Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030

16.02.2021

Die Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 stellt die Überführung der UNO-Ziele aus der Agenda 2030 (Sustainable Development Goals, SDG) in die Schweizer Bundespolitik dar. Eine Fokussierung der Schweiz auf einzelne der insgesamt 17 Ziele begrüssen wir. Wir fordern jedoch auch ein dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum sowie hochwertige Bildung als dessen Basis als Ziele aufzunehmen. Herausforderungen und Konfliktpotenzial sehen wir im Zusammenhang mit der Wahrung unternehmerischer Freiheit, der Benachteiligung heimischer Unternehmen gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten sowie einer verlässlichen und planbaren Klimapolitik.

Zusammenfassung unserer Forderungen
  • Aufnahme der Ziele «Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschafts-wachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern» und «Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern» in die Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030.
  • Keine einseitigen Massnahmen zulasten einheimischer Unternehmen einführen.
  • Unternehmerische Freiheit bewahren – Kreislaufwirtschaft fördern.
  • Künftige Massnahmen mit bestehenden Instrumenten und Grundlagen koordinieren (z.B. Gegenvorschlag zur «Unternehmensverantwortungsinitiative»).
  • Klimapolitik planbar und verbindlich ausgestalten. Bestehende Ansätze und Instrumente (z.B. Emissionshandel) weiterverfolgen und integrieren.
  • Konflikte der Raumentwicklung (produktive Flächen vs. ökologische Flächen) auflösen.
  • Chancengleichheit über gerechtes und offenes Bildungssystem herstellen. Kooperationen zwischen Bildung und Wirtschaft als Grundlage für lebenslanges Lernen und Innovation weiterführen.
Ausgangslage

Die UNO-Staatengemeinschaft hat sich mit ihrer Agenda 2030 dazu verpflichtet 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030 zu erreichen. So sollen die grossen weltweiten Herausforderungen strukturiert und international abgestimmt angegangen werden. Hierbei gilt der Grundsatz, dass bei der nationalen Ausgestaltung und Umsetzung niemand zurückgelassen werden soll («leave no one behind»). Mit der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 (SNE 2030) formuliert der Bundesrat einen Umsetzungsvorschlag für die Agenda 2030, d.h. für die kommenden zehn Jahre. Nachhaltigkeit ist längst integraler Bestandteil der Wirtschaft, der Unternehmen und der Bevölkerung. Dabei finden neben der ökologischen Nachhaltigkeit, auch die soziale sowie die ökonomische Nachhaltigkeit immer mehr Beachtung. Für die Handelskammer beider Basel ist es daher zentral, dass die Wirtschaft mitsamt den Unternehmen partnerschaftlich in die Ausrichtung und Umsetzung der SNE 2030 einbezogen wird. Wir beteiligen uns daher am laufenden Vernehmlassungsverfahren zur Vorlage mit folgenden Ausführungen.

Konzeption

Nachhaltige Entwicklung ist in der Bundesverfassung als Staatszweck verankert. Nach dem Verständnis des Bundesrats, muss nachhaltige Entwicklung die drei Dimensionen «ökologische Verantwortung, gesellschaftliche Solidarität sowie wirtschaftliche Leistungsfähigkeit» gleichwertig und ausgewogen berücksichtigen. Die 17 globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) bilden dabei den Referenzrahmen der nationalen Umsetzungen. Die SNE 2030 fokussiert auf drei Ziele der Agenda 2030, bei denen aus Sicht des Bundes noch Verbesserungsbedarf besteht. Dies sind die Ziele «Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion», «Klima, Energie und Biodiversität» sowie «Chancengleichheit». Die SNE 2030 ist dabei als Instrument zu Koordination zwischen den verschiedenen Politikbereichen und Aktivitäten des Bundes zu sehen. Sie gilt daher in erster Linie für die Bundespolitik und bezieht sich auf Kompetenzen, die im Bereich des Bundes liegen. Neben der Wirtschaft und dem Finanzmarkt sieht der Bundesrat Bildung, Forschung und Innovation als Treiber einer nachhaltigen Entwicklung. Rahmenbedingungen sollen daher die Akteure und Handlungsfelder fördern und somit auch den Standort Schweiz stärken.

