungskonzepts Stadtraum Bahnhof SBB.
Die Handelskammer macht sich für die Prüfung provisorischer Zwischenlösungen bis zur Inbetriebnahme des Herzstücks stark. Dies unter der Voraussetzung, dass die Planung des Herzstücks dadurch nicht verzögert wird. Daher bitten wir Sie, den Anzug trotz unserer Kritik am ausformulierten Anzug zu überweisen.
Wir bitten Sie, den Anzug an die Regierung zu überweisen.
Traktandum 30.01: Jessica Brandenburger und Konsorten betreffend verbindliche
Geschlechterquoten an allen Fakultäten der Universität Basel
Die Universität ist seit Jahren bestrebt, den Frauenanteil bei der Besetzung von Professuren zu steigern. Die Entscheidungsgremien, in welchen auch Diversity-Beauftragte sitzen, sowie das Rektorat und schlussendlich der Universitätsrat haben in dem jeweiligen Prozess Mitspracherecht. Zudem ist der Uni Basel sehr wohl bewusst, dass eine höhere Anzahl von Professorinnen national wie international die Reputation einer Universität stärken.
Wie die Motionärinnen selber zugeben, wird die von ihnen geforderte Frauenquote bereits in einigen Fakultäten erfüllt und zwar dort, wo sich auch genügend Frauen auf der entsprechenden akademischen Stufe befinden. Es macht aus Sicht der Wirtschaft keinen Sinn, eine Frauenquote für die Professur für jene Fakultäten einzufordern, in denen schlichtweg der akademische Nachwuchs fehlt. Damit würde man in Kauf nehmen, dass z.B. Professuren in Naturwissenschaftlichen Fakultäten unbesetzt bleiben. Der Fachkräftemangel im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) zeigt sich nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch beim akademischen Nachwuchs und hier fehlt es insbesondere immer noch an weiblichen Akademikerinnen.
Mit ihrer Forderung, die Besetzung von Professuren mit einer Frauenquote zu belegen, greifen die Motionärinnen nicht nur in die Autonomie der Universität ein – aus Sicht der Handelskammer beider Basel gefährden sie damit auch den dringend benötigten MINT-Nachwuchs, sollten Professuren aufgrund fehlender Kandidatinnen nicht besetzt werden können.
Wir bitten Sie, die Motion nicht zu überweisen
Traktandum 30.06: Alexander Gröflin und Konsorten betreffend Umwandlung der Basler
Verkehrsbetriebe (BVB) in eine Aktiengesellschaft
Seit der Ausgliederung der BVB im Jahr 2006, hat der Betrieb zahlreiche Projekte in Angriff genommen. Insbesondere die umfangreichen Sanierungsarbeiten im Infrastrukturbereich sind unpopulär aber notwendig. Die BVB war in den letzten Jahren sehr aktiv und hat sich stets selbstkritisch gezeigt. Das Unternehmen und insbesondere die neue Geschäftsleitung benötigen nun Zeit, um sich auf ihre Kernaufgabe und die Umsetzung ihrer Strategie zu konzentrieren. Seit der fehlgeschlagenen Bestrebung zur Wiedereingliederung der BVB in die kantonale Verwaltung ist spürbare Ruhe in die Verkehrsbetriebe gekommen. Wie bereits beim Vorschlag zur Wiedereingliederung festgehalten, sehen wir die institutionelle Frage nicht als entscheidend für den Erfolg der BVB an. Die Ausgliederung spezialisierter staatlicher Dienstleistungen in der jetzigen Form ist in Basel üblich und grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Als Beispiele können die öffentlichen Spitäler oder die Industriellen Werke Basel (IWB) genannt werden, die erfolgreich betrieben werden.
Wir bitten Sie, die Motion nicht an den Regierungsrat zu überweisen.