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Nachhaltigkeit: Platz 1 für Chemie und Pharma
Die chemisch-pharmazeutische Industrie ist bei der ökologischen Nachhaltigkeit europaweit Spitzenreiter. Das zeigt der Global Industry Competitiveness Index (GICI) 2024 von BAK Economics. Was es braucht, damit das so bleibt erklärt Stephan Mumenthaler, Direktor scienceindustries.
Der GICI 2024 stellt unserer Chemie und Pharma ein gutes Zeugnis aus. In welchen Bereichen ist die Schweiz top?
Wir dürfen stolz sein auf den Leistungsausweis unserer chemisch-pharmazeutischen Industrie. Mit modernen Anlagen und digitalen Steuerungssysteme haben unsere Mitglieder ihren Energieverbrauch optimiert. In den letzten 15 Jahren haben sie den Anteil erneuerbarer Energien nahezu verdreifacht und den fossile Energieanteil um ein Drittel gesenkt. Auch im Ressourcenmanagement setzt die Branche Massstäbe durch Kreislaufansätze, zum Beispiel bei Lösungsmitteln, und engagiert sich für nachhaltige Standards entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Wegbereiter sind schliesslich die Produkte selbst: So finden chemische Stoffe beispielsweise bei erneuerbaren Energien wie Solar- und Windkraft Verwendung.
Wo bestehen Schwächen?
Erneuerbare Energien sind nach wie vor unzureichend verfügbar oder zu teuer. Herausforderungen stellen sich auch bei der Kreislaufwirtschaft, beispielsweise infolge hoher Sicherheitsanforderungen in der Pharmaindustrie. Strenge Vorschriften schränken hier die Wiederverwendung von Materialien ein, ebenso wie komplexe Produktzusammensetzungen und der Bedarf an sterilen Einmalprodukten. Dennoch bleibt der Wille ungebrochen, durch gezielte Investitionen weitere Fortschritte zu erzielen.
Wie kommt der Spitzenplatz 2024 für die Chemie- und Pharma-Industrie zustande?
Der «Umweltindex» bewertet ökologische Nachhaltigkeit anhand von Kriterien wie CO₂-Intensität, Energieeffizienz, dem Anteil erneuerbarer Energien und Innovationen in nachhaltigen Technologien. Die Schweizer Chemie- und Pharmaindustrie überzeugt durch hohe Effizienz und modernste Verfahren. Das Top-Resultat im GICI spiegelt die hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung, das Netzwerk aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie die konsequente Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien wider.
Welche Rahmenbedingungen braucht es, damit Chemie und Pharma ihren Spitzenplatz sichern und die Schweiz das Netto-Null-Ziel erreichen kann?
Zentral ist eine sichere, erschwingliche Energieversorgung mit klimaneutraler Energie. Ebenso wichtig ist es, innovative Technologien zu fördern. Erfolgsfaktoren sind die Forschungscluster mit exzellenten Einrichtungen und hochspezialisiertem Fachwissen. Durch gezielte Förderprogramme, Steuererleichterungen und die Unterstützung innovativer Technologien lassen sich die Kosten für nachhaltige Investitionen senken. Internationale Kooperationen und Abkommen leisten ebenfalls einen bedeutenden Beitrag für die Zukunft.
In der öffentlichen Meinung widersprechen sich Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit häufig – welche Rückschlüsse lassen die Ergebnisse des GICI dazu zu?
In der Tat: Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit werden fälschlicherweise oft als Gegensätze gesehen. Doch die Ergebnisse des GICI zeigen, dass sie Hand in Hand gehen. Die höhere Nachhaltigkeit steigert die betriebliche Effizienz. Unternehmen, die in nachhaltige Innovationen investieren, profitieren zudem von wachsender Nachfrage und positionieren sich erfolgreich auf neuen Märkten.
Ergebnisse des Global Industry Competitiveness Index
Der Global Industry Competitiveness Index (GICI) 2024 analysiert die Wettbewerbsfähigkeit der chemisch-pharmazeutischen Industrie der Schweiz. Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass die Schweizer chemisch-pharmazeutische Industrie eine der wettbewerbsfähigsten der Welt ist und im fünften Jahr in Folge zu den Top-3- Standorten im GICI zählt. Im Jahr 2024 liegt die Schweiz hinter den USA und vor Irland auf dem zweiten Platz. Neben den allgemeinen Wirtschaftsindikatoren beschäftigt sich das Fokusthema 2024 mit der ökologischen Nachhaltigkeit. Mit Blick auf möglichst geringe negative Umweltauswirkungen des wirtschaftlichen Wachstums bekommt die chemisch-pharmazeutische Industrie der Schweiz im internationalen Vergleich die Bestnote.
Was wünschen Sie sich dabei von der Politik, aber auch von der Gesellschaft?
Es ist zwar noch nicht Weihnachten, aber die Wunschliste ist lang (lacht). Spass beiseite: Von der Politik erhoffe ich mir Unterstützung für pragmatische, umsetzbare Lösungen und ganz allgemein positive Rahmenbedingungen, damit unsere Mitglieder die ambitionierten Klimaziele erreichen können. Unser Verband hat konkrete Forderungen gestellt, wobei insbesondere die Technologieoffenheit von grosser Bedeutung ist. Zudem benötigt die chemisch-pharmazeutische Industrie für die Zukunft eine wissens- und risikobasierte Chemikalienregulierung. Von der Gesellschaft erhoffe ich mir mehr Offenheit für wissenschaftlich fundierte Lösungen und dass erkannt wird, dass nur gemeinsam das Ziel einer nachhaltigen Wirtschaft erreicht werden kann.
Wie fördert die scienceindustries Nachhaltigkeit? Welche Strategie verfolgen Sie?
Unser Engagement für Nachhaltigkeit ist nicht neu: Ein zentrales Element, wie wir unsere Mitglieder unterstützen, ist das langjährige globale Responsible Care-Programm. Dieses fördert den sicheren Umgang mit Chemikalien über ihren gesamten Lebenszyklus. Sodann hilft die Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW), die von scienceindustries mitgetragen wird, unseren Mitgliedern gezielt, ihren Energieverbrauch zu optimieren und CO₂-Emissionen zu reduzieren. Ein weiteres wichtiges Element sind Kooperationsprojekte mit Universitäten und NGOs. Das Engagement von scienceindustries zur nachhaltigen Entwicklung der chemisch-pharmazeutischen Industrie ist breit und stärkt zugleich deren Wettbewerbsfähigkeit. Diesen Weg wollen wir auch in Zukunft fortsetzen.
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Über scienceindustries
scienceindustries ist der Schweizer Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences. Mehr als 250 in der Schweiz tätige Unternehmen aus Chemie, Pharma, Life Sciences und anderen wissenschaftsbasierten Industrien sind Mitglied.
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Das Interview erscheint in unserer Beitragsreihe #NACHHALTIGEIMPULSE