Forderungen

Der Grundsatz der Agenda 2030, dass niemand zurückgelassen wird, muss auch für Unternehmen gelten. Hierfür gilt es die unterschiedlichen Ausgangslagen der Unternehmen zu berücksichtigen. Unternehmen, die bereits heute ambitionierte Nachhaltigkeitsziele verfolgen, gilt es zu unterstützen. Gleichzeitig dürfen andere Unternehmen, die aufgrund der Branche, Grösse oder ihren finanziellen Möglichkeiten eingeschränkt sind, nicht überfordert werden. Die Fokussierung auf die drei genannten Themenfelder ist aus Sicht der Handelskammer nicht nachvollziehbar. Zwar macht eine Fokussierung und Schärfung der globalen Ziele für die Schweiz durchaus Sinn. Aus Sicht der Wirtschaft sehen wir aber besonders das Ziel «Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern» als zentral an. Wobei das Ziel «Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern» für die Schweiz hierfür eine Grundvoraussetzung darstellt. Wir fordern daher, diese beiden Ziele in die SNE 2030 mit entsprechenden Umsetzungsvorschlägen aufzunehmen.

Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion

Der Bundesrat sieht eine übermässige Nutzung natürlicher Ressourcen bei der Produktion und dem Konsum von Gütern und Dienstleistungen. So würde sich die Knappheit natürlicher Ressourcen zu wenig in den Preisen widerspiegeln, was zu einer Übernutzung dieser führt. Man möchte die externen Effekte daher internalisieren, d.h. einpreisen, damit die Übernutzung der Ressourcen vermindert wird. Während der Ansatz der Internalisierung in der ökonomischen Theorie zu einem effizienten Ergebnis führt, gestaltete sich eine zielführende praktische Anwendung stets schwierig. In diesem Zusammenhang betonen wir, dass weitere Anwendungen nicht dazu führen dürfen, dass die Produktion in der Schweiz praktisch verunmöglicht und eine Verlagerung dieser ins Ausland forciert wird.

Unternehmerische Freiheit muss gewahrt bleiben
Die Handelskammer begrüsst den Ansatz, Nachhaltigkeit in erster Linie mittels Internalisierung externer Kosten sowie der verbesserten Information des Konsumenten und der Öffentlichkeit, d.h. höherer Transparenz, zu erreichen. Zentral ist, dass die unternehmerische Freiheit nicht eingeschränkt wird, sondern alternative Wege aufgezeigt werden und Anreize gesetzt werden. Die Förderung der Kreislaufwirtschaft im In- und Ausland durch Anreize und gute Rahmenbedingungen befürworten wir. Wir sind der Ansicht, dass Schweizer Unternehmen bereits heute ihre soziale Verantwortung im Ausland wahrnehmen. Neue Massnahmen zur sozialen Nachhaltigkeit müssen sich an den Entwicklungen im Ausland orientieren, damit Schweizer Unternehmen keinen Wettbewerbsnachteil erleiden. Mit dem durch die Bevölkerung angenommenen Gegenvorschlag zur «Unternehmensverantwortungs-initiative» (UVI) liegt bereits ein weiteres Massnahmenpaket bereit, welches die gelebte Praxis vieler Betriebe und die Regulierung im Ausland widerspiegelt. Massnahmen zur sozialen Nachhaltigkeit müssen mit der Idee und dem Ansatz des Gegenvorschlags kompatibel sein.

Keine Benachteiligung inländischer Unternehmen
Zwar wird auch in der SNE 2030 angeführt, dass ein zunehmender Anteil ausländisch produzierter Güter zum Konsum in der Schweiz die Handlungsmöglichkeiten einschränkt, es wird jedoch keine Lösung für dieses Problem aufgezeigt. Aus Sicht der Wirtschaft ist es zentral, dass Massnahmen nicht einseitig auf in der Schweiz hergestellte Güter und Dienstleistungen angewendet werden und somit inländische Unternehmen gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten benachteiligt werden. Es wäre auch nicht im Sinne der Nachhaltigkeit, wenn zur Umgehung der Massnahmen vermehrt auf im Ausland produzierte Güter und Dienstleistungen zurückgegriffen werden würde. Im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit, d.h. der Reduktion von CO2-Emissionen, bestünde die Gefahr von «Carbon Leakage», also der Auslagerung von Produktion in andere Länder aufgrund von hohen Klimaschutzmassnahmen im Inland gegenüber dem Ausland zur Umgehung der Massnahmen. Hierbei wird die Wettbewerbsfähigkeit inländischer Unternehmen durch Preisverzerrungen geschwächt. Auch die Europäische Union hat diese Problematik erkannt und zieht (finanzielle) Grenzausgleichsmassnahmen in Betracht, um die unterschiedlichen Regelungen im In- und Ausland auszugleichen und einen Carbon Leakage zu verhindern. Ähnliches Ausweichverhalten und unerwünschte Effekte sind auch bei Massnahmen der sozialen Nachhaltigkeit absehbar. Aus Sicht der Handelskammer dürfen Massnahmen zur Förderungen nachhaltigen Konsums und Produktion durch Anreize und Rahmenbedingungen nicht einseitig zulasten heimischer Unternehmen umgesetzt werden. Grenzausgleichsmassnahmen, oder ähnliche Instrumente, müssen systematisch und gleichzeitig mit inländischen Massnahmen konzeptualisiert und umgesetzt werden. Die Herausforderungen ein solches System für handelbare Güter anreizorientiert, wirkungsvoll und fair auszugestalten sind jedoch gross. Ein solches Vorhaben in naher Zukunft umzusetzen sehen wir daher kritisch und wenig realistisch.

Klima, Energie und Biodiversität

Die Handelskammer setzt sich für eine nachhaltige Energie- und Klimapolitik ein. Im Zusammenhang mit der SNE 2030 sehen wir grosse Herausforderungen im Auflösen der Zielkonflikte im Bereich Klima und Biodiversität sowie der Raumentwicklung.

Verlässliche und planbare Klimapolitik
Wir fordern eine explizite Festschreibung des Stichjahrs 2050 zur Erreichung der Klimaneutralität. Eine dynamische Anpassung des Stichjahrs nach vorne lehnen wir ab, da dies zu Planungsunsicherheiten bei den Unternehmen führen würde. Treibhausgassenken müssen in jedem Fall im In- und Ausland entstehen und voll angerechnet werden können. Instrumente der Klimapolitik müssen prioritär marktwirtschaftlich orientiert sein. Insbesondere müssen die bereits bestehenden klima- und energiepolitischen Instrumente, namentlich der Emissionshandel, bei der Ausarbeitung künftiger Massnahmen berücksichtigt werden. Die Festschreibung eines linearen Absenkpfads von Treibhausgasemissionen bis 2050 lehnen wir ab. Innovationen sind mit plötzlichen und starken Effekten verbunden. Ein linearer Absenkpfad der Treibhausgasemissionen bis 2050 ist nicht zielführend, da er die Anwendung von innovativen Technologien unnötig einschränken würde. Ein zentrales Anliegen der Handelskammer ist es die Versorgungssicherheit der Schweiz mit Energie zu jeder Zeit sicherzustellen. Dies gilt angesichts einer fortschreitenden Elektrifizierung des Energieeinsatzes in besonderem Masse für Strom. Klima- und energiepolitische Massnahmen müssen die Versorgungssicherheit der Schweiz unterstützen und dürfen diese zu keinem Zeitpunkt in Frage stellen. In diesem Zusammenhang fordern wir die Prüfung von Pilotprojekten und Fördermöglichkeiten von «grünem» Wasserstoff. Auch hierbei sollen in erster Linie gute Rahmenbedingungen und Anreize geschaffen werden.

Konflikte bei der Raumentwicklung
Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist ein breit verankertes Bedürfnis der Schweizer Bevölkerung und wird von vielen als Wert an sich verstanden. Diesem muss daher auch bei der Raumentwicklung entsprechend Rechnung getragen werden. Bereits heute sind die Zielkonflikte sichtbar und es ist künftig noch mit einer Akzentuierung zu rechnen. So ist die angestrebte Verdichtung nach innen mit einer Zentralisierung von Infrastrukturen und produktiven Nutzungen auf bestimmte, zusammenhängende Räume raumplanerisch erwünscht. So soll der Zersiedelung Einhalt geboten werden, welche die Biodiversität insgesamt bedroht. Die Handelskammer begrüsst die grundsätzliche Trennung von produktiven Flächen – insbesondere im dichten urbanen Raum – von solchen, die im Aussenbereich der Natur überlassen werden. Nur so können die zahlreichen Zielkonflikte einer produktiven Nutzung von Boden und dem Vorrang ökologischer Vielfalt adäquat adressiert werden. Ansätze, die eine Vermengung der Ziele und Nutzungen auf einer Fläche anstreben, lehnen wir ab. Sie führen aus unserer Sicht dazu, dass letztlich weder dem einen, noch dem anderen legitimen Bedürfnis entsprochen werden kann. Auch hier spielt die Rechts- und Planungssicherheit eine grosse Rolle. Sowohl für unternehmerische Vorhaben als auch für Anliegen des Naturschutzes müssen Flächen verbindlich ausgewiesen und gesichert werden, um Konflikte in Zukunft zu vermindern. Hierbei müssen die Entwicklungsperspektiven der Wirtschaft eine zentrale Rolle spielen.

Chancengleichheit

Die Handelskammer setzt sich als liberaler Wirtschaftsverband für die Selbstbestimmung und Eigenverantwortung des Einzelnen ein. Der zentrale Grundsatz lautet hierbei, dass «Chancengleichheit» nicht mit «Ergebnisgleichheit» verwechselt werden darf. Die unterschiedlichen Formen von Diskriminierung müssen zuerst sorgfältig analysiert werden, bevor einseitige und unreflektierte Massnahmen implementiert werden. Eine Quotenregelung zur Beseitigung von Ungleichheit lehnen wir ab, da diese ein unflexibles Instrument darstellt und neue Ungerechtigkeiten schaffen kann. Vielversprechend finden wir hingegen den Ansatz Chancengleichheit durch einen gerechten Zugang zu Bildungsmöglichkeiten für alle zu erreichen. Hierfür sehen wir das qualitativ hochwertige und für den Nutzer überwiegend kostenfreie Schweizer Bildungssystem als gute Grundlage an. Wir unterstützen die gezielte Förderung für ein lebenslanges Lernen. Wir sind überzeugt, dass nur mit lebenslangem Lernen die Grundvoraussetzung zu einer lebenslangen Arbeitsmarktfähigkeit geschaffen werden kann. Auch muss das lebenslange Lernen am Arbeitsplatz gefördert werden. Die Schweizer Arbeitgeber gehören u.a. aufgrund der Berufsbildung zu den grössten Investoren des Schweizer Bildungssystems. In der Schweiz ist das Lernen am Arbeitsplatz etabliert. Dies stellt einen wesentlichen Vorteil gegenüber anderen Ländern dar, in denen es nicht üblich ist, dass die Wirtschaft bei der Bildung so stark beteiligt ist, wie in der Schweiz. Wie eine Studie der Universität Zürich aus dem Jahr 2019 darlegt, fördert diese enge Zusammenarbeit bei der Berufsbildung auch die Innovation , weshalb dieser besonders Sorge getragen werden soll.

